Nach Brand in bosnischem Camp: Menschen harren in Bussen aus
Nach Tagen im niedergebrannten Lager Lipa sollten die Flüchtlinge in eine neue Unterkunft gebracht werden. Doch die Gemeinde verweigert die Aufnahme.
Split taz | Die Hoffnung, die Migranten aus dem niedergebrannten Flüchtlingslager in Lipa würden nach einer Evakuierung in Sicherheit gebracht, hat sich zerschlagen. Dienstagmittag trafen zwar Dutzende Busse in Lipa ein, die 900 bis 1.000 Menschen wurden am am Mittwoch jedoch aus den parkierten Bussen gedrängt und mussten die eiskalte Nacht zum Donnerstag im Freien verbringen. Die Busse fuhren Mittwochabend unverrichteter Dinge wieder ab. Welch eine katastrophale Situation.
Grund dafür sind die Proteste von Bewohnern von Gemeinden, wohin die Migranten geschafft werden sollten. Auch in Bihac versammelten sich am Mittwoch mehrere Hundert Personen, um die Rückkehr der Migranten in das vor wenigen Monaten geschlossenen Lager Bira zu verhindern. Die leeerstehenden Hallen einer ehemaligen Hausgerätefabrik wären aber eine akzeptable Übergangslösung. Bürgermeister Suhred Faslic aber weigerte sich bis dato, einen Beschluss des Ministerrates umzusetzen.
Vorausgegangen waren die Proteste von Hunderten Bewohnern des Dorfes Bradina, das etwa 40 Kilometer südlich von Sarajevo gelegen ist. Sicherheitsminister Selmo Cikotić und der Ministerrat hatten beschlossen, die Migranten in einer dort leerstehenden Kaserne unterzubringen.
Allerdings hatten sie die Behörden des Dorfes und der Gemeinde Konjic nicht über den Plan benachrichtigt. Die vor allem katholischen Bewohner des Dorfes erfuhren erst über die Medien davon. Viele versammelten sich vor der Kaserne, um gegen die Unterbringung der Migranten zu protestieren. Auch der Bürgermeister, ein Muslim, kritisierte das Vorgehen des Sicherheitsministers und verweigerte eine Zusammenarbeit. Immerhin machte die Gemeinde den Vorschlag, die Migranten in Gruppen aus 30 bis 40 Menschen aufzuteilen und dann über das ganze Land zu verteilen. Kleinere Gruppen könnten auch von kleineren Gemeinden versorgt werden. Doch dazu fehlt aber die Logistik, um den Vorschlag schnell umzusetzen.
Alternativen in Sarajevo selbst gibt es offenbar nicht, die dortigen Aufnahmeeinrichtungen sind bereits überfüllt. Sicherheitsminister Cikotić soll laut dem Nachrichtensender N1 verzweifelt nach Alternativen suchen. Vor Redaktionsschluss ist er nicht fündig geworden.
Bosniens Zentralstaat hat kaum etwas zu Sagen
Bislang steht nur fest, dass sich die Zentralregierung nicht gegen die lokalen Behörden durchsetzen konnte. Jetzt rächt sich, dass das Abkommen von Dayton vor 25 Jahren zwar den Krieg in Bosnien und Herzegowina beendete, aber eine Verfassung schaffte, die dem Zentralstaat kaum Kompetenzen einräumt.
Bestürzt über die Entwicklungen zeigte sich das Oberhaupt der muslimischen Gemeinschaft, Reisu-l-Ulema Husein Kavazović. Er rief dazu auf, menschlich zu handeln, und äußerte die Hoffnung, dass die EU und andere Staaten zu einer Lösung beitragen.
Damit deutete er an, was in Sarajevo vorherrschende Meinung geworden ist: Vor allem Serbien schöbe demnach Migranten, die von Griechenland und der Türkei aus versuchen, in die EU zu gelangen, bewusst nach Bosnien und Herzegowina ab. Kroatien dagegen unternehme alles, die Migranten daran zu hindern, in die EU weiterzureisen. Beide Staaten, so die Meinung in Sarajevo, versuchten damit Bosnien und Herzegowina zu destabilisieren.
Dass ausgerechnet das fragilste Land in Europa mit der europäischen Migrationsproblematik fertig werden muss, kritisieren auch unabhängige Beobachter und Mitglieder internationaler Hilfsorganisationen. Für die Vertreter der EU im Lande könnte die Lösung der aktuellen Krise könnte darin bestehen, die Fabrikhallen Bira in Bihać für vier Monate zu aktivieren. Sowohl die EU, ausländische Diplomaten wie auch der Ministerrat machen nun Druck auf Bürgermeister Faslic und die Gemeinde Bihac, ihre Haltung aufzugeben. Während dieser Zeit sollte in Lipa ein größeres, gut ausgebautes und winterfestes Lager gebaut werden. Die EU solle dafür Geld bereitstellen, heißt es aus diplomatischen Kreisen in Sarajevo.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text wurde am 31.12 aktualisiert.