Flüchtlinge an der mazedonischen Grenze: Giftwolken über Idomeni
Circa 13.000 Flüchtlinge sitzen an der Grenze zu Mazedonien fest. Der Regen hat das Lager in eine Sumpflandschaft verwandelt.
Die Luft darüber stinkt unerträglich nach dem Rauch vieler qualmender Feuer. Trotz der Hinweise der freiwilligen Helfer sitzen immer noch viele der circa 13.000 Zeltbewohner um schmorenden Einkaufstüten. Gerade die Kinder werden von dem Giftgemisch geschädigt, das aus den Flammen aufsteigt.
Rund 4.000 Kinder befänden sich in dem Lager, sagt UNHCR-Sprecher Barbar Baloch, „die genaue Zahl kennt niemand, wahrscheinlich sind es aber mehr“. Die Mischung aus Kälte, Regen und verpesteter Luft verschlechtere die Situation immer weiter. „Natürlich sind die Kinder davon am meisten betroffen.“
Am Auto eines schwedischen Ärzteteams bilden sich Schlangen, die Zelte der ambulanten Dienste sind überfüllt. Der Belgier Christian Reynders ist Stellvertretender Koordinator der Hilfsorganisation „Médecins Sans Frontières“ (Ärzte ohne Grenzen) die täglich Hunderte von Kranken versorgen. „Gestern mussten wir ein zweijähriges Kind mit Sauerstoff behandeln. Komplexe Atembeschwerden treten wegen des giftigen Rauchs immer häufiger auf.“
Neuankömmlinge ohne Zelte
Eine Verbesserung ist nicht in Sicht, mindestens bis Donnerstagabend wird das Wetter so bleiben. Weiterhin marschiert eine, wenn auch kürzere Menschenschlange als noch vor wenigen Tagen von der Autobahn kommend entlang der Straße, die nach Idomeni führt. „Die Neuankömmlinge haben meist gar keine Zelte“, sagt Reynders, „sie sitzen buchstäblich im Regen.“
Plötzlich tauchen drei Clowns auf, mit roten Nasen, weiß geschminkten Gesichtern und mit roten Sternen benähten, gelb und grau gestreiften Hosen. Sie sind gerade aus Spanien angekommen. Sofort sind sie von Kindern aller Altersgruppen umringt. Das helle Lachen der Schar um Ivan Prado, dem Clown aus Galizien, ringt sogar einer Gruppe von ernst blickenden Männern ein Lächeln ab, als er mit einer riesigen gelben Plastikschere dem Reporter aus „Deitschland“ die Haarmähne schneiden will.
Christian Reynders
Einer der Männern ist Shawkat Alsalti, ein 1962 in Damaskus geborener Palästinenser – sein Vater war 1948 aus Israel geflohen –, der verzweifelt darüber nachdenkt, wie er der misslichen Lage an der Grenze entkommen kann. Sein Sohn lebe mit Frau und Kind in Berlin, er habe jedoch den Kontakt zu ihm verloren, da sein Telefon nicht mehr funktioniere, erzählt er.
Alsalti ist voll des Lobes für Deutschland – doch die Nachricht, die Balkanroute sei jetzt wirklich geschlossen, macht ihn ratlos. „Ich war Schmied, hatte ein schönes Haus, eine Werkstatt, ein gutes Auskommen. Ich war glücklich – bis der Krieg kam. Assad ist ein schlechter Mensch, die Granaten haben alles zerstört, Krieg ist schlecht.“
Das Angebot der griechischen Regierung, die Flüchtlinge mit Bussen zurück nach Athen zu fahren, will Alsalti nicht annehmen. „Vielleicht überlegen sich die Europäer es doch noch“, erklärt er, warum er weiter im Lager bei Idomeni bleiben will.
Eben das wollen die Frauen und Kinder nicht mehr, die in den beiden voll besetzen Bussen sitzen, deren Fahrer nur auf das Zeichen der Polizei warten, um endlich loszufahren. „Es gibt doch viele, die jetzt müde geworden sind“, sagt ein Übersetzer, der von Umstehenden nach Informationen über die Rückfahrt bestürmt wird.
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