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Fluchtgrund Klimakrise250 Millionen Binnenflüchtlinge wegen des Klimas

Im vergangenen Jahrzehnt haben Extremwetterereignisse wie Fluten oder Dürren viele Menschen vertrieben. Oft blieben sie nah an ihrem Heimatort.

Humanitäre Hilfe in einem Flüchtlingslager im Tschad an der sudanesischen Grenze Foto: Benoit Doppagne/Belga/imago

Schon jetzt zwingen Hitzewellen, Stürme und Dürren weltweit Millionen Menschen zur Flucht. 250 Millionen Klimabinnenflüchtlinge habe es in den letzten zehn Jahren gegeben, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Montag mit. In den kommenden Jahren dürfte ihre Zahl schnell steigen.

Aber auch wer vor Krieg und Verfolgung flieht, leidet oftmals weiter unter den Folgen der Klimakrise. Etwa drei Viertel aller Geflüchteten weltweit befinden sich laut Bericht in Ländern, die hohen bis extremen klimabedingten Gefahren ausgesetzt sind.

Filippo Grandi, Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, sagte, Extremwetterereignisse beeinträchtigten „den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, zerstören Häuser und Lebensgrundlagen und zwingen Familien – von denen viele bereits vor Gewalt geflohen sind – erneut zur Flucht“.

Den Bericht veröffentlichte das UNHCR zum Auftakt der Klimakonferenz COP im brasilianischen Belém, um zu verdeutlichen, wie dringend weitere Abkommen zur CO₂-Reduktion sind. Auch konservative und rechtsextreme Kreise verweisen immer wieder auf riesige Fluchtbewegungen nach Europa, die wegen des Klimawandels zu erwarten seien und die brutale Abschottung nötig machten.

Klimaflüchtlinge bleiben oft in ihrem Land oder ihrer Region

Genau das geht aus den wissenschaftlichen Daten aber nicht hervor. Nicht ohne Grund spricht auch das UNHCR nicht von „Flüchtlingen“ allgemein, sondern explizit von „Binnenflüchtlingen“. Gemeint sind Menschen, die innerhalb ihres Herkunftslandes fliehen und keine internationalen Grenzen übertreten. Sie machen derzeit über die Hälfte aller Geflüchteten weltweit aus.

Auch wer Ländergrenzen übertritt, bleibt fast immer in der Region und kehrt teilweise schnell wieder an den Herkunftsort zurück. Daran dürfte sich auch in Zukunft nicht ändern, zumal oft gerade die Ärmsten stark von der Klimakrise bedroht sind. Ihnen fehlt oft schlicht das Geld, um allzu weit zu kommen.

Beispielhaft sind hier die rund 1,3 Millionen Menschen, die 2024 nach schweren Fluten innerhalb Tschads flohen, ohne das Land zu verlassen. Gleichzeitig sind in den letzten Jahren Hunderttausende Menschen vor dem Krieg im Sudan nach Tschad geflohen, wo sie nun ebenfalls oft von Fluten bedroht sind, genauso wie von Wasserknappheit aufgrund von wiederkehrenden Dürren und extremer Hitze.

Damit ist Tschad auch ein gutes Beispiel dafür, wie die Klimakrise auch solche Fluchtgründe verstärkt, die nicht direkt etwas mit dem Wetter zu tun haben. So verschärft der Wassermangel in Tschad etwa bestehende Konflikte um Ressourcen, die immer wieder zu Gewalt führen.

Auch die Stabilität politischer Institutionen und wirtschaftliches Wachstum sind durch Überschwemmungen, Dürren und Stürme gefährdet, was wiederum Konflikte anheizen kann. In diese Richtung dürfte auch wirken, dass sich laut UNHCR drei Viertel des Ackerlands in Afrika durch die Klimakrise verschlechtern werden. So erleichtert etwa die klimabedingte Verelendung von Viehhirten in der Sahelzone schon jetzt bewaffneten Gruppen die Rekrutierung neuer Kämpfer.

Gefährdet sind viele Geflüchtete aber auch in ihren Herkunftsländern, falls sie irgendwann zurückkehren können. Rund 1,2 Millionen kamen Anfang 2025 zurück, etwas mehr als die Hälfte allerdings in Länder, die massiv von Folgen der Klimakrise bedroht sind.

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1 Kommentar

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  • Während sich die Welt zur COP30 Belém versammelt, bleibt zentraler Bereich CO₂-Emissionen Fehlanzeige trotz 250 Millionen Klima Binnenflüchtlingen 2015-2025 lt UNHCR Bericht, das Militär. Lt aktueller Schätzung verursacht militärischer Sektor 5,5 % globaler CO₂-Emissionen. Und doch: Diese Emissionen tauchen weder in nationalen Klimabilanzen noch Emissionshandel auf. Die Praxis die Aufrüstrung nährt: atomar-konventionelle Rüstungsproduktion, militärische Logistik, kriegsbedingte Infrastruktur werden in „sicherheitsrelevant“ umdeklariert, sich CO₂-Bepreisung zu entziehen. Bei Dual-Use-Technologien verschwimmen zivile in militärische Nutzung, während Staaten Klimaziele schönrechnen. Was als Schutzmaßnahme etikettiert wird, entpuppt sich als Schlupfloch systemischer Emissionsverschleierung. Diese Praxis stellt selbst Diesel-Abgasbetrug deutscher Autobauer, der 2015 durch US-Umweltbehörde aufflog, weit in Schatten. Damals ging es um Softwaremanipulation zur Grenzwert Umgehung, heute geht es um CO₂ Emissionsaufkommen, die im System unsichtbar sind. Klimagerechtigkeit die mehr ist als Schlagwort, erwartet von COP diesen blinden Fleck zu beseitigen. Militärische Emissionen gehören bepreist