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Festgehaltene OSZE-BeobachterDoch keine Hoffnung auf Freilassung

Die prorussischen Milizen wollen die Beobachter doch nicht rausgeben. An Putin fühlen sie sich nicht gebunden. Und Ukraines Militär hält kein Manöver in Kiews Zentrum ab.

Ukrainische Soldaten an einem Checkpoint in der Nähe der von Separatisten besetzten Stadt Slawjansk. Bild: dpa

KIEW/BERLIN dpa/rtr | Die Separatisten in der Ostukraine haben Hoffnungen auf eine unmittelbar bevorstehende Freilassung der seit Tagen festgehaltenen westlichen Militärbeobachter gedämpft. Zugleich brachten prorussische Milizen am Mittwoch weitere Verwaltungsgebäude im Osten der Ex-Sowjetrepublik in ihre Hand. Die Führung in Kiew räumte ein, die Kontrolle über Teile der krisengeschüttelten Ostukraine verloren zu haben. Unter den seit Freitag in der Stadt Slawjansk festghaltenen Geiseln sind vier Deutsche – drei Bundeswehrangehörige und ein Dolmetscher.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte am Mittwoch die sofortige Freilassung der Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Deutschland bemühe sich „auf allen diplomatischen Kanälen“ um eine Lösung, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe in Berlin. Dazu gehörten auch Gespräche mit dem Kreml in Moskau.

Der prorussische Milizenführer Wjatscheslaw Ponomarjow verneinte in dem Geisel-Drama jegliche Einflussnahme des russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Wir hatten bisher noch keinen Kontakt zu Moskau und gehorchen hier auch nicht Putin, wir sind die Volksrepublik Donezk“, sagte der selbst ernannte Bürgermeister der Stadt Slawjansk am Mittwoch Bild Online. Die festgehaltenen Beobachter betreffend sagte er: „Wir sind in einem guten Dialog, aber ich denke nicht, dass es eine Freilassung schon heute oder morgen geben kann.“

Zuvor hatte er noch den Eindruck erweckt, es könne eine schnelle Lösung „ohne einen Geiselaustausch“ geben. Die Separatisten hatten mehrfach erklärt, inhaftierte Gesinnungsgenossen freipressen zu wollen. Kreml-Chef Putin hatte am Dienstag in Minsk in Weißrussland erklärt, er setze darauf, dass die Militärs die Region ungehindert verlassen könnten. Das Auswärtige Amt in Berlin sprach von schwierigen Verhandlungen zwischen der OSZE und den prorussischen Separatisten, die die Soldaten festhalten.

Tschurkin: Entsendung der Beobachter war Dummheit

Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin kritisierte die Entsendung der OSZE-Militärbeobachter in die Ostukraine als „Dummheit“. „Wie kann man Offiziere in einen Bus setzen und ohne Absprachen in eine solche Region senden – ohne Dokumente, die ihren Status bestätigen?“, sagte er der Agentur Itar-Tass in New York. „Diese Fahrt war entweder eine Provokation der Führung in Kiew oder – verzeihen Sie – eine Dummheit.“

In der Ostukraine sind die prorussischen Militanten weiter auf dem Vormarsch. Unbehelligt von ukrainischen Sicherheitskräften nahmen Separatisten am Dienstag auch die Gebietsverwaltung der östlichsten Großstadt Lugansk ein. In Lugansk und Gorlowka besetzten prorussische Demonstranten am Mittwochmorgen weitere Verwaltungsgebäude.

In den Gebieten Donezk und Lugansk seien einige Regionen in den Händen moskautreuer Aktivisten, sagte Interimspräsident Alexander Turtschinow in Kiew. Er warf den Sicherheitskräften Versagen vor. „Ordnungshüter, die die Ukraine verraten haben und mit den Terroristen zusammenarbeiten, werden zur Verantwortung gezogen.“

Verwirrung in Kiew

Derweil werden die ukrainischen Streitkräfte nach Angaben des Verteidigungsministeriums entgegen einer vorherigen Ankündigung der Regierung doch kein Manöver in der Innenstadt von Kiew abhalten. Alle Soldaten und ihre Ausrüstung befänden sich in ihren zugewiesenen Stellungen und würden keine Übungen in der Hauptstadt abhalten, teilte das Ministerium am Mittwoch mit.

Eineinhalb Stunden zuvor hatte die Regierung auf ihrer Webseite Militärmanöver für die Nacht zum Donnerstag abgekündigt. Zu diesem Widerspruch hieß es in Sicherheitskreisen, die Personenschützer des Präsidenten und führender Regierungsvertreter würden Übungen in der Hauptstadt abhalten.

Am Morgen hatte Übergangspräsident Alexander Turtschinow erklärt, das Militär sei wegen einer Invasionsgefahr in voller Alarmbereitschaft. Es bestehe eine „echte Gefahr“, dass Russland einen Landkrieg gegen die Ukraine führen wolle.

IWF sieht Rezessionsgefahr für Russland

Der Westen beschuldigt Russland, sich einer Umsetzung der Genfer Vereinbarungen, die unter Beteiligung Moskaus ausgehandelt worden waren, zu verweigern und die Krise in der Ukraine anzufachen. Die Europäische Union und die USA hatten daraufhin am Montag eine Ausweitung der bislang verhängten Strafmaßnahmen gegen Russland beschlossen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht wegen der internationalen Sanktionen im Zuge der Ukraine-Krise eine Rezessionsgefahr für Russland. Ein anhaltender Konflikt könne zu zusätzlichen Strafmaßnahmen und einem weiteren Vertrauensverfall führen. Für den Mittwochabend wurde eine Entscheidung im IWF-Exekutivrat über Milliarden-Hilfen für die Ukraine erwartet. Es geht dabei um die Freigabe von geplanten Krediten in Höhe von 14 bis 18 Milliarden Dollar (10 bis 13 Mrd Euro) für die kommenden zwei Jahre.

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14 Kommentare

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  • Allen pro-russischen Kommentatoren empfehle ich mal eine polnische Sicht der Dinge:

    http://www.nytimes.com/2014/04/29/opinion/sierakowski-putins-useful-idiots.html?_r=5

    • @Sondermann:

      Es wird hier immer sehr gerne totgeschlagen, mit der auch von Ihnen hier geführten Verbalwaffe: Alles "pro-russische Kommentatoren"!-- -Gibt es in Ihrer Wahrnehmung eigentlich auch NICHT pro-russische Kommentatoren, die sich einfach nur, über die ihrer Überzeugung nach festgestellte, bigott-hinterlistige Spielart der westlichen Verbündeten empören möchten? (mal unabhängig davon, dass diese Empörung von Ihnen nicht geteilt bzw. nicht nachvollzogen würde)

  • Entscheidend ist doch nicht, ob die gekidnappten Militärs der OSZE angehören oder nicht. Entscheidend ist das Völkerrecht, das solches Kidnapping strikt untersagt.

     

    Simon Ostrovsky, der auch von der Ponomarjow'schen Miliz gekidnappt wurde, interviewt in seinem Video einen führenden Milizionär: https://news.vice.com/articles/i-had-it-pretty-easy-because-i-was-let-go-simon-ostrovsky-on-his-detention-in-sloviansk

    Der bekennt, Kriegsfreiwilliger aus Südrussland (Region Kuban) zu sein. Wie viele seiner Kameraden ebenso. es scheint dort regelrechte Kosakenverbände zu geben, die die Ostukraine infiltrieren. Und dann behauptet Ponomarjow, Russland habe darauf keinen Einfluss? Das finde ich zynisch.

     

    Russland könnte doch ganz einfach seine Kosaken zur Ordnung rufen, wenn es wollte. Alle bärtigen Kriegstreiber heim in Putins Reich? Das scheint wohl nicht gewollt zu sein. Da macht sich der russische UNO-Botschafter Tschurkin doch lieber über die tölpelhaften Soldaten lustig. Ich finde das allerdings nicht komisch.

    • @Sondermann:

      Der nun wieder.--

      Ist bestimmt total glaubwürdig dieses Video eines "einstmals Gekidnappten", der nun auch noch, oh Wunder, oh Wunder, "einen führenden Milizionär als Interviewten" vorweisen kann. Natürlich ohne jeglicherlei inszeniertes Drehbuch-- iss klar, jaja.

      Schon mal davon gehört, dass Zitronenfalter Zitronen falten,-- jezz ma ächt ey??

      • @H.-G- S.:

        Ich habe hohen Respekt vor einem VICE-Journalisten wie Ostrovsky, der sich nicht nur in der Ostukraine, sondern z.B. auch in den israelischen West-Bank-Siedlungen in persönliche Gefahr begibt, um unaufgeklärte Sachverhalte aufzuklären.

    • @Sondermann:

      Es ist mit Händen zu greifen dass sehr viel Energie und Tinte verwendet wird diese Festgehaltenen Militärs als OSZE Beobachter ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.Wider besseres Wissen wird dieser Eindruck verbreitet. Jeder Redakteur jeder Zeitung könnte bei der OSZE erfahren dass die Soldaten kein Mandat der OSZE ausüben. Weshalb also dies Missinformation.

       

      Der Rest ist Propaganda beider Seiten.

      Und eine Falle aus Kiew in die die Militärs gesteckt wurden. Willst du den Wolf fangen braucht es halt den richtigen Köder

    • @Sondermann:

      Überraschung!!!

      Entführungen sind nicht unbedingt vom Völkerrecht untersagt, sondern sind in fast allen mir bekannten Staaten strafbar, wenn sie nicht von einer Staatsmacht gedeckt werden.

      Da ja die entführten Soldaten offenbar nicht Mitglied einer internationalen Organisation wie der OSZE waren, hat hier sogar das Völkerrecht gar nix damit zu tun. Maximal könnte man die Ukraine wegen dem Völkerrecht verurteilen, weil sie offenbar nichts unternimmt, die Menschen frei zu bekommen.

       

      Und noch eine Überraschung:

      Ob irgendjemand der Milzen aus Südrußland oder sonstwo her kommt, hat wenig damit zu tun, ob die Regierung des Staates, dem er angehört, auf ihn Einfluß ausübt.

      Wenn ich hier von einigen Migranten belästigt würde auf der Straße, würde ich auch nicht direkt behaupten, sie seien von Erdogan oder sonstwem geschickt worden. Und wenn ich jetzt z.B. mit einigen Freunden in die Niederlande fahren würde und einen Coffeeshop überfallen würde, dann wäre es auch unlogisch, Frau Merkel zu unterstellen, dass sie darauf Einfluß hat.

       

      Mir scheint das einzige, was man aus der Situation heraus erkennen kann, dies zu sein, dass die ukrainische Regierung in Kiew überhaupt keine Gewalt mehr über die Ostukraine besitzt und der ganze Staat auf eine Art neues Somalia zusteuert.

       

      Gut gemacht, Maidan-Demonstranten. War es das, was Ihr wolltet?

      • @Age Krüger:

        Ihre Antwort finde ich, ehrlich gesagt, zynisch. Weil die Militärs angeblich keine OSZE-Offiziellen seien, steht ihnen auch keinerlei Schutz zu? Wollen Sie damit sagen, die sind schlichtweg vogelfrei?

        Den Vergleich mit den Migranten finde ich absolut unpassend. Eher wäre der Vergleich mit der Hamburger Al-Kaida-Terrorzelle passend. Da kam ja auch zurecht der Vorwurf der Fernsteuerung. Was sagen Sie denn zu dem GRU-Obristen, der in der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" das Militärkommando hat? Ist das auch nur ein lästiger Migrant?

    • @Sondermann:

      Es ist mit Händen zu greifen dass sehr viel Energie und Tinte verwendet wird diese festgehaltenen Militärs als OSZE Beobachter ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.Wider besseres Wissen wird dieser Eindruck verbreitet. Jeder Redakteur jeder Zeitung könnte bei der OSZE erfahren dass die Soldaten kein Mandat der OSZE ausüben. Weshalb also diese Missinformation?

       

      Der Rest ist Propaganda beider Seiten.

      Und eine Falle aus Kiew in die die Militärs gesteckt wurden. Willst du den Wolf fangen braucht es halt den richtigen Köder

  • Das sind keine OSZE Militärbeobachter. Das Wiener Dokument eröffnet Staaten die Möglichkeit bilateral Besucher einzuladen die Vertrauensbildend die Entscheidungsträger des Einladenden und des Entsenders unterstützen

    Das sind Militärs die von der Regierung in Kiew ins Frontgebiet geschickt wurden um die Ukraine Krise im Sinne von Kiew zu eskalieren.

    Die Männer der Bundeswehr waren in einen bilateralen Auftrag geschickt worden. Die Deutschen kommen von der Truppe Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw).

    Die haben die Aufgabe auf Einladung bilateral Abrüstung zu beobachten und Vertrauensbildend zu wirken. Vom Herumfahren in Bürgerkriegsgebieten ist nicht die Rede. Und auch nicht davon dass der Gastgeber die Soldaten in ein Gebiet schickt das nicht unter Kontrolle Kiews steht.

    Angesichts der Tatsache dass Kiew die Soldaten ins offene Bürgerkriegs-Messer laufen ließ wäre eine Einbestellung des Ukrainischen Kiewer Botschafter die normale Reaktion von Berlin. Dass dies so nicht erfolgte läßt schlimmes vermuten.

     

    Oberst Schneider Kommandoführer sagte während seiner Inspektion in einem Interview des Bayrischen Rundfunks -eine solche Mission in früherer Zeiten wäre ihm nicht bekannt -

    • @conny loggo:

      Danke für die Aufklärung!

      Ist zu hoffen, das alle die direkt involvierten diese verwirrende Situation mit Humor und friedlicher Vernunft auf die Reihe kriegen...

      Es geht ja zuletzt um das Wohl der ukrainischen Bevölkerung sonstwelchen nationalen Ursprungs!

      ...nicht zu vergessen, dass diese Kiew´er Tragikkomödie, -mit Putsch und ermordeten - eine creation von USA/NATO und EU neroliberalen Machtinteressen ist...

      All diese `PropagandaNebel´ in dieser `Unübersichtlichkeit´ möglicher Eskalation sollten/werden irgend friedlicher Klarheit weichen! (hoffe ich..)

    • @conny loggo:

      danke an conny loggo für das Klarstellen dieser manipulativen Berichterstattung!

       

      Es ist eben leider auch die TAZ an der kriegstreibenden Hetze beteiligt, was ich sehr schade finde!

       

      Es kann ja wohl niemand in der redaktion behaupten, er/sie wüsste das nicht.

       

      "Dass dies so nicht erfolgte läßt schlimmes vermuten."

       

      Das lässt sehr Schlimmes vermuten, aber Vorsicht: das ist alles eine neue 'Verschwörungstheorie'!

    • @conny loggo:

      Diese Truppe in der Bundeswehr ist keine die der OSZE angehört oder dieser unterstellt ist. Ist also nicht international aufgestellt wie UN Blauhelme. Die Truppe untersteht dem deutschen Verteidigungsministerium. Also heute direkt Frau Leyen.