Finnland und Schweden üben Ernstfall: Ein sicherheitspolitisches Signal
Die Nicht-Nato-Mitgliedsländer Finnland und Schweden senden mit einer gemeinsamen Militärübung ein Zeichen nach Moskau.
Es geschah vermutlich auch nicht zufällig an diesem Mittwoch. Da hielten Finnland und Schweden auf und um Gotland eine kurzfristig angesetzte gemeinsame Bereitschaftsübung ihrer Luftwaffe und Marine ab. Keine Routineübung, betonte Schwedens Verteidigungsminister Peter Hultqvist, der zusammen mit seinem finnischen Kollegen Antti Kaikkonen die Übung besuchte: „Jede Übung ist ein sicherheitspolitisches Signal.“ Das Signal: Die Kampfjets der beiden Länder, sowohl die finnischen F-18 Hornet als auch die schwedischen Jas 39 Gripen, hatten für einen möglichen Luftkampf gefechtsklare Raketen unter den Flügeln hängen. Bei Schwedens Luftwaffe erstmals seit 1982.
Russland habe angekündigt, die europäische Sicherheitsordnung ändern zu wollen, begründete das Hultqvist, und das sei eine „Bedrohung für alle demokratischen Staaten“. Auch für die beiden einzigen skandinavischen Nicht-Nato-Mitgliedsländer Finnland und Schweden. Vor allem in Finnland mit seiner 1.300 km langen Grenze zu Russland hat der Angriff auf die Ukraine zu einer öffentlichen Debatte darüber geführt, ob man diese offizielle „Bündnisfreiheit“ nicht zugunsten einer Nato-Mitgliedschaft aufgeben solle. Nach einer sicherheitspolitischen Debatte am Dienstag im finnischen Reichstag konstatierte die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Sanna Marin, dass diese Frage derzeit „nicht aktuell“ sei. Einen solchen Schritt könne man nicht anhand von Meinungsumfragen entscheiden, der müsse „sorgfältig und ohne Zeitdruck analysiert“ werden.
„Solidarität mit dem ukrainischen Volk, aber Nein zur Nato“ ist dagegen der Standpunkt der schwedischen Linken. Gerade in einer Situation wie der aktuellen sei es „wichtig, dass Schwedens langjährige Sicherheitspolitik standfest bleibt“, äußerte sich auch die sozialdemokratische Regierungschefin Magdalena Andersson: Den schwedischen Interessen habe es „gut gedient“, bündnisfrei zu sein. Ähnlich wie ihre finnische Amtskollegin Marin hob Andersson die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit dem westlichen Militärbündnis hervor.
Diese Zusammenarbeit ist schon in der Vergangenheit sehr eng gewesen. Beispielsweise finden regelmäßig gemeinsame Militärübungen mit Streitkräften von Nato-Staaten, darunter auch den USA, statt. Seit 2014 sind Finnland und Schweden – ebenso wie seit 2020 die Ukraine – „Enhanced Opportunities Partners“ der Nato. Und erstmals wurde in der vergangenen Woche von Schweden und Finnland „bis auf Weiteres“ das im Rahmen der „Partnerschaft für den Frieden“ 2018 vereinbarte Format eines „erweiterten und vertieften Informationsaustauschs“ (MSI) aktiviert.
Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage sind ein Drittel der SchwedInnen „ziemlich oder sehr besorgt“, es könne zu einem militärischen Angriff auf Schweden kommen. Die Krisenbereitschaftsbehörde MSB hat zusätzliches Personal angestellt, um die Anfragen beunruhigter BürgerInnen beantworten zu können. Sie meldet außerdem, dass der Aufruf der Internetkarte, in der alle Schutzräume des Landes gelistet sind, um „mehrere Tausend Prozent“ gestiegen sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“