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Fleisch im SupermarktKoalition will Tierhaltungs-Kennzeichnung verschieben

Die Regierungsfraktionen wollen das staatliche Tierhaltungslabel später vorschreiben als derzeit geplant. Die Union will es komplett überarbeiten.

Sollen die Ver­brau­che­r:in­nen wissen, wie das Tier, das sie essen, gelebt hat? Schweinestall in Baden-Württemberg Foto: Marijan Murat/dpa

Berlin taz | Verbraucher werden wohl doch nicht ab August durch eine verpflichtende Kennzeichnung von „frischem“ Schweinefleisch erfahren, wie das Tier gehalten worden ist. Denn die Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD haben am Freitag einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, wonach die Pflicht zur Angabe der Haltungsform erst ab März 2026 gelten soll.

Nach dem von der Ampelkoalition beschlossenen „Tierhaltungskennzeichnungsgesetz“ hätte das Fleisch ab 1. August 2025 das neue Logo tragen müssen. Erklärtes Ziel des damaligen Agrarministers Cem Özdemir (Grüne) war es, dass die Konsumenten leichter tierfreundlichere Produkte auswählen können, dieses Fleisch deshalb öfter gekauft wird und am Ende mehr Tiere artgerechter gehalten werden. Das schwarz-weiße Label mit fünf Stufen von „Stall“ über „Auslauf/Weide“ bis „Bio“ sollte sich zunächst nur auf die Mast von Schweinen und unverarbeitetes „frisches“ Fleisch im Handel beziehen, später aber auch andere Lebensabschnitte, Tierarten, Produkte und die Gastronomie erfassen.

Özdemirs Nachfolger, Alois Rainer (CSU), begründete die Verschiebung jetzt damit, dass die Länder um mehr Zeit gebeten hätten, das Gesetz umzusetzen. Ihre Behörden müssen die Höfe registrieren und überwachen. „Die Zeit wollen wir ihnen geben, damit es dann auch ordentlich vom ersten Tag an funktioniert“, sagte der Minister. Freiwillig könne das Fleisch aber schon vor März 2026 gekennzeichnet werden. Der SPD-Abgeordnete Jens Behrens führte an, die Verschiebung betrage nur 7 Monate.

Die Grüne Zoe Mayer warf der Union und ihren Landesministerien vor, alles getan zu haben, „dass dieses Projekt sich verzögern muss“. Das würde gerade die Planungssicherheit konterkarieren, auf die sich CDU und CSU sonst gern beriefen. Ina Latendorf von der Linken bezeichnete die Verschiebung als „nachvollziehbar“, auch wenn sie schon lange auf die Probleme bei der Umsetzung hingewiesen habe. Der AfDler Julian Schmidt begrüßte die Verschiebung, weil das Vorhaben in seiner jetzigen Form nur mehr „Bürokratie und Kontrollen“ bringe.

Privates Label ist schon weiter

Nach der Verschiebung will die Union das Gesetz „vom Kopf auf die Füße stellen“, wie der CDU-Abgeordnete Benedikt Büdenbender sagte. „Zum Beispiel sollte das Verbot des Downgradings entfallen“. Es sollte erlaubt sein, Fleisch aus einer höheren Haltungsform in einer niedrigeren zu verkaufen. Büdenbender kritisierte zum Beispiel, dass Fleisch aus dem Ausland nach dem jetzigen Gesetz nicht gekennzeichnet werden müsse. Er wandte sich auch dagegen, dass Ferkel, die im Ausland ohne Betäubung kastriert und dann in Deutschland gehalten werden, am Ende in einer hohen Haltungsstufe vermarktet werden dürften. Der Christdemokrat ergänzte, es gebe schon private Initiativen wie die „Haltungsform“-Kennzeichnung. „Diese Systeme werden wir jetzt klug integrieren“, so Büdenbender.

