Flüchtlinge am Budapester Bahnhof: Paneuropäisches Picknick

Der erste Zug mit Flüchtlingen fährt um 11.17 Uhr von Keleti ab. Währenddessen bezeichnet Viktor Orbán die Flüchtlinge als „deutsches Problem“.

Flüchtlinge im Budapester Bahnhof

Dramatische Szenen am Bahnhof Keleti. Foto: reuters

BUDAPEST taz | Chaos in Budapest. Wieder. Und wieder mehr. Seit Donnerstagmorgen ist der Ostbahnhof Keleti in Ungarns Hauptstadt Budapest wieder für alle geöffnet. Seit Tagen hatten sich davor tausende Fliehende aus Syrien, Afghanistan und zahlreichen anderen Ländern vergeblich auf einen Fahrtgelegenheit nach Österreich oder weiter nach Deutschland gewartet. Nun spielen sich dramatische Szenen ab. Tausende Menschen stehen im Bahnhof, der seit Montagabend verriegelt war.

Begründet haben die Entscheidung zur Öffnung des Bahnhofs weder Polizei noch andere Behörden. Noch am Mittwoch gab es Rangelegeien zwischen der Polizei und Menschen, die auf eine Weiterreise hoffen. Am Keleti-Bahnhof hatten schätzungsweise 3.000 Menschen ihr Lager aufgeschlagen.

Als um 8.48 Uhr unter lautem Gehupe ein Zug einfährt, drängen die Menschen auf die Bahnsteige und in den Zug. Sie schubsen sich gegenseitig zur Seite, viele weinen, Kinder schreien. Manche Väter schaffen es hinein, doch ihre Frauen, ihre Kinder bleiben draußen. Ein Mann kommt zurück aus dem Zug. Es läuft Blut über sein Gesicht.

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Niemand weiß, wohin dieser Zug fahren könnte, wann, oder ob überhaupt. Österreichs Polizei dementiert, dass auch nur ein Zug mit Fliehenden an diesem Donnerstag die Stadt Wien von Budapest aus erreichen wird. Hunderte hier, die es in die Waggons geschafft haben, hoffen einfach, dass es ihr Zug sein könnte.

An einem Zugwaggon prangt eine deutsche Fahne. Und an der Seite einer blauen Lok steht in deutschen Buchstaben geschrieben: „Paneuropäisches Picknick. Europa ohne Grenzen seit 25 Jahren.“ Solche Triebwagen hat auch der Zug, der regelmäßig zwischen Budapest und Berlin pendelt.

Die internationalen Zugverbindungen, so heißt es, sind aus Sicherheitsgründen alle eingestellt. Wer ein Ticket ins Ausland habe, könne lokale oder regionale Züge nutzen. Solche Züge fahren von diesem Bahnhof aber nicht ab.

Orbáns Sicht der Dinge

Unterdessen verkündet Ungarns Regierungschef Viktor Orbán nach einem Treffen mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in Brüssel, bei dieser Krise handele es sich um „ein deutsches Problem“: „Alle wollen nach Deutschland gehen.“

Am Bahnhof in Budapest-Keleti stimmt diese Aussage weitestgehend. Hier bekommt aber niemand den Nachrichtenstand mit.

Ratlose Flüchtlinge auf dem Bahnsteig fragen, ob dies der Zug nach Wien oder München sei. Oder ob er „direkt ins Lager“ fahre. Laut Aufschrift fährt der Zug nach Sopron, an der ungarisch-österreichischen Grenze. Ein Polizei sagt aber, die Fahrt gehe nach Debrecen, ganz im Osten des Landes. Dort gibt es eins der unter den Flüchtlingen gefürchteten Landlager. Viele sind von da gerade erst nach Budapest gekommen.

Um 11.17 Uhr fährt der Zug plötzlich los. Neben vielen Flüchtlinge ist auch Polizei an Bord. Wohin die Reise geht, bleibt offen.

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