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Fernreisen mit der BahnMit dem Nachtzug in den Urlaub

Wer ins europäische Ausland reist, kann auch den Nachtzug nehmen. Weil das immer beliebter wird, baut die Deutsche Bahn ihre Kooperationen aus.

Bequem und immer beliebter: Nachtzüge Foto: Volker Preußer/imago

Der Chef der Deutschen Bahn ist unglücklich damit, wie es in seinem Laden läuft. „Glauben Sie mir, ich leide wie ein Hund“, sagte Richard Lutz bei einer Veranstaltung angesichts ständiger Zugverspätungen und der Überlastung des Schienennetzes. Etlichen Reisenden ist das aber trotzdem noch lieber, als das Chaos an den deutschen Flughäfen. „Immer mehr Menschen nutzen in der aktuellen Lage innerdeutsch die Bahn statt den Flieger“, sagt eine Sprecherin der Deutschen Bahn.

In den schnellen ICE-Sprintern zum Beispiel waren in den vergangenen Wochen 40 Prozent mehr Fahrgäste unterwegs als in der Vor-Coronazeit. Gegenüber ausfallenden Fliegern haben Züge immerhin einen Vorteil: Fällt der eine aus, nehmen Reisende eben den nächsten.

Das gilt zumindest für Inlandsreisen. Aber auch Bahnreisen ins europäische Ausland sind eine Alternative zum Fliegen – denn Reisende können über Nacht im Sitz-, Liege- oder Schlafwagen lange Strecken zurücklegen und kommen – je nach gebuchtem Komfort – mehr oder weniger ausgeruht ans Ziel. Wer sich über den mitunter im Vergleich zu einem Billigflug als hoch empfundenen Preis in einem Schlafwagenabteil ärgert, sollte bedenken, dass damit auch eine Hotelübernachtung gespart wird.

In 10 Stunden nach Stockholm

Die Deutsche Bahn selbst hat zwar keine Nachtzüge mehr, kooperiert aber mit anderen Anbietern. Die Österreichischen Bundesbahnen etwa bieten auch von Deutschland aus zahlreiche Verbindungen an, etwa nach Frankreich, Schweden oder in die Schweiz. Weil die Nachtzüge immer beliebter werden, baut die Deutsche Bahn ihre Kooperation auch mit den Schweizer Bundesbahnen, der französischen SNCF und Nederlandse Spoorwegen aus.

Einfach in den Nachtzug einsteigen geht in der Regel nicht. Die Züge