piwik no script img

Finanzhilfe für ukrainische StreitkräfteBriefmarken als Bitcoins

Die ukrainische Post hat mehrere Briefmarken mit Kriegsmotiven herausgebracht. Die Menschen stehen dafür Schlange – und finanzieren damit die Armee.

Wird zu Höchstpreisen versteigert: Briefmarken mit dem russischen Kreuzer „Moskwa“ Foto: Vladimir Shtanko/AA/picture alliance

E ine Filiale der Ukrainischen Post, „Ukr­potschta“. Etwas abseits eine kleine Menschengruppe. „Stehen Sie hier an?“, frage ich. „Nein.“ – „Wurden welche geliefert?“ – „Nein.“ – „Und warum stehen Sie hier?“ „Vielleicht kommen welche. Aber vielleicht fragen Sie auch noch mal?“ Die Angestellte der Filiale sagt, dass heute keine mehr geliefert werden. Die Rede ist von den berühmten Briefmarken mit dem russischen Kriegsschiff.

Война и мир – дневник

Чтобы как можно больше людей смогли прочитать о последствиях войны в Украине, taz также опубликовал этот текст на русском языке: here.

Zu Beginn des russischen Großangriffs hatte der russischen Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“ die Grenzsoldaten der ukrainischen Schlangeninsel aufgefordert, sich zu ergeben. Einer der Ukrainer hatte geantwortet, „Russisches Kriegsschiff, f*ck dich!“ In den folgenden Tagen und Wochen wurde dieser Satz auf Plakate und T-Shirts gedruckt und fand Eingang in Liedtexte. Auch Menschen, die sonst keine Schimpfwörter benutzen, möchten den Besetzern damit sagen: Ihr habt hier nichts verloren, niemand hat hier auf euch gewartet, haut ab.

Auf den Briefmarken selber ist der berühmte Satz nicht zu lesen, aber das Bild macht klar, worum es geht. Am 12. April wurden die Marken in Umlauf gebracht. Ich erinnere mich noch, dass ein Freund mich bat, ihm vom Kiewer Hauptpostamt einen Satz mitzubringen. Ich fuhr aber nicht hin, die Metros fuhren im 50-Minuten-Takt ins Stadtzentrum. Als die Bitcoins aufkamen, haben das vermutlich Leute ähnlich verpasst wie ich jetzt das mit den Marken.

Und am 13. April hat das ukrainische Militär eben dieses Kriegsschiff versenkt. Fall erledigt! In der Folge standen Menschen Schlange für die Briefmarken. Der Verkauf wurde limitiert, die Marken waren schnell ausverkauft. Ukrpotschta brachte eine zweite Marke, „Das war’s dann wohl, russisches Kriegsschiff“ mit einer Auflage von 5 Millionen Exemplaren heraus. Fünfmal mehr als von dem ersten Motiv, limitiert auf zwei pro Käufer.

Olena Makarenko

35 Jahre, Journalistin und Dokumentarfilmerin . Hatte Kyjiw vorübergehend Richtung Westukraine verlassen, lebt aktuell wieder in der ukrainischen Hauptstadt

Einige haben die Marken mit Gewinn weiterverkauft. Für andere sind diese Briefmarken ein Andenken an historische Ereignisse. Aber natürlich ist die korrekteste Verwendung für sie die Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte. Zu ihrer Unterstützung wurden neben diesen Briefmarken auch das gläserne Mikrofon, das Kalush Orchestra beim ESC gewonnen hat, und andere Dinge versteigert. Das Mikro hat übrigens 900.000 Dollar erzielt – der ganze Erlös ging ans Militär.

Und die Marken mit dem russischen Kriegsschiff kommen jetzt über Ebay auf den internationalen Markt. Sie reichen vermutlich nicht für alle. Schon jetzt arbeitet Ukrpotschta an einer neuen historischen Briefmarke. Darauf wird stehen „Guten Abend, wir kommen aus der Ukraine!“ Das ist ein Satz aus einem Stück der Gruppe Probass ∆ Hardi, der zum inoffiziellen Kriegsgruß in der Ukraine avanciert ist.

Aus dem Russischen von Gaby Coldewey

Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung.

Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA im September heraus.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Großartig! Weniger fällt mir dazu nicht ein.