piwik no script img

Flüchtlinge am LagesoReißverschluss, Bindfaden, Klebeband

Wärmezelte sollen Wartende am Lageso vor Schnee und Kälte schützen. Blöd nur, dass die Zeltwände winddurchlässig sind.

Die Wärmezelte werden ihrem Namen nur bedingt gerecht Foto: ap

Pünktlich zur ersten Kälte in diesem Winter und zur Wiedereröffnung nach den Feiertagen meldet das Landesamt für Gesundheit und Soziales gute Neuigkeiten. Niemand müsse mehr vor dem Lageso „in der Kälte ausharren“, teilte die zuständige Senatsverwaltung mit. Dank der aufgestellten „Wärmezelte“ habe sich die Situation vor dem Amt in der Turmstraße entspannt.

Wärmezelt – das klingt nach besonderem Schutz, nach gut isolierten Zeltwänden, nach einer winterfesten Behausung, wie man sie auch auf eine Gletscherwanderung mitnehmen würde. Es klingt beruhigend. Nach einem guten Aufenthaltsort, selbst bei dem vielen Schnee, der den Berlinern gerade den Alltag schwer macht.

Die 15 bis 20 Meter langen Zelte, die auf dem Gelände vor dem Lageso stehen, bestehen aus zusammengesteckten Eisenstangen, zwischen denen dünne weiße Planen gespannt sind. Die einzelnen Zeltplanen sind mit Reißverschlüssen verbunden oder mit Bindfäden zusammengeschnürt. Wo beides kaputt ist, klaffen Lücken, an manchen Stellen sind sie mit breitem Klebeband geflickt.

Geschmolzener Schnee auf Blechplatten

Immerhin sind die Zelte beheizbar. Durch einen breiten, gelben Schlauch wird warme Luft in die Zelte gepumpt. In den meisten Zelten sind diese Schläuche zwischen zwei Zeltplanen durchgesteckt, die an dieser Stelle nicht mehr richtig verbunden werden können. An jedem Schlaucheingang gibt es daher Lücken in den Zeltwänden. Nur in zwei Zelten sind die Planen so mit den Schläuchen verbunden, dass keine Löcher entstehen.

Drinnen riecht es nach feuchter Kleidung, die Blechplatten auf dem Boden sind nass vom geschmolzenen Schnee. Es ist einigermaßen warm, aber mehr als eine halbe Stunde hier zubringen zu müssen - das möchte man niemandem wünschen. Die Flüchtlinge, die hier auf ihre Termine warten, kommen meist gegen 5 Uhr morgens, in der Hoffnung, so am selben Tag noch dranzukommen.

Die Zelte, die von der Senatsverwaltung Wärmezelte genannt werden, sehen aus wie Partyzelte – und kommen tatsächlich von einem Veranstaltungsunternehmen. Es sind dieselben Zelte, die dort seit Wochen stehen und zunächst nur „Wartezelte“ hießen.

Im letzten Absatz der Meldung, die die Wärmezelte preist, zeigt die Behörde, dass es noch besser geht: „… um die Situation weiter zu verbessern, sollen neue, weniger winddurchlässige Zeltwände eingebaut werden“, heißt es da. So ist das am Lageso. Es hat kein Problem damit, dass Wärmezelte winddurchlässige Wände haben. Verbesserungen gibt es – wenn überhaupt – nur in Kleinstschritten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!