Film über Kindheit in Mexico: Raupen im Bohnenbeet
In fesselnden Bildern erzählt Tatiana Huezos Dokumentarfilm “El eco“ vom Arbeiten und Aufwachsen in einem mexikanischen Bergdorf.
Bevor die ersten Bilder von El Eco auf der Leinwand erscheinen, sind schon die Stimmen der Kinder, Hunde, Schafe, Pferde und Hühner des kleinen, abgelegenen Dorfes aus dem Off zu hören. In dem gleichnamigen Dokumentarfilm, der mit den Bewohnern der ländlichen Gemeinde im mexikanischen Hochland von Chignahuapan entstand, hält die Regisseurin Tatiana Huezo deren Alltag fest.
Dort auf 2.900 Meter Höhe bestimmen das Hüten der Tiere, die Feldarbeit, Jahreszeiten und Niederschläge den Tagesablauf. Früh übernehmen die Kinder Fürsorge füreinander und Verantwortung für die Aufgaben, die ihnen von den Erwachsenen übertragen wurden.
Ihrer Perspektive und Wahrnehmung widmet die Kamera mit ruhigen Einstellungen besondere Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt dieser filmischen Erzählung stehen Luz Ma, Sarahi und Montse. Die drei Mädchen unterschiedlichen Alters sind wissensdurstig und lebenshungrig. Viel Nützliches haben sie bereits von ihren Müttern gelernt, und doch suchen sie als junge Frauen ihren eigenen Weg.
Luz Ma´s Vater arbeitet als Tagelöhner auf dem Bau in den USA. Nur sporadisch kehrt er erschöpft ins Dorf zurück. Am Tisch wirkt er fast wie ein Fremder. Alleine versorgt seine Frau die Kinder, den kleinen Hof und die Schafe. Die fehlende Unterstützung und Anerkennung für die harte Arbeit der Mutter sowie ihr Hadern mit diesem Schicksal entgehen ihrer Tochter Luz Ma nicht.
Die Puppen unterrichten
Während Sarahi am liebsten als Lehrerin ihre Puppen und Stofftiere unterrichtet und auch die Mitschüler mit Eifer beim Lernen unterstützt, ist die etwas ältere Montse in ihrer freien Zeit eine begeisterte Reiterin und träumt von einer Zukunft in der Armee – fernab von El Eco. Zuhause ist sie für die Pflege der im Sterben liegenden Großmutter zuständig. Nach deren Tod trägt die Gemeinde in einem festlichen Trauerzug den Sarg singend zu Grabe.
International bekannt wurde Tatiana Huezo 2021 durch “Noche de Fuego“ (dt.: Feuernacht). Ihr beeindruckendes Spielfilmdebut, das seine Premiere auf dem Filmfestival in Cannes feierte, erzählt vom Ende der Kindheit in einem von Drogenkartellen kontrollierten Dorf in einem Mohn-Anbaugebiet. Von Angst und Gewalt umgeben, versuchen die drei heranwachsenden Mädchen zu überleben und ihre Freundschaft zu verteidigen.
Die Auseinandersetzung mit dem Trauma von Gewalt und Willkür prägt das Werk der 1972 geborenen Filmemacherin, die mit ihrer Familie in den 1980er Jahren vor dem Bürgerkrieg in El Salvador nach Mexiko floh.
2016 zeigte das Forum auf der Berlinale ihren bewegenden Dokumentarfilm “Tempestad“, der vom organisierten Verbrechen in Mexiko handelt, ohne jedoch mediale Darstellungen von Leid und Gewalt zu reproduzieren. „Das Kino besteht für mich aus Bildern, Licht, Tempo und Emotionen. Mit Bildern konstruiere ich Diskurse. Das ist meine Art, mich den Geschichten zu nähern,“ erläuterte Huezo im Interview.
Sa 18.02., 10:30, Kino International. Sa 18.02., 21:00, Bundesplatz-Kino. Sa 18.02., 22:00, Cubix 5. Di 21.02., 13:30, Zoo Palast 3. Di 21.02., 13:30, Zoo Palast 4. Di 21.02., 13:30, Zoo Palast 5. So 26.02., 22:00, Cubix 5
Auch ihr jüngster Film, der dokumentarische und inszenierte Szenen kombiniert, überzeugt als bildmächtige, vielschichtige Erzählung. In der Höhe von El Eco werfen die Bergwände die Rufe der Kinder zurück und die gewalttätigen Konflikte der Drogenkartelle scheinen weit entfernt, Nachrichten über Entführungen tauchen in den Gesprächen von Montse und ihrer Freundin nur in Nebensätzen auf.
In Gummistiefeln und mit Mützen streifen die Jüngeren durch die noch saftig grünen Wiesen, retten ein verunglücktes Schaf aus dem Wasser oder sammeln Brennholz im Wald. Doch der Film lässt keinen Zweifel daran, dass die Lebensbedingungen in dieser betörend schönen Landschaft extrem herausfordernd sind und die Zukunftsperspektiven sehr begrenzt – besonders für Mädchen wie Sarahi, Luz Ma und Montse. Auf der Leinwand jedoch sind sie und ihre Wünsche präsent.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!