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Finanzkrise in GriechenlandBürger sollen Steuersünder jagen

Der griechische Finanzminister Jannis Varoufakis legt einen Sieben-Punkte-Plan vor. Damit will er die Eurogruppe überzeugen. Die aber ziert sich.

Von der EU sichtlich genervt: Jannis Varoufakis. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Nur zehn Tage nach der Einigung auf neue Finanzhilfen steht Griechenland wieder am Abgrund. Denn die Gläubiger, allen voran Deutschland, geben die dringend benötigten – und bewilligten – Notkredite noch nicht frei.

Um eine drohende Pleite zu verhindern, will die Regierung in Athen nun in die Rentenkasse greifen. Zudem wurden Gehaltszahlungen ausgesetzt. Wie ernst die Lage ist, wurde Ende vergangener Woche deutlich: Premierminister Alexis Tsipras richtete einen dringenden Hilferuf an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Doch der ließ den griechischen Links-Politiker abblitzen. Tsipras solle erst einmal das Treffen der Eurogruppe am heutigen Montag abwarten, heißt es in Brüssel. Danach werde man weiter sehen.

Drohung mit Referendum

Im Ringen um einen Ausweg aus der griechischen Schuldenkrise hat Finanzminister Yanis Varoufakis eine Volksabstimmung ins Gespräch gebracht. Ein Referendum wäre eine Möglichkeit, sollten die Euro-Partner die Umschuldungspläne der Athener Regierung endgültig ablehnen, sagte Varoufakis in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der italienischen Zeitung Corriere della Sera. Auch Neuwahlen seien eine Option.

Das Routinetreffen der Euro-Finanzminister ist nun unversehens zu einer Krisensitzung geworden. Dabei dürfte der griechische Finanzminister Jannis Varoufakis erneut unter Druck geraten. Die Eurogruppe will nämlich fordern, dass die Regierung in Athen wieder Inspekteure der Troika ins Land lässt. Das berichtet die FAZ unter Berufung auf europäische Diplomaten. Dies sei unumgänglich, um festzustellen, wie liquide die Regierung noch sei.

Varoufakis und Tsipras wollten die verhasste Troika, die nun „die Institutionen“ heißt, jedoch abschaffen. Zudem verfolgen sie das Ziel, die Austeritätspolitik zu beenden und stärker gegen Steuerflucht und Korruption vorzugehen.

Auf der Lauer mit Aufnahmegeräten

Varoufakis hat dazu eine Liste mit sieben Reformprojekten ausgearbeitet, die er der Eurogruppe vorlegen will. Die Pläne stießen jedoch schon am Wochenende auf Vorbehalte und Ablehnung. Besonders umstritten ist Varoufakis Idee, einfache Bürger in die Jagd auf Steuersünder einzuspannen. Mit Video- und Audio-Aufnahmegeräten ausgerüstet, sollen sie als Amateurfahnder zum Beispiel festhalten, ob Tavernen anders als vorgeschrieben ihren Gästen keine Quittung ausstellen. Das sei zum Lachen, schrieb der Online-Dienst Neurope.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dürfte daran wenig Gefallen finden. Geld soll nach Athen aber erst dann fließen, wenn Schäuble und seine Amtskollegen in der Eurogruppe die Reformen abnicken. Bis dahin ist es offenbar noch ein weiter Weg. Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldhahn zudreht.

Nachdem sie die griechischen Banken von der normalen Geldversorgung abgeschnitten hat, beschloss die EZB nun auch noch, Griechenland vom neuen Anleihe-Kaufprogramm auszuschließen, das an diesem Montag beginnen soll. Wie sich die griechische Linksregierung unter diesen Umständen über Wasser halten soll, ist völlig unklar. Auf Kommissionschef Juncker kann sie wohl nicht mehr zählen.

Nachdem Juncker im Februar noch versucht hatte, Brücken zu bauen, musste er auf deutschen Druck inzwischen geloben, sich nicht mehr in die Beschlüsse der Eurogruppe einzumischen. Seitdem stehen Tsipras und Varoufakis auch in Brüssel weitgehend isoliert dar.

Für zusätzliche Irritationen sorgen Versuche der griechischen Regierung, sich außenpolitisch ein wenig Luft zu verschaffen. So deutete Außenminister Nikos Kotzias an, dass Athen aus der Sanktionspolitik gegenüber Russland ausscheren könnte. Die EU müsse diskutieren, was wegen „unseren wirtschaftlichen Problemen, die aus den Sanktionen entstehen“, unternommen werde, sagte er. Er wies zugleich Berichte zurück, dass Athen mit einem Veto gegen eine Verlängerung der Sanktionen drohe.

