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Flüchtlinge brauchen Unterkunft„Die Städte sind überfordert“

Niedersachsens Städte- und Gemeindebund fordert, die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen und mehr Geld für deren Integration.

Eine Flüchtlingsunterkunft auf einem Truppenübungsplatz bietet kaum Chancen zur Integration Foto: dpa
Interview von Andreas Wyputta

taz: Herr Bullerdiek, der niedersächsische Städte- und Gemeindebund warnt, die Flüchtlingspolitik führe zu Chaos. Warum?

Thorsten Bullerdiek: Derzeit kommen zu viele Flüchtlinge auf einmal. Um diesen Menschen gerecht zu werden, muss die Zuwanderung kontrollierter gestaltet werden - schließlich wollen wir die Flüchtlinge integrieren und nicht bloß irgendwo unterbringen. Die Städte und Gemeinden sind überfordert.

Inwiefern?

Aktuell läuft es so: Wir bekommen Menschen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes zugewiesen - und kennen gerade einmal ihren Namen. Wir wissen aber nicht, ob diese Menschen traumatisiert sind, ob sie ärztliche Hilfe brauchen, wie gut sie Deutsch sprechen, ob ihre Kinder Plätze in der Schule oder im Kindergarten brauchen. Wir wissen nicht einmal, auf wie viele Flüchtlinge wir uns insgesamt einstellen sollen.

Die Innenminister rechnen mit 450.000 Menschen, die in diesem Jahr Schutz in Deutschland suchen werden. Niedersachsen soll gerade einmal zehn Prozent von ihnen aufnehmen. Wo ist das Problem?

Ende 2014 hieß es, wir sollten uns auf 300.000 Flüchtlinge einstellen. Jetzt könnte ihre Zahl bei 500.000 liegen. Deshalb brauchen wir einfach verlässliche Zahlen als Planungsgrundlage - sonst droht die Willkommenskultur hier in Niedersachsen, über die wir uns wirklich freuen, zu verschwinden.

Sie fürchten, die Stimmung in der Bevölkerung könnte sich gegen Schutzsuchende wenden?

Wenn wir unpopuläre Maßnahmen treffen müssen, könnte es zu Protesten gegen Flüchtlinge kommen, ja.

privat
Im Interview: Thorsten Bullerdiek

52, ist Sprecher des Städte- und Gemeindebunds in Niedersachsen. Der Verwaltungswirt verantwortet dort die Bereiche Organisation und Personal.

Was meinen Sie mit „unpopulären Maßnahmen“?

Schon heute ist es in Einzelfällen vorgekommen, dass etwa Schulturnhallen zur Flüchtlingsunterbringung genutzt werden mussten. Gerade im Winter fällt dann natürlich der Sportunterricht aus - was kein Problem ist, wenn es sich nur um Wochen handelt. Eine Dauerlösung kann das aber nicht sein.

Was müsste sich an dieser Situation ändern?

Wir fordern, dass der Bund eindeutiger wird und eine Höchstgrenze von Flüchtlingen für die Bundesländer festlegt, die wir jährlich betreuen sollen. Wir brauchen einfach mehr Planungssicherheit.

Und wo soll diese Höchstgrenze ihrer Meinung nach liegen?

Ich will mich nicht auf irgendwelche Zahlen festlegen. Wie gesagt: In diesem Jahr könnten mehr als eine halbe Million Menschen zu uns kommen - so viele wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Danach muss evaluiert werden, ob deren Integration leistbar war.

Das heißt im Klartext: Bei 600.000 Schutzsuchenden könnten sich die Städte und Gemeinden endgültig überfordert fühlen?

Das könnte so sein, ja.

Fürchten Sie nicht, mit einer solchen „Das Boot ist voll“-Rhetorik Rechtsextremen Argumente zu liefern?

Nein. Wir fordern das Ende einer Asylpolitik auf Zuruf - und wollen damit doch gerade verhindern, dass sich das gesellschaftliche Klima gegen Flüchtlinge wendet. Deshalb fordern wir auch mehr Geld vom Bund und vom Land.

Warum?

Aktuell bringen beide 6.195 Euro pro Flüchtling und Jahr auf - eine Erhöhung auf etwa 8.000 Euro ist angekündigt. Die wirklichen, von den Kommunen getragenen Kosten liegen aber bei mehr als 10.000 Euro - und darin sind eine soziale Betreuung ebenso wenig einberechnet wie Sprachkurse oder die Arbeitsvermittlung.

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2 Kommentare

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  • Auch wenn es schmerzt: Unsere Oberschicht muss nun mit eingebunden werden in die Unterbringung von Flüchtlingen und Finanzierung der zahlreichen Folgekosten.

    Es kann nicht länger angehen, dass wie zuletzt in Hamburg-Harvestehude, reiche Leute mit Hilfe einer ihnen gefälligen Justiz, sich um jedwede Solidarität drücken.

  • So, das ist also eine Umverteilungs- und Gestaltungsfrage, an der sich alle positiv einbringen sollten. Nicht verwalten, sondern sozialisieren.