Foto: BMLEH

Das Label zur Tierhaltungskennzeichnung

„Bei den teilnehmenden Lebensmitteleinzelhändlern deckt die privatwirtschaftliche ‚Haltungsform‘ über 90 Prozent der Ware bereits ab, die mit der staatlichen Kennzeichnung versehen werden soll“, teilte ein Sprecher der Initiative der taz mit. Diese Unternehmen hätten einen Anteil von ungefähr 80 bis 85 Prozent des Gesamtmarktes des Lebensmitteleinzelhandels. „Fazit: die allermeisten Produkte im Lebensmitteleinzelhandel werden durch das privatwirtschaftliche System bereits abgedeckt.“ Nicht dabei sei aber zum Beispiel das Fleischerhandwerk.

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7 Kommentare

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  • "dass die Länder um mehr Zeit gebeten hätten, das Gesetz umzusetzen."

    Wenn die Länder es verbaselt haben, dann werden da ach grün regierte Länder mit darunter gewesen sein. Bestmmt auch das Schweineland Niedersachsen.

    Insofern ist es irgendwie krude, dass Grüne sich nun darüber echauffieren, dass das Gesetz nicht wie geplant in Kraft treten kann.



    Özdemir hatte zudem mehrere Jahre Zeit dafür gehabt das Gesetz vollständig af die Beine zu bringen.

    Es ist besser das Gesetz dann zu verschieben als nicht funktionierende Feel-Good Gesetze abzuliefern, die dann keine Akzeptanz finden.

  • Das Ganze ist in meinen Augen eh nicht viel wert, wie die privaten Labels auch. Das Gesetz sieht explizit keine regelmäßigen vor Ort Kontrollen vor. Faktisch kann da jeder bescheißen, solange er nicht von Nachbarbauern angeschwärzt wird. Und wie die Tiere tatsächlich aus der Haltung rauskommen, spielt auch keine Rolle. Was spielen 20 % qm mehr Platz für eine Rolle, wenn dennoch ätzende Ammoniakgehalte vorliegen oder die Schwänze abgeschnitten werden müssen, weil sie sich sonst abbeißen. Der Verbraucher wird hier verarscht.

  • Alles kann an manchem scheitern. Bei uns im Ort hat ein Bauer, der nur direkt ab Hof an Endverbraucher verkauft, für viel Geld einen neuen Ferkelstall mit Freilandauslauf gebaut. Die Tiere können nach Lust und Liebe raus- und reinlaufen. Nun soll er den Außenbereich so sichern, daß keiner was reinwerfen kann. In der Praxis wäre das nur durch Zumauern möglich.

    • @Josef 123:

      Idiotische Regelung, wenn dies so ist. Manchmal glaube ich es hat System, ausgerechnet den Bio-Landwirten Steine in den Weg zu werfen.

  • Hier ist es scheinbar "nur" eine Verzögerung. Aber dass der eigentlich schon gefundene Agrarkompromiss von 2021 ganz in der Schublade verschwunden ist, zeigt nur eins: Der ganze agrarindustrielle Komplex (wozu auch der Bauernverband gehört) wird immer auf Zeit spielen, wenn substanzielle Reformen angegangen würden. So lange, bis eine unionsgeführte Regierung (wieder) an die Macht kommt. Dann übernehmen die Freunde der Gülle-Apo und alles ist vergessen. Nur das Höfesterben, das geht weiter. Von Klimaschutz, Reduzierung der Nitratbelastung etc. ganz zu schweigen.

  • Zum Erfolg gehören zwei Seiten



    Leider beobachte ich laufend, wie Bioware beim Discounter liegen bleibt, bis es wegen des Datums stark rabattiert angeboten werden muss.



    Das Label ist gut und richtig und sollte auch endlich kommen. Doch nutzt es nichts, wenn dem Verbraucher der Preis pro kg wichtiger ist als die Tierhaltung. Würden mehr Kunden zur besseren Ware greifen, die Discounter würden sofort das Angebot erhöhen. Und ehrlich: Lieber 30% weniger Fleisch und gute Ware als "Hauptsache billig".

    • @Hans Dampf:

      Keine Ahnung welche Discounter sie meinen. Viele Menschen kaufen die frische Bioware und zahlen auch den Preis. Das alle nur Billigramschware wollen und dabei auch über tierische, biologische, klimatologische und soziale Leichen gehen, ist über weite Strecken nur eine politische Mär.