piwik no script img

Flüchtlinge in GriechenlandDie schiere Überforderung

Brandanschläge auf geplante Lager, Kinder und Eltern schlafen draußen, Tränengas gegen Flüchtlingsfamilien – Chaos in Griechenland.

Ankunft von Mutter und Kind auf der griechischen Insel Lesbos nach der Überfahrt in der Ägäis. Foto: ap

Athen taz | Flammen schlagen aus den Gebäuden, in denen 4.000 Menschen demnächst eine vorläufige Unterkunft erhalten sollten. Auf zwei der zukünftigen Lager für Flüchtlinge – leer stehende Hallen in der Kleinstadt Giannitsa, die früher das griechischen Militär genutzt hatte – wurden am Wochenende Brandanschläge verübt.

Das erste Gebäude ging am Samstagabend in Flammen auf. Die zweite potenzielle Flüchtlingsunterkunft wurde am frühen Sonntagmorgen von Unbekannten in Brand gesteckt. Letzteres wurde dabei fast vollkommen zerstört.

In Griechenland stauen sich derweil immer mehr Flüchtlinge. Am Viktoria-Platz im Zentrum Athens und auch am Hafen von Piräus verbringen seit mehreren Tagen Hunderte die Nächte im Freien – darunter auch zahlreiche Familien mit kleinen Kindern.

Über das Wochenende wurden die Überfahrten von den Inseln, auf denen die Flüchtlinge ankommen, etwas reduziert, um den Rückstau, der sich auf dem Festland bildet, abzufangen. Doch bereits am Montagmorgen seien wieder gut 1.800 Migranten in Piräus angekommen, teilte die Hafenverwaltung mit. HelferInnen vor Ort bringen Nahrungsmittel und Getränke, doch die Lage wird zunehmend chaotisch.

Alle sind überfordert

Flüchtlinge in Piräus lehnten gestern aufgebracht Wasserspenden ab. „Wir sind nicht gekommen, um Wasser zu trinken und zu essen“, rufen die jungen Männer. Sie wollten endlich weiterreisen dürfen.

Alle Beteiligten – Flüchtlinge, Einheimische, Helfende – sind mit dem nicht abreißenden Flüchtlingsstrom überfordert. Die Kapazitäten im Lande reichen längst nicht mehr. Immer mehr Flüchtlinge stauen sich im Land, da die Balkanländer nach wie vor ihre Grenzen für diejenigen verschlossen halten, die nicht aus Syrien oder dem Irak stammen.

Doch auch von diesen werden nur wenige über die Grenze gelassen. Vor zwei Wochen durften noch etwa 2.000 Personen täglich passieren. Aktuell lassen die Grenzer nur etwa 300 täglich ins Land. Am Grenzübergang zwischen Griechenland und Mazedonien harren nach Schätzungen mittlerweile gut 7.000 Flüchtlinge aus.

Viele von ihnen haben am Montag versucht, den Grenzzaun zu stürmen. Die mazedonische Grenzpolizei setzte Tränengas gegen sie ein. Dabei wurden mehrere Menschen leicht verletzt, unter ihnen auch Kinder.

Nur 305 dürfen über die Grenze

Derweil sind weitere Tausende Migranten in Richtung mazedonische Grenze unterwegs, berichten griechische Medien – sowohl mit verschiedenen Verkehrsmitteln als auch zu Fuß. Sie hoffen, doch noch einen Weg zu finden und ihre Route nach Mitteleuropa fortsetzen zu können.

Den griechischen Behörden zufolge durften am frühen Montagmorgen wieder nur 305 Flüchtlinge die Grenze nach Mazedonien passieren. Um etwa vier Uhr morgens wurde der Übergang dann wieder komplett geschlossen.

Derzeit hielten sich aufgrund der geschlossenen Grenze um die 22.000 Flüchtlinge und Migranten in Griechenland auf, sagte der Minister für Migrationsangelegenheiten Ioannis Mouzalas am Sonntag im Fernsehen. Andere Quellen sprechen bereits von 25.000 Flüchtlingen. Die Regierung in Athen geht laut Mouzalas davon aus, dass im März zwischen 50.000 und 70.000 Menschen in Griechenland festsitzen werden.

Weitere Auffanglager sind in Arbeit. Eines soll in Athen entstehen, fünf weitere im Norden des Landes nahe der mazedonischen Grenze. Sie sollten in den nächsten zehn Tagen fertiggestellt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Nationale Bewegungen sind zur Zeit extrem brandgefährlich! "Mazedonische Polizei setzt Tränengas gegen Flüchtlinge ein"! Ja, Schande über Europa, weil die europäische Außengrenzen nicht ausreichend gesichert werden, das erzeugt zugleich nationale Stacheldrahtzäune in vielen Ländern und stellt das "Schengener Abkommen" stark in Frage. Ich bin für Flüchtlingskontingente auf legalem Weg und für ein "Europäisches Einwanderungsgesetz". Ich stehe hinter der Forderung/Anliegen von Frau Merkel und von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, diese arbeiten an einer europäischen Lösung des Flüchtlingsproblems. National ist das nicht zu schaffen! Natürlich muss die Ursachenbekämpfung an erster Stelle stehen, das versteht sich doch von selbst!

  • Griechenland: Von der Troika in die Armut getrieben und dann soll es auch noch den Großteil der in der EU ankommenden Flüchtlinge aufnehmen.

     

    Was Merkel, Sarkozy & Co innerhalb weniger Jahre aus Europa gemacht haben, ist näher an 1929 als an 1989.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Komisch - in Griechenland sind die Flüchtlinge eine Belastung aber kaum kommen sie über die deutsche Grenze reden wir von Fachkräften, die in Zukunft unseren Wohlstand sichern.

       

      Das wird kurzfristig etwas Geld kosten - aber schon mittelfristig wird sich diese Investition bezahlt machen.

      Sie müssen ja "nur" richtig integriert werden.

  • Sie freuen sich über Assads Ankündigung Wahlen abzuhalten?

    Die SyrerInnen nicht.

    Warum fliehen sie dann weiterhin?