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15 Kommentare

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  • Russland und China wären starke Partner für Griechenland - und auch für Italien, Irland und Spanien.

     

    Die Europa-Führer-Länder Schland und Frankreich haben wenig aus der Geschichte der Versailler Verträge gelernt und demnach zwangsläufig versagt: Ihr Plan der wirtschaftlichen Knechtung und des schonungslosen Ausverkaufs anderer europäischer Länder mittels Toika ist gescheitert und wird Europa letztenendes spalten. Bleibt zu hoffen, daß am Ende nicht die kontinentale Einheit, sondern das transatlantische Fehlkonstrukt auf der Strecke bleibt.

     

    In zehn oder zwanzig Jahren wird mancher an diese meine Worte zurückdenken und sagen: Er hatte damals schon Recht.

  • Solidaritätsstreiks mit der Forderung

    Lebensstandard und Einkommen der Lohnabhängigen entkoppeln vom Lander-Rating.

    • @nzuli sana:

      Bringt genau was?

      Griechenland muss kein vernünftiges Steuersystem aufbauen um die funktionierende Staatsleistungen - egal ob jetzt konservativ zusammengekürzt oder progressiv sozial - überhaupt finanzieren zu können?

      Die Banken pusten ohne Sinn und Verstand Geld in die Staaten bis irgendwann der Tag kommt wo man merkt, dass die nicht mehr zurückzahlen kann? Gut, dann können wir wie vor 5 Jahren die Banken retten und dann bei neue Solidaritätssteiks machen - und auf die pösen pösen Bänker schimpfen.

  • " Wir werden es wohl nie herausfinden, konservativ, wie wir nach 1989 allesamt geworden sind!"

    Ja , MOWGLI , konservativ im Sinne von "die Hose voll" zu denken , was - wenn man hinsehen w i l l - offen zuTage liegt : Es sind an e r s t e r Stelle die "selbsttätigen" Sachzwänge des kapitalistischen Systems , die zum heutigen Zustand geführt haben ,

    ... u n d die unaufhaltsam seinen weiteren Niedergang erzwingen . Es ist nicht der "böse" Mensch und seine Gier .

    Richtig ist allerdings , dass es ja außer den Menschen niemanden gibt , der das System gemacht hat und jeden Tag am Laufen hält . Bis auf Weiteres ...

  • "... und stärker gegen Steuerflucht und Korruption vorzugehen."

     

    Hat man immer noch nicht damit angefangen?!

  • Wer ernsthaft geglaubt hat, Millionen Menschen hätten lebenslänglich nichts unversucht gelassen, einen möglichst großen Teil der finanziellen Macht für sich zu akquirieren, nur um das mühevoll Ergaunerte bei der ersten sich bietenden Gelegenheit einer "Linksregierung" zu vermachen, die von sich behauptet, sie sei aus besseren Menschen aufgebaut, ist bestenfalls naiv gewesen. Genau so naiv war, wer geglaubt hat, Spitzenpolitiker wie Schäuble und seine Troika-Kollegen hätten grundsätzlich etwas für Fairness übrig. Derartige Sentimentalitäten kann man sich nicht leisten, wenn man ganz an die Spitze will – um von da aus andere zu dominieren.

     

    Gib einem Menschen irgend eine Art von Macht, und er wird sie missbrauchen. Das scheint so was wie ein Naturgesetz zu sein. Vielleicht ist es aber auch nur Ausdruck einer langandauernden gesellschaftlichen Fehlentwicklung. Wir werden es wohl nie herausfinden, konservativ, wie wir nach 1989 allesamt geworden sind!

  • Nehmen wir doch mal ein Wunder an und unterstellen , die wohlhabenden und reichen Griechen zahlten ab jetzt die (sagen wir hochgeschätzt :) 40 Milliarden an Steuern jährlich , um die sie bisher herumgekommen sind . Was würde sich dadurch an der ökonomischen Gesamtlage Griechenlands ändern ? Die Antwort : Nichts . Denn der Betrag würde gerade mal reichen , um den Schuldendienst zu bestreiten .

    Das wissen auch die EU-Macher , die EZB , die Gläubigerländer . Trotzdem wollen und können Letztere Griechenland nicht aus dem Euro raus haben , geschweige aus EU , Nato . Was also weiter folgen wird , ist für alle vorhersehbar : Griechenland wird im Orkus von Armut und Chaos versinken .

    Man mache sich im übrigen nichts weis : Licht am Ende des Tunnels wird auch von anderen Ländern schon verzweifelt gesucht .

  • Es müsste doch möglich sein, die Verwendung von nicht manipulierbaren Registrierkassen per Gesetz vorzuschreiben.

     

    Wer keine Rechnung mit ausgewiesener MWSt. ausstellen will, sollte durchaus durch "Amateursteuerfahnder" angezeigt werden, das wäre immerhin mal ein Anfang.

     

    Es hängt also auch und vor allem an den griechischen Bürgern selber, ob Steuern bezahlt werden oder nicht.

    • @Iannis:

      Wenn es in der (täglichen) Praxis nicht gemacht wird, dann helfen auch keine Gesetze.

  • Klartext, nicht nur zu Griechenland, ist immer ungeschminkt:

     

    Im Kapitalismus gibt es keine sozial-ökonomisch-ökologischen Lösungen für die Bevölkerungsmehrheit, aber für die soziale Oberschicht auf Kosten der Mehrheit!

     

    Die Konsumtion [vor allem der Reichen] in Griechenland liegt über der tatsächlichen und ungefälschten Wirtschaftsleistung, damit ist der Kapitalismus in Griechenland bankrott.

     

    Eine Reform innerhalb des bestehenden parasitären kapitalistischen Systems Griechenlands ist nicht möglich.

     

    Es bedarf der ernsthaften Beseitigung der sozialökonomischen Ungleichheit Griechenlands, der Beendigung der einseitigen Bereicherung auf Kosten der Mehrheit.

     

    Dazu fehlt es aber auch bei den Opfern des verfaulten griechischen Kapitalismus an der notwendigen Entschlossenheit. Sie kleben am Paternalismus und an ihrer Alimentierung. Eine Alimentierung durch die werktätigen Bevölkerungsmehrheiten der anderen (kapitalistischen) Staaten der Europäischen Union.

     

    Die Fortsetzung der politischen Beschönigung der Wirtschafts- und Gesellschaftslage ist auch für Griechenland, --- wie für die Unhaltbarkeit des EU-europäischen Alimentierungs-, Wirtschafts- und Gesellschaftssyystems ---, auf Dauer keine Lösung.

     

    Die kommenden Kettenreaktionen der Weltfinanz-, Wirtschafts- und EU-Krisen stürzen das kapitalistische System in den ökonomischen, ökologischen und sozialen Abgrund.

     

    Nur Kassandra, für treu-brave Michels? (!)

    • @Reinhold Schramm:

      Sie klingen ja fast schon wie Schäuble ;-)

  • Man sollte die Regierung Tsipras unterstützen, weil danach nur noch die Nazis von der "Goldenen Morgenröte" kommen würden.

    Varoufakis´Idee der "Bürgersteuerfahner" mag zunächst absurd anmuten. Aber wenn Steuern zahlen absolut unüblich ist und die EU offensichtlich auch keine Hilfestellung zum Aufbau einer funktionierenden Steuerfahndung leistet, sind sicher auch unkonventionelle Ideen auf ihre Realisierbarkeit zu prüfen.

    • @Markus Maria Strobl:

      Syriza hat bereits den Weg für Rechtspopulisten freigemacht (Anel) und bereitet mit ihrer unfähigen Wirtschaftspolitik, die noch keinen Zentimeter weiter gekommen ist als die Regierung zuvor, ihren Spielchen mit Flüchtlingen sowie mit ihrem platten "volksnahen" Populismus selbst den Weg für Rechtsextreme vor.

    • @Markus Maria Strobl:

      Wie kommen Sie darauf, dass die EU keine Hilfestellung zum Aufbau einer funktionierenden Steuerverwaltung leistet? Entsprechende Angebote hat es mehr als genug gegeben.

       

      Das Problem ist vielmehr, dass bis auf die Allerärmsten alle von dem maroden Steuersystem profitieren und deshalb keiner ein Interesse an Veränderung hat.

  • Eric Bonse hat "vergessen", den entscheidenden Punkt zu erwähnen. Während die griechische Syriza-Regierung im Ausland verkündet, gegen säumige Steuerzahler vorgehen zu wollen, hat sie im Inland offenbar einen anderen Eindruck erweckt: Viele Griechen glauben anscheinend, unter der neuen Regierung müsse man das Steuern zahlen nicht mehr so ernst nehmen. Ohne daß sich die Wirtschaftslage oder die Steuergesetze wesentlich geändert hätten, sind seit Amtsantritt die Steuereingänge dramatisch zurückgegangen, wodurch in der griechischen Staatskasse ein Loch in Milliardenhöhe entstanden ist. Deshalb hat die griechische Regierung gegenwärtig akute Probleme, das geld für anstehende Zahlungen aufzutreiben.