piwik no script img

Florian Schmidt und die ErmittlungenKulturkampf? Nein, Diffamierung

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Die Ermittlungen gegen den grünen Baustadtrat Florian Schmidt wurden eingestellt. Die Opposition polemisiert trotzdem weiter.

Immer in Bewegung: Florian Schmidt und Monika Herrmann auf dem Rad Foto: picture alliance/dpa/Jörg Carstensen

E twas bleibt immer hängen – das weiß jeder Mensch, der sich ein bisschen mit Propaganda auskennt. So funktioniert ja auch die Politik der Neuen Rechten. Was machen also PolitikerInnen, wenn sie auf einem sinkenden Schiff sitzen, etwa weil ihre Lieblingslobbyisten keinen Stich mehr machen? Sie versuchen alles, um politische GegnerInnen zu diskreditieren, gern als RechtsbrecherInnen. Deswegen sei hier noch mal mitgeteilt: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen Friedrichshain-Kreuzbergs grünen Baustadtrat Florian Schmidt eingestellt. Das wurde am Dienstag bekannt.

Schmidt war von mehreren PolitikerInnen der Opposition angezeigt worden, der Vorwurf: „Haushaltsuntreue“. Zudem hatte ihm der Landesrechnungshof „pflichtwidriges Ausüben von Vorkaufsrechten“ attestiert. Es geht in allen Fällen um die Genossenschaft „Diese“, zugunsten deren der Bezirk das Vorkaufsrecht für mehrere Häuser im Bezirk gezogen hatte.

Damit wurde verhindert, dass private Investoren die Immobilien erwerben und möglicherweise teuer weiterverkaufen konnten. Es gibt laut Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte für die Vorwürfe der klagenden Oppositionellen; die Prüfergebnisse des Landesrechnungshofs würden keinen hinreichenden Tatverdacht begründen, teilte Schmidts Anwalt mit.

Nun ist nichts dagegen zu sagen, auch mithilfe des Rechtswegs Sachverhalte klären zu wollen. Fraglich ist allerdings, ob die Justiz nicht nur als Mittel zum Zweck missbraucht wird. Eine der klagenden Politikerinnen ist Anwältin; auf ihrer Webseite preist sie eine „AG Eigentum schützen“ an, die sich „für mehr Wertschätzung von Eigentum in Politik und Wirtschaft“ einsetzen soll.

Anwalt der MieterInnen

Schmidt hingegen sieht sich als Anwalt der MieterInnen, wobei Anwalt hier politisch zu verstehen ist. Es geht ihm darum, die Stadt für jene Menschen als bezahlbaren Lebensraum und -traum zu erhalten, die nicht das Geld für Eigentumswohnungen haben, was Schmidt in Konflikt mit jenen bringt, die vor allem nach kapitalistischen Verwertungsinteressen handeln.

Und er hat damit Erfolg im alternativen Bezirk. Etwa beim umfassenden Einsatz des Vorkaufsrechts für Häuser oder bei den revidierten Planungen für den Umbau des einstigen Postbankhochhauses samt Umfeld: Einst protestierte darauf die CG-Gruppe mit einem Riesenplakat gegen die angeblich investorenfeindlichen Pläne der rot-rot-grünen Landesregierung. Nun entstehen unter anderem mehrere hundert Wohnungen für einkommensschwache Menschen – in vornehmlich landeseigener Regie.

Prallen so unterschiedliche Positionen aufeinander, wird gerne von Kulturkampf gesprochen. In diesem Fall kann man es aber auch schlicht Versuch einer Diffamierung nennen. Und der wird fortgesetzt: Am Mittwoch forderten CDU- und FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus einen weiteren Untersuchungsausschuss, auch wenn dieser bis Ende der Legislatur nicht mal Zeit hat, sich einzuarbeiten.

Der Ausschuss soll laut Unionsfraktionschef Burkard Dregger „die Cliquen-Wirtschaft von Teilen des Senats und des Grünen-Bezirksamts von Friedrichshain-Kreuzberg untersuchen. Dieser Immobilienskandal ist Beispiel rot-rot-grünen Machtmissbrauchs. Der Ausschuss wird aufdecken, wie und durch wen die Kalkulationen der Diese eG frisiert und manipuliert wurden.“ Der Sprachgebrauch macht klar, welche Hoffnung CDU und FDP antreiben: Irgendwas wird hängen bleiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Florian Schmidt und Monika Herrmann haben viel für unsere Stadt erreicht. Berlin ist bunter, entspannter und irgendwie menschlicher geworden, weit entfernt vom Selbstoptimierungsdrang anderer internationaler Metropolen.

  • ist diffamierung nicht strafbar?