Film über Grafikdesigner von Pink Floyd: Als Pop noch Kunst war
In„Squaring the Circle“ feiert Anton Corbijn die Plattencover der Grafikdesigner Hipgnosis. Die zeigen noch den Exzess der Rockmusik in den 70ern.
Sieht nach Drogentrip aus: Eine kolorierte Cartoon-Collage samt Weltraum und Dr. Strange, samt Mandala und Landschaft. Und irgendwo mittendrin hocken langhaarige, junge Typen mit Schnäuzern und Hüten. Das Cover des zweiten, 1968 erschienenen Albums der Band Pink Floyd war deren erste Zusammenarbeit mit dem britischen Designstudio Hipgnosis – und setzte bildlich Maßstäbe für Generationen westlicher Rockmusik.
In Anton Corbijns Dokumentarfilm „Squaring the Circle“ wird die Geschichte der Londoner Grafikagentur erzählt. Vieles ist bekannt, jedenfalls bei den Fans von Pink Floyd, 10cc, den Wings oder Led Zeppelin. Damals, das wissen jene Fans nur zu gut, war die „Cover Art“, die kunstvoll gestaltete Plattenhülle, ein hundertprozentiger Teil der Rezeption von Musik. Im Fall von Hipgnosis, gegründet Ende der 60er Jahre vom Kunststudenten und Roger-Waters-Intimus Storm Thorgerson und dem Fotografen Aubrey „Po“ Powell, fügen die enigmatisch-surrealen Cover der musikalischen Ebene eine eigene dazu – die nicht unbedingt etwas mit der Musik zu tun haben muss.
Denn dass der 2013 verstorbene Thorgerson ein so sturköpfiges wie kompromissloses Genie gewesen sein muss, darüber sind sich die Zeitgenossen und Freund:innen, allen voran Powell, einig. Auch die, die ihn erst spät kannten: Corbijn hat als „jüngere“ Stimme den Oasis-Gründer Noel Gallagher eingeladen, der die 70er nostalgisch-eingeschnappt als „Golden Age des Musikbusiness“ bezeichnet – damals habe man Musik noch als Kunst begriffen, heute sehe man sie als Konsumware.
„Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis“. Regie: Anton Corbijn. Vereinigtes Königreich 2023, 101 Min.
Corbijn hat seine Interviewpartner:innen per Kunstgriff im gleichen Schwarz-Weiß aufgenommen, in dem auch die Originalinterviews mit den jungen Hipgnosis-Mitgliedern gestaltet sind. Visuell bekommt der mündliche Kanon damit eine eindeutige Linie, aus der sich die bunten, kunstvollen Cover eindrucksvoll abheben. Zudem konnte Corbijn sich die Rechte für die dazugehörige Musik sichern und setzt sie großzügig ein.
Sammelsurium aus affirmativen Erinnerungen
Dennoch kann auch das psychedelischste Pink-Floyd-Stück nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film eigentlich doch nur ein Sammelsurium aus affirmativen Erinnerungen ist: Ruhelos türmt Corbijn Anekdote auf Anekdote, lässt Zeitzeugen streiten, wer das Wort „Hipgnosis“ („hip“ für angesagt, „gnosis“ für weise) wirklich erfunden hat, und trotzt ihnen Dönekens ab über die ersten Studiolampen (klaute Storm von Roman Polanskis Filmset für „Ekel“!), Syd Barretts Abstieg und Paul McCartneys Extrawürste („wollte immer nur seine eigenen Ideen umsetzen!“).
Das sind hübsche Geschichten – mehr aber auch nicht, und neue schon gar nicht. Am spannendsten wird der Film, wo er versucht, die Rezeptionsunterschiede zwischen analogem und digitalem Arbeiten herauszustellen: Wenn auf einem Cover von The Nice scheinbar 60 rote Fußbälle in der Sahara liegen, dann lagen sie wirklich da – und das aufwendige, sündhaft teure Fotoshooting, bei dem die Bälle auch noch unaufgeblasen aus England eingeflogen wurden, kündet von der fatalen Mischung aus „success and excess“, aus der Rockmusik in den 70ern bestand.
Und die mit der geheimnisvollsten aller Hipgnosis-Ideen, dem Spektrumspyramiden-Cover zu Pink Floyds „The Dark Side of the Moon“ auch immer das Gegenteil der Megalomanie mitdachte. Für das ikonische Bild und das ebensolche Album hatten zwei Künstlergruppen (musikalische und visuelle) sich kräftig aus dem Unbewussten bedient.
Aber das war bei Hipgnosis eh Programm: Die Geschichte des aufblasbaren Schweins vom „Animals“-Cover wird (bis auf die jüngsten Vorwürfe gegen Waters) nacherzählt, und auch das phallusartige Objekt von der Led-Zeppelin-„Presence“-Platte, das (vermutlich nicht nur) vom Monolithen in „2001 – Odyssee im Weltraum“ beeinflusst war, schaukeln Gesprächspartner in der Hand.
„Vinyl ist die Kunstsammlung der armen Leute“, zitiert sich Gallagher gen Ende selbst. Da hat er recht – insofern kann man Corbijns Film als unterhaltsame Museumstour betrachten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies