„Finanzier“ von Ruandas Völkermord: Kabuga boykottiert seinen Prozess
Vor einem UN-Gericht hat der Prozess gegen den ruandischen Geschäftsmann Félicien Kabuga begonnen. Er finanzierte 1994 Hetze und Milizen gegen Tutsi.
Kabuga gründete und führte demnach den radikalen Radiosender „Mille Collines“, der ab 1993 Ruandas Hutu zur Jagd auf Tutsi aufwiegelte und schnell als erstes privates Radio in Ruanda zum beliebtesten Radiosender des Landes aufstieg. Er finanzierte auch die Aufstellung und Aufrüstung radikaler Hutu-Milizen, die ab dem Beginn des organisierten Massenmordens ab 7. April 1994 als Hilfstruppe der Armee Tutsi in Häusern und an Straßensperren aufspürten und abschlachteten. Während des Völkermordes gründete er den „Nationalen Verteidigungsfonds“, der Spenden für Waffenkäufe zur Fortsetzung der Massaker sammelte.
Beim Zusammenbruch des für den Völkermord an bis zu einer Million Menschen verantwortlichen Regimes im Sommer 1994 floh Kabuga aus Ruanda. Erst 2020 wurde im Rahmen einer international koordinierten Fahndung in Frankreich geschnappt.
Der Prozess findet vor dem „Nachfolgemechanismus“ (IRMCT) der beiden UN-Völkermordtribunale für Ruanda und Ex-Jugoslawien statt, der die bei der Schließung der beiden Sondertribunale noch unerledigten Fälle abschließen soll. Haftbefehl des einstigen UN-Völkermordtribunals für Ruanda gegen Kabuga bestand schon seit 1999.
Der mittlerweile 87-jährige Angeklagte hatte seit seiner Festnahme in Frankreich unter Verweis auf seine schlechte Gesundheit versucht, erst seine Inhaftierung, dann seine Überstellung an den UN-Mechanismus und schließlich einen Prozess zu verhindern – vergeblich, aber immerhin verzögerte er alles noch einmal deutlich.
Dem Prozessaufakt am Donnerstag blieb Kabuga fern. In einem Schreiben an das Gericht lehnte er seinen Pflichtverteidiger ab. Die Verhandlung läuft nun ohne ihn. Der aus Rücksicht auf die schlechte Gesundheit des Angeklagten festgelegte Gerichtsplan, wonach täglich nur zwei Stunden verhandelt wird, bleibt aber in Kraft.
So begann der Donnerstag zunächst mit der Verlesung der Eröffnungs-Statements der Anklage, die am Freitag andauern sollte. Kommende Woche beginnt die Beweisaufnahme. Wie lange der Prozess dauert, ist offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity