Finanzaffäre der CDU in Hessen: Ein Haus mit roten Lettern
Seit Jahren nutzt die CDU in Marburg ein Haus, ohne Miete zu zahlen. Im Rechenschaftsbericht fehlt es. Hessens Finanzminister gerät in die Kritik.
Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet, nutzte Schäfers Verband eine „trickreiche Konstruktion“, um eine parteieigene Immobilie über Jahrzehnte in den Rechenschaftsberichten der CDU zu verschweigen. Durch Selbstanzeige sollte die Unregelmäßigkeiten jetzt offenbar stillschweigend getilgt werden. Doch die Operation flog auf. Der Minister, der als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge von Ministerpräsident Volker Bouffier gilt, muss sich jetzt kritischen Fragen stellen.
Gegenstand dieser Fragen ist ein stattliches Haus in der Marburger Südstadt, vier Stockwerke hoch, vom Balkon weht die Deutschlandfahne, auf der Brüstung prangt in roten Lettern „CDU“. Formal gehört das Haus einem „Verein zur Förderung staatspolitischer Bildung“, faktisch gehört es der CDU.
Seit 1996 zahlt die Kreispartei nicht einmal mehr Miete, die laufenden Betriebskosten wurden als Sachausgaben verbucht. Wirtschaftsprüfer hätten diese Praxis im vergangenen Jahr moniert, deshalb habe man der bei der Bundestagsverwaltung eine „rückwirkende Korrektur“ beantragt, ließ Schäfer dazu wissen. Auf mehr als 700.000 Euro ist der Wert des Hauses taxiert.
„Rückwirkend“ taucht es jetzt als Vermögen im Rechenschaftsbericht der Partei auf. Die Bundestagsverwaltung habe ihm „mit Schreiben vom 2. Juli 2019 mitgeteilt, „dass das Verfahren damit abgeschlossen und mit Sanktionen nicht zu rechnen sei“, schreibt Schäfer in einer Stellungsnahme.
Nicht umfassend aufgeklärt
Die Parteirechtlerin Sophie Schönberger erklärte im Spiegel hingegen, die Bundestagsverwaltung könne sehr wohl Strafzahlungen verhängen, für zehn Jahre rückwirkend, weil die Partei nicht „umfassend“ aufgeklärt habe.
Dazu passt: Im aktuellen Rechenschaftsbericht firmiert das fragliche Haus unter einer falschen Adresse, in Braunschweig statt in Marburg. Das gehe auf einen Übermittlungsfehler zurück, für den die Bundespartei verantwortlich sei, verlautet es aus der Marburger CDU.
Der Verein sei „Eigentümer“, die Partei „Besitzerin“ gewesen, rechtfertigte sich Schäfer gegenüber dem Spiegel. Aber dann hätte der Mietverzicht wenigstens als geldwerter Vorteil oder als Spende in den Büchern auftauchen müssen. Mehrere CDU-Abgeordnete, darunter auch Schäfer selbst, unterhalten Abgeordnetenbüros in dem Haus. Haben sie Miete gezahlt, und wenn ja: an wen?
Schäfer gehört persönlich dem Vereinsvorstand an, der angeblich die „staatspolitische Bildung“ fördert, faktisch aber lediglich der CDU eine Immobilie überlässt. War das korrekt? Wie konnte Schäfer als Vorsitzender, der eine Ausbildung zum Bankkaufmann und ein Jurastudium absolviert hat, über Jahre hinweg eine Immobilie nutzen, die in der Buchhaltung weder als Eigentum noch als Mietsache auftauchte? Diese und weitere Fragen hat die taz dem Finanzminister am Samstag zukommen lassen. Bis Redaktionsschluss gab es keine Antwort.
Lange Tradition von Tricksereien
In Wiesbaden erinnerte die Landtagsopposition derweil daran, dass vor 20 Jahren der damalige CDU-Landeschef und Ministerpräsident Roland Koch beinahe gestrauchelt wäre, weil Millionenbeträge, als „jüdische Vermächtnisse“ getarnt, in schwarze Kassen seiner Partei geflossen waren. Schäfer war einst Kochs Büroleiter.
„Tarnen, tricksen, täuschen und das Vermögen verschleiern – das alles hat Thomas Schäfer als Büroleiter und enger Vertrauter von Roland Koch gelernt“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Günter Rudolph. „Wer einen Verein mit irreführendem Namen gründet, um Immobilienbesitz zu verschleiern, muss sich fragen lassen, was er sonst noch zu verstecken hat“, so Rudolph.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär