Film „Bad Director“: Stolz wie Oskar
Vergebliche Provokationsversuche: Oskar Roehler adaptiert mit „Bad Director“ seinen eigenen Roman „Selbstverfickung“, der mit der Filmbranche abrechnet.
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Schon der Auftakt soll die deutliche Ansage sein, dass hier die Grenzen des guten Geschmacks aus Lust an der Provokation übertreten werden wollen: Über den schwerfälligen Bass einer etwas schrägen Liveversion von „Psycho Killer“ der Talking Heads verausgabt sich der abgetakelte Regisseur (Oliver Masucci), dem der Film seinen Namen zu verdanken hat, bei einem ebenso trägen Geschlechtsakt mit einer Prostituierten, gebeugt über ein Waschbecken.
Gelangweilt vom Prozedere, fordert sie ihn zum Kommen (und damit vor allem zum Gehen) auf. Er pocht jedoch auf die gekaufte Zeit, zehn Minuten stünden ihm noch zu.
Kurz darauf stolpert er dann im weißen Smoking auf die Straße, poltert gegen den „scheiß Deutschen Filmpreis“, dessen Verleihung er sich nun antun müsse, wirft die Einladung wutentbrannt in einen verdreckten Mülleimer – nur um sie im nächsten Moment widerwillig wieder aus dem Unrat herauszufischen.
Es ist eine Wellenbewegung, wie sie Oskar Roehler seinen rumpelstilzchenhaften Protagonisten immer wieder vollziehen lassen wird: Auf die infantile Raserei folgt kleinlaut die Reue und schließlich die Rückkehr zum Kreuz, als das er das Dasein als Regisseur empfindet.
Besonders das alltägliche Klein-Klein treibt ihn zur Weißglut, weil es ihn, na klar, von jeder künstlerischen Verwirklichung abhalte. Anrufe aus der Kostümabteilung etwa, die in Erfahrung bringen möchte, welche Farben denn nun die Socken des Hauptdarstellers haben sollen.
Tirade gegen den Kulturbetrieb
Der Regisseur stampft, schimpft und schreit, ob er denn für diese Nichtigkeiten wirklich seine Zeit vergeudet, seine Nase zerstört habe. Demütig wird er erst, als ihm in den Sinn kommt, dass seine Mitarbeiter noch Tabletten für ihn besorgen sollten. Mit Engelsstimme erkundigt er sich nach seinem Rohypnol, einem starken Hypnotikum.
Noch ehe er in „Bad Director“ zu seiner giftigen Tirade gegen den Kulturbetrieb ansetzt, teilt Oskar Roehler gegen seinen Protagonisten aus und so zumindest ein Stück weit auch gegen sich selbst. Denn der Film basiert auf dem dritten Roman des Regisseurs und Drehbuchautors, der 2017 unter dem Titel „Selbstverfickung“ erschien und nach Roehlers eigenen Angaben teils autobiografische Züge trägt.
Auch durch die äußerliche Ähnlichkeit, die ein gekonnt mit größter Überspitzung unbändig Grimassen schneidender Oliver Masucci etwa durch schulterlanges Haar und eine markante Hornbrille erlangt, schafft er eine gewollte Verbindung zu Roehler.
Dass sich dieser aus einer zornigen Abrechnung mit der Film- und Fernsehindustrie selbst nicht herausnimmt, wirkt erst einmal sympathisch. Ohnehin verspricht „Bad Director“ zunächst, eine in ihrer Drastik sicherlich schwer erträgliche, womöglich aber gerade wegen ihrer Schärfe auch spaßig-verwegene Satire zu werden. Umso mehr, wenn sich das Geschehen erstmals mit seiner ganzen Boshaftigkeit auf die besonders blasierten Vertreter der Branche stürzt.
Die Spitzen sitzen
Am Rande der Preisgala lehrt das Alter Ego mürrisch Champagnerglas um Champagnerglas und ätzt dabei ebenso gegen die auf dem Teppich posierende junge, nach Hollywood drängende Garde, deren Intellekt gerade einmal dafür reiche, „den amerikanischen Mainstream zu kopieren“, wie gegen etablierte Produzenten, die Jahr um Jahr „gewichtige historische Themen“ massentauglich zu immer gleichen mehrteiligen „TV-Events“ verstoffwechselten.
Die Spitzen sitzen, ohne allzu selbstgerecht platziert zu wirken. Anhören muss sie sich schließlich ausgerechnet eine unbeteiligte Kellnerin. Am armseligsten bleibt doch stets der Radauregisseur selbst.
Auch das ist allerdings eine Form der Hybris, wie sich im Zuge der überbordenden Spielzeit von über zwei Stunden herausstellt. Nach nicht einmal einem Viertel davon hat „Bad Director“ nahezu sein gesamtes parodistisches Pulver verschossen und kreist in einer nur rudimentär vorhandenen Handlung fortan sich wiederholend um die Eskapaden seines Protagonisten.
Der trägt bezeichnenderweise den Namen „Gregor Samsa“ nach der Figur aus Franz Kafkas berühmtester Erzählung „Die Verwandlung“, die unter der Last des Leistungsdrucks und eines bleiernen Berufstrotts eines Morgens als Kakerlake, als unliebsames Ungeziefer erwacht. Der ultimative Außenseiter also, in einer absurden Welt umzingelt von Unterdrückern, die ihn nicht einmal im Ansatz begreifen.
Selbstmitleid eines Missverstandenen
„Bad Director“. Regie: Oskar Roehler. Mit Oliver Masucci, Bella Dayne u. a. Deutschland 2023, 131 Min.
Der Masochismus, mit dem Oskar Roehler die eingangs etablierte Grammatik an Geschmacklosigkeiten gebetsmühlenartig wiederholt, um seinen Samsa als ausgewachsenes Ekel zu porträtieren, hat also durchaus auch etwas Manieriertes. Etwa wenn dieser am Set seines neuen Films weiter von einem Tobsuchtsanfall in die nächste Schimpfkanonade stürzt, weil ihm ein übereifriger Nachwuchsschauspieler (Elie Kaempfen) und eine eingebildete TV-Größe (Anne Ratte-Polle), die ihr Gebiss schon mal im Flokati versenkt, wenn sie nicht ihren Willen bekommt, das Leben schwer machen.
Auch in den Auseinandersetzungen mit dem nur nach möglichst üppiger Filmförderung gierenden Produzenten (Anton Rattinger) schwingt das Selbstmitleid eines immerzu „Missverstandenen“ mit.
Wirklich ins Gewicht fällt diese Eingenommenheit vom von Oskar Roehler selbst zum Alter Ego stilisierten Samsa vor allem, weil sie schnell nicht mehr besonders witzig ist. Beinahe hilflos wirken gerade die kalkulierten Provokationsversuche während der zahlreichen Bordellbesuche, die sich zuverlässig mit jenen am Set abwechseln:
In viel zu langen Sexszenen drängt Samsa seine osteuropäische Lieblingsprostituierte Grete (Bella Dayne) mit genauen Regieanweisungen nicht nur zum Rezitieren von Hochliteratur, um sich vorstellen zu können, dass er sich mit einer Suhrkamp-Lektorin im Bett befindet, sondern fabuliert bald auch noch von „arischen“ Fortpflanzungsfantasien. Der Wille, mit rassistischen und sexistischen „Entgleisungen“ zu brüskieren, ist derart erkennbar, dass jedes Schockmoment ausbleiben muss.
Oskar Roehler, der letztens unter dem Titel „Enfant Terrible“ einen Film über sein Vorbild Rainer Werner Fassbinder drehte, gefiele es wahrscheinlich, würde man auch ihn mit einem solchen Prädikat versehen. Die Vergeblichkeit, mit der er sich mit „Bad Director“ in stolzem Exhibitionismus um eine solche Auszeichnung bemüht, sorgt allerdings nur dafür, dass sich in die Eintönigkeit noch ein wenig Fremdscham mischt.
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