Flüchtlinge in Haiti: Zwangsräumungen in Zeltlagern
Viele Menschen in dem gebeutelten Karibikstaat werden aus ihren provisorischen Zeltunterkünften vertrieben. Helfer machen die Regierung verantwortlich.
PORT-AU-PRINCE dpa | Drei Jahre nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti droht nach Angaben von Menschenrechtlern vielen der mehr als 320.000 Flüchtlinge die Zwangsräumung. Rund ein Viertel von ihnen müsse mit der Angst leben, selbst ihre provisorischen Zeltunterkünfte zu verlieren, warnte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem am Dienstag vorgelegten Bericht.
Danach waren allein im ersten Quartal 2013 rund 1000 Familien gezwungen, ihre Notlager zu verlassen. Die Polizei habe bei ihren Räumungsaktionen oft Gewalt eingesetzt und die wenigen Habseligkeiten der Opfer zerstört.
Aufrufe von Hilfsorganisationen hätten bislang wenig bewirkt. „Haitis Regierung hat nicht nur nichts gegen die Zwangsvertreibungen unternommen, sondern sogar erlaubt, dass sie seit Jahresbeginn zunehmen“, sagte Amnesty-Experte Javier Zúñiga.
Nach Amnesty-Angaben wurden zwischen Januar und März 977 Familien in dem verarmten Karibikstaat zwangsvertrieben. Dies sei eine Trendumkehr zum Schlechteren im Vergleich zu 2012. Zwischen dem Erdbeben im Januar 2010 und dem Ende des vergangenen Jahres hätten rund 61.000 Menschen ihre provisorischen Unterkünfte verlassen müssen.
2,3 Millionen Obdachlose nach Erdbeben
Dies geschehe oft auf Anordnung lokaler Behörden und mit rüdem Einsatz der Sicherheitskräfte. Oft seien Frauen besonders betroffen. Für den 41-seitigen Bericht recherchierten die Amnesty-Mitarbeiter teilweise auch vor Ort während Besuchen in den Jahren 2011 und 2012.
Haiti wurde am 12. Januar 2010 von einem Erdbeben der Stärke 7,0 erschüttert. Mehr als 200.000 Menschen starben, etwa 2,3 Millionen wurden obdachlos. Eine seit Oktober 2010 landesweit grassierende Cholera-Epidemie macht die Lage noch dramatischer. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) waren Ende März 2013 noch 320.051 Menschen in Flüchtlingslagern untergebracht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!