Filme im Stream: Kein netter Tierfilm
Unser Autor empfiehlt neben zwei Gesellschaftskomödien auch das experimentelle interaktive Tierfilm-Experiment „Bear 71“ – eine orwellsche Dystopie.
G erade habe ich den Roman „Ameisig“ des Drehbuchautors und Regisseurs Charlie Kaufman gelesen, in dem sein Held, ein neurotischer Filmkritiker Ende Fünfzig, nicht nur eine unheilvolle Faszination für einen drei Monate dauernden Stop-Motion-Animationsfilm entwickelt, sondern auch eine Vorliebe für die Filme von Judd Apatow erklärt.
Da könnte ich an dieser Stelle eigentlich auch mal eine Komödie dieses amerikanischen Produzenten und Regisseurs empfehlen, der in seinen besten Werken den Sex und seine Folgen auf eine total unverklemmte Weise zum Thema machte. „Beim ersten Mal“ („Knocked Up“, 2007) handelt etwa von einer durch einen One-Night-Stand zustande gekommenen Schwangerschaft, welche die beiden Beteiligten (eine Karrierefrau und einen verantwortungslosen Slacker) dazu bringt, sich doch irgendwie zusammenzuraufen.
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Dabei wird gezeigt, was nötig ist (zum Beispiel der Versuch, eine für eine schwangere Frau bequeme Sexposition zu finden – was in einiger Frustration endet), und gesagt, was gesagt werden muss. Erwachsene Menschen reden über erwachsene Dinge. Und das schönste daran: Das alles ist auch noch ungemein komisch (Stream bei Chili: https://de.chili.com).
Die Bärin erzählt aus dem Off
Auf einem vollkommen anderen Dampfer ist das IDFA unterwegs, das International Documentary Film Festival Amsterdam, dessen Webseite Hunderte von Festivalfilmen vergangener Jahre zugänglich macht. Wie etwa die 2012/2016 für das National Film Board of Canada entstandene experimentelle interaktive Produktion „Bear 71“ (respektive „Bear 71 VR“) von Jeremy Mendes und Leanne Allison.
Während man als Online-Zuschauer die Möglichkeit bekommt, sich durch das Material verschiedener Wildtier-Kameras im kanadischen Banff National Park zu klicken und dabei beispielsweise der titelgebenden Bärin und ihren Jungtieren zu folgen, erzählt die Bärin aus dem Off von schwindenden Lebensräumen und wie ihr die Menschen buchstäblich immer näher auf den Pelz rücken. Kein netter Tierfilm also, sondern eine orwellsche Dystopie, die Tiere, Menschen und Überwachungstechnik zueinander in Beziehung setzt (Stream bei IDFA: www.idfa.nl).
Wenn man den britischen Regisseur Stephen Frears, der sich in seiner Karriere zwischen Fernsehfilmen und Großproduktionen in bereits nahezu jedem Genre bewegt hat, überhaupt auf etwas festnageln wollte, dann wäre es wohl sein trockener Humor.
Insofern ist es nicht schwer zu verstehen, was Frears an der Graphic Novel „Tamara Drewe“ gereizt hat, in der die britische Zeichnerin und Autorin Posy Simmonds mit hintergründigem Witz die Vorgänge in einem „Schriftsteller-Refugium“ beschreibt, das ein populärer Krimiautor gemeinsam mit seiner übertüchtigen Gattin auf dem Lande betreibt.
Simmonds ist vor allem der britischen Öffentlichkeit als Cartoonistin der Zeitung The Guardian bekannt, wo sie auch „Tamara Drewe“ zunächst in 109 Episoden vorstellte, ehe die Geschichte 2007 auch in Buchform erschien.
Tatsächlich wirkt Simmonds Graphic Novel über weite Strecken fast wie ein Storyboard: Szenen, Schauplätze und Kostüme sowie das Aussehen der Figuren und ihre Charakterisierung blieben in Frears' Verfilmung „Immer Drama um Tamara“ (2010) weitgehend erhalten (Stream bei Mubi noch bis 20. 3.: www.mubi.com / Stream bei Chili: www.chili.com).
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