piwik no script img

Finanzierungsformen für MedienangeboteGründerwelle im Journalismus

In Deutschland können klassische Medienmodelle die Lücken in der Berichterstattung nicht mehr schließen. Zeit für neue gemeinnützige Finanzierungsformen.

Die neuen Lücken im privatrechtlichen Journalismus können öffentlich-rechtliche Strukturen nicht ausgleichen Foto: Peter Udo Maurer/imago

Vor dem Hintergrund erodierender Geschäftsmodelle und fortgesetzter Digitalisierung ist der privatwirtschaftliche Journalismus in Deutschland vielen Bedrohungen ausgesetzt: durch den Sparkurs bei Verlagen und Sendern, durch Konzentrationsprozesse und reduzierte Angebote der Lokal- und Regionalberichterstattung, durch wachsenden Einfluss von Public Relations, durch prekäre Arbeitsbedingungen von Journalisten und Journalistinnen. Die Vielfalt der Lokalberichterstattung erodiert.

Die neuen Lücken im privatrechtlichen Journalismus können öffentlich-rechtliche Strukturen nicht ausgleichen. Sie sind auf Produktionsformen im Rundfunk und Fernsehen ausgelegt und dürfen ihre Ressourcen nicht für lokales Medienmachen zweckentfremden.

Die öffentlich-rechtlichen Strukturen sind deshalb nicht geeignet, gerade im lokalen Bereich für Ausgleich zu sorgen. Weder ARD noch ZDF können vielfältige Berichterstattung vor Ort in Wanne-Eickel, Glücksburg oder Zwickau garantieren.

Die Entwicklung neuer, Ersatz anbietender Standbeine ist also dringend. Im Ausland sehen wir bereits Gründungswellen verschiedener gemeinnütziger Angebote. Communityorientierte Medien wie De Correspondent in den Niederlanden oder gemeinnützige Rechercheplattformen wie ProPublica sorgen für „eine weltweite Renaissance“ des investigativen Journalismus, wie Mark Lee Hunter, Journalismusforscher und Investigativjournalist, schreibt.

Tag der Pressefreiheit

Der 3. Mai wurde 1993 von der UN-Vollversammlung zum Welttag der Pressefreiheit erklärt. Die taz panter stiftung hat aus diesem Anlass gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen eine Beilage für die taz erstellt. Wir blicken auf die Lage der Presse in Russland und Kuba, in Frankreich und Myanmar, in Afghanistan, im Irak und in der Türkei. Aber wir schauen auch auf den Journalismus in Deutschland in Zeiten von Crowdfunding und Fake News. Und wir fragen Günter Wallraff, warum er sich für den Wikileaks-Gründer Julian Assange einsetzt.

Alle Texte erscheinen online unter taz.de/pressefreiheit

Die Medienvielfalt bewahren

Non-Profit-Organisationen seien die Treiber. Viele verstehen sich als „Watchdog“: Sie wollen Machtmissbrauch, Korruption und Fehlentwicklungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufdecken.

Auch in Deutschland ist es Zeit, neue Formen auszuprobieren, um Medienvielfalt zu bewahren und den Gründergeist im Journalismus zu stärken. Hier lässt sich ermutigende Experimentierfreude beobachten. Krautreporter oder die taz haben mit Genossenschaften gute Erfahrungen gemacht, die Leser und Leserinnen in Finanzierung und Entwicklung von Medienangeboten einbinden.

Die enge Bindung zu den Nutzern ermöglicht eine Entwicklung von Angeboten, die unter klassisch marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten kaum Chancen hätten.

Keine Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus

Dazu entwickeln gemeinnützige Initiativen wie das Recherchezentrum Correctiv, die Kontext-Wochenzeitung, Finanztip.de oder Netzpolitik.org große Triebkraft. Gemein ist diesen Pionieren im deutschen Non-Profit-Journalismus jedoch, dass sie ihre Gemeinnützigkeit nur über Umwege erreichen konnten – Rechtssicherheit gibt es bisher nicht.

Correctiv bietet neben journalistischer Arbeit auch Weiterbildung samt Online-Lernplattform für Bürger und ist unter anderem über den Förderzweck „Bildung“ anerkannt. Netzpolitik.org und Finanztip.de sind auf den Förderzweck „Verbraucherschutz“ spezialisiert.

Gemeinnützige journalistische Organisationen brauchen dringend Rechtssicherheit. Erst durch Verankerung des Journalismus als gemeinnützigen Zweck in der Abgabenordnung könnten sich noch mehr Neugründungen auf alle relevanten journalistischen Fragen konzentrieren; Lücken in der Berichterstattung könnten besser geschlossen werden.

Neue Finanzierungswege jenseits bisher üblicher Geschäftsmodelle würden die Kritik- und Kontrollfunktion des Journalismus stärken und die Meinungsbildung in der Demokratie beleben. Über Bürgerstiftungen oder spendengetriebene Community-Finanzierung könnten im Lokalen neue Finanzquellen eröffnet werden.

Aktuell sind weniger als 5 Prozent aller Stiftungen im Journalismus aktiv. Würde Rechtssicherheit gewährt, könnten viele weitere Mittel mobilisiert werden.

Keine Verdrängungseffekte durch Gemeinnützigkeit

Dabei ist der Eingriff in den Markt gering einzuschätzen, wie Professor Peter Fischer feststellte. Der frühere Vorsitzende Richter am Bundesfinanzhof hat dies in einem Rechtsgutachten festgestellt, das er für die Landesregierung Nordrhein-Westfalen verfasst hat.

Wie bei privatrechtlichen Angeboten müssten auch spendengetriebene Medien dafür sorgen, dass ihnen Bürger und Bürgerinnen vertrauen und freiwillig Geld geben. Sie können also nicht an den Bedürfnissen der Menschen vorbeiproduzieren, ohne pleite zu gehen.

Auch Verdrängungseffekte sind nicht zu befürchten. Gemeinnützige Angebote dürfen nur umgesetzt werden, wenn sie den Markt nicht verzerren, schreibt das Gemeinnützigkeitsrecht vor. Unrechtmäßige Bereicherung ist ebenfalls ausgeschlossen. Gemeinnützige Angebote müssen selbstlos sein. Eventuelle Gewinne dürfen nur in die Projekte selbst investiert werden.

Dabei müssen die Angestellten in gemeinnützigen Betrieben nicht auf Lohn verzichten. Sie dürfen wie Angestellte in privatrechtlichen Organisationen auf angemessene Gehälter bestehen.

Gemeinnütziger Journalismus im Koalitionsvertrag

Die Bundesregierung hat die Einführung des gemeinnützigen Journalismus in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Demnächst wird über die Umsetzung beraten. Sollte gemeinnütziger Journalismus in Deutschland breit eingeführt werden, kann er neue Ressourcen mobilisieren.

Dies würde nicht nur bestehenden gemeinnützigen Angeboten oder genossenschaftlichen Modellen nützen – sie würden abgesichert. Vor allem würde die neue Gesetzgebung helfen, eine Gründungswelle in Deutschland anzustoßen, in der viele neue lokale Angebote eine Chance bekommen.

Der Autor ist Gründer und Publisher des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv und Vorsitzender des Forums Gemeinnütziger Journalismus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Hmm die erste Lehre bei kompetenter Mediennutzung ist zu schauen WER WARUM etwas schreibt . Hier ist der Autor Gründer des Netzwerks für gemeinnützigen Journalismus. Ist das die behauptete Lücke in der Berichterstattung?

  • Gibt es die behaupteten "Lücken in der Berichterstattung"? Ich habe da Zweifel. Was ist diesbezüglich da eigentlich relevant und wer bestimmt das? Trotzdem könnte man natürlich trotzdem einfach mehr Journalismus anbieten, allerdings ist dabei auch etwas in Gefahr. Wir brauchen dringend allgemein akzeptierte Foren für den Meinungsaustausch. Wir brauchen hingegen nicht mehr Foren, denn dann gibt es weniger Austausch und letztendlich weniger Öffentlichkeit. Mitunter brauchen wir zweifellos mehr Information, nur dazu braucht es nicht unbedingt Neugründungen. Es gibt überall Tageszeitungen. Diese Tageszeitungen reagieren auch längst auf ihre Leser und auf die Bürger, sind auch in den sozialen Medien aktiv, werden von dieser Seite ihrerseits angetrieben, und funktionieren weitgehend recht gut als ein Instrument von Informations- und Meinungsaustausch. Viel besser jedenfalls als noch vor Jahren. Viel offener, öffentlicher, transparenter. Der behauptete Bedarf an mehr und anderem Journalismus scheint mir doch eher fraglich. Man vergleiche da doch auch mal zum Beispiel eine Metropole wie Berlin mit Kleinstädten im ländlichen Raum. In einer Kleinstadt mag es nur eine Zeitung geben, aber sie hat Wirkung. In Berlin hingegen gibt es ein überreichliches Angebot, da ist für jeden was dabei, und das Ergebnis ist Zersplitterung.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Das Problem des privatrechtlichen Journalismus ist seine Abhängigkeit von Werbung. Um Werbung zu verkaufen muss man Aufmerksamkeit erzeugen und Aufmerksamkeit bringen Themen, die Menschen gegeneinander aufbringen. Die Beachtung journalistische Tugenden steht der Schaffung von maximaler Aufmerksamkeit entgegen.

      Der Lokaljournalismus berichtet prinzipiell über Themen, die nur wenig Aufmerksamkeit erzeugen können. Es gibt längst nicht mehr überall eine Tageszeitung, die in nennenswertem Umfang lokale Nachrichten enthält. Und wenn dann auch noch der jeweilige Lokaljournalist die Leute maximal gegeneinander aufbringt, um ein Maximum an Aufmerksamkeit rauzuschlagen, sind wir endgültig an dem Punkt, an dem man den werbefinanzierten Lokaljournalismus als gescheitert bezeichnen können.

      Wer sich dafür interessiert, wie öffentliche Meinungsbildung funktionieren könnte, kann mal einen Blick ins Fediverse werfen



      joinmastodon.org/communities/regional



      de.wikipedia.org/wiki/Fediverse