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FleischkonsumWer mehr verdient, geht nicht automatisch öfter zum Metzger

Weltweit essen viele Menschen häufiger rotes Fleisch, wenn ihre Einkommen steigen. Doch nicht immer, belegt eine neue Studie – und zeigt auf, warum.

Fleisch vom Charolais Rind ist eher was für den großen Geldbeutel Foto: Funke/imago

Mehr Geld auf dem Gehaltszettel? Dann erst mal zum Fleischer! In vielen Ländern ist das eine gängige Logik. Steigende Einkommen führen vielerorts dazu, dass Menschen mehr Fleisch essen, vor allem rotes, vom Rind oder Lamm.

Aber: nicht überall. Laut einer neuen Studie wollen Menschen in manchen Ländern gar nicht automatisch mehr rotes Fleisch essen, wenn sie mehr Geld verdienen. Statt des Einkommens sei die Verbreitung bestimmter kultureller Normen und Werte entscheidend für den Konsum von rotem Fleisch.

Die Studie

Für die im April 2025 im International Journal of Sociology veröffentlichte Studie hat ein Forschungsteam aus den Vereinigten Staaten einen umfangreichen Datensatz des International Social Survey Programme (ISSP) statistisch ausgewertet. Im Rahmen des ISSP werden alle zwei Jahre Zehntausende von Personen zu ihrem Einkommen und ihren politischen Einstellungen befragt. Die Befragten werden so ausgewählt, dass sie möglichst repräsentativ für die Weltbevölkerung sind.

Für den ISSP-Datensatz mit dem Schwerpunkt „Umwelt“ wurde im Jahr 2020 zudem danach gefragt, wie oft die Befragten pro Woche Fleisch vom Rind oder Lamm essen. Auf der Grundlage dieser Daten berechnete das US-Forschungsteam für 42.902 Personen aus 27 Ländern den Zusammenhang zwischen Einkommensentwicklung und dem Konsum von roten Fleisch.

Die For­sche­r*in­nen untersuchten auch, wie verbreitet postmaterielle Werte unter den Befragten sind. Der Wertekompass der Teilnehmenden wurde durch bestimmte Aussagen abgefragt. Beispielsweise sollten sie auf einer Skala angeben, inwieweit sie der Meinung sind, dass die Lösung von Umweltproblemen in ihrem Land höchste Priorität haben sollte. Oder ob Bür­ge­r*in­nen stärker an Regierungs­entscheidungen beteiligt werden sollten.

wochentaz

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Die Forschenden konnten zeigen, dass in Ländern wie Ungarn, Taiwan oder Südafrika, in denen postmaterielle Werte weniger verbreitet sind, die Menschen mit steigendem Einkommen auch deutlich mehr rotes Fleisch essen. In stärker postmateriell geprägten Ländern wie Deutschland, den USA oder auch Slowenien, ist der Einkommenseffekt hingegen umgekehrt. Wer hier mehr verdient, verzichtet statistisch gesehen häufiger auf rotes Fleisch.

Was bringt’s?

Die Umweltkosten von rotem Fleisch sind hoch. Laut dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft beliefen sie sich in Deutschland im Jahr 2021 allein für Rindfleisch auf rund 9,5 Milliarden Euro. Die Fleischproduktion verursacht erhebliche Mengen an Treibhausgasen, verbraucht viel Energie und Wasser und ist mitverantwortlich für die weltweit fortschreitende Rodung von Waldflächen.

Daher ist es eine gute Nachricht, wenn der steigende Konsum von rotem Fleisch, der oft mit steigenden Einkommen einhergeht, kein Automatismus ist – sondern ein kulturelles Phänomen. Denn das heißt: Die Entwicklung ist veränderbar.

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5 Kommentare

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  • ...also ich stelle fest, dass in meinem Akademikerumfeld mit Gutverdienern die Vegetarier- und Veganquote deutlich höher ist als im Handwerkerumfeld meines Bruders, wo der Kühlschrank vor Wurstwaren überquillt.

  • "Postmaterialismus



    ...Politisch-soziologische Theorie, die davon ausgeht, dass in den modernen Demokratien die materiellen Bedürfnisse der Bevölkerung soweit befriedigt sind, dass die Erfüllung immaterieller Bedürfnisse (emanzipative, ökologische, ästhetische etc. Werte) zunehmend wichtiger wird." [1]



    Mit anderen Worten: Werte muss man sich leisten können.



    [1] www.bpb.de/kurz-kn...postmaterialismus/

  • Genau wie asketisches Mobiliar in Gründerzeiteohnungen oder Purismus im Konsum ist Vegetarismus im Westen ein Lifestyle, eine Mode einer schmalen bildungsbürgerlichen Oberschicht. Im Grunde ein Distinktionsmerkmal. Die meisten leben mit einem sehr tiefen CO2-Fußabdruck. Ich sehe das bei meinen Kindern. Vegan in der Mensa essen, aber Work an Travel in Neuseeland. Der andere Praktikum in Indien. Flug zahlt eine Studienstiftung.

    Mein Ex-Cheft pflegte das Bonmot: "Kannst'e einem alten Mann in den Bart spucken und ihm sagen, es regnet."

  • „ postmateriell geprägten Ländern wie […..] den USA “

    Nur so, für Laien, was ist an den USA postmateriell? Welche Werte ausser Geld zählen dort gesellschaftweit?



    Und vielleicht wissen die mit den höheren Gehältern gar nicht mehr, woher das Fleisch kommt. Oder Thunfisch Sushi ist halt mehr hipp, wenn auch nicht besser.

    • @fly:

      In der Mittelschicht der USA gibt es schon viele postmateriel geprägte Menschen. Wenn man ein wenig im Land unterwegs ist stellt sich heraus auch die USA sind ein normales Land, und bei weitem nicht so materialistisch wie man gerne glaubt.