Filmperlen aus dem Archiv: Das Leben als Hauch
Sehenswert: Der Architekt Oscar Niemeyer im Doku-Porträt, „A Touch of Zen“ vom Meister des Wuxia-Genres King Hu und Adam Driver in „Paterson“.
A uf ein kleines Online-Architekturfilmfestival weist dieser Tage der „Club“ des Berliner Filmverleihs Salzgeber hin. Zum Programm gehört auch das 2009 entstandene dokumentarische Porträt „Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch“ von Fabiano Maciel und Sacha – damals lebte der seinerzeit bereits über 100-jährige brasilianische Baumeister noch, einer der wichtigsten Vertreter der klassischen Moderne. Die Idee des Seriellen, wie sie etwa vom Bauhaus (mit dem Gedanken, die Lebensverhältnisse jener Menschen zu verbessern, die sich teures Wohnen nicht leisten können) vertreten wurde, gefiel ihm nicht: Niemeyer bestand in der Architektur immer auch auf Schönheit und Überraschung.
Legendär war seine Abneigung gegen den rechten Winkel und die gerade Linie, und so erweiterte er die Formensprache der Moderne – der elastische Baustoff Stahlbeton machte es möglich – um die Kurve und die geschwungene Linie. In ihrem in zehnjähriger Arbeit entstandenen Porträt lassen die Regisseure vornehmlich Niemeyer selbst erzählen, zeichnen und erklären: Man bekommt die wichtigsten Bauten seiner langen und produktiven Karriere gezeigt und erfährt aus erster Hand, was er sich dabei gedacht hat (Stream bei Salzgeber Club).
Transformator des Wuxia-Genres: King Hu
Die Glanzzeiten des 1931 in Peking geborenen Regisseurs King Hu waren die 60er- und 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als er praktisch im Alleingang das Wuxia-Genre (die Schwertkampffilme) nachhaltig veränderte. Seine Filme hatten Frauen als absolut gleichberechtigte Heldinnen und besaßen sich stetig intensivierende Spannungskurven, die die Schurken schrittweise immer böser und kampftechnisch besser werden ließen.
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King Hus Meisterwerk ist „A Touch of Zen“ (1969-71), in dem vor allem sein Gespür für Atmosphäre zum Tragen kommt. En Detail erkundet die Kamera hier den mysteriösen Set einer verwunschenen Festung, in der es angeblich spukt und die später in einer originellen Schlacht gegen jene Bösewichte eine Hauptrolle spielen wird, die Yang (Hsu Feng), die Tochter eines ermordeten Offiziers, verfolgen: Sie kämpfen lediglich gegen ihre eigene Angst vor den vermeintlichen Gespenstern (Stream: www.rapideyemovies.de, https://vimeo.com/selectedbyrem/vod_pages).
Paterson in Paterson
Der Busfahrer Paterson (Adam Driver) lebt in Paterson, New Jersey ein Leben der Routine: Aufstehen morgens gegen Viertel nach Sechs, ein paar Cerealien zum Frühstück, dann vielleicht noch dem jüngsten Traum seiner Gattin (Golshifteh Farahani) lauschen. Anschließend der Gang zur Arbeit, Busfahren den ganzen Tag. Bei Heimkehren den Briefkasten geraderücken, abends ein Bier in der Kneipe trinken. Jeden Tag das Gleiche, gefilmt von Jim Jarmusch in den immer gleichen Einstellungen. Eigentlich passiert nichts.
Doch die rhythmisierte Ereignislosigkeit ist in „Paterson“ eine große Hommage an die Poesie des Alltags, die ihrerseits Alltagspoesie inspiriert: Denn der Busfahrer verfasst Lyrik, jeden Tag schreibt er Gedichte in sein Notizbuch. Paterson saugt den Alltag mit genauer Beobachtungsgabe förmlich in sich auf. Und das geht nicht nur ihm so, sondern auch der Schülerin an der Straßenecke, die ihm eines ihrer Gedichte vorliest, sowie dem Rapper, der im Waschsalon übt. In der Stadt Paterson, New Jersey ist das tägliche Leben Poesie (Stream: www.voebb.filmfriend.de).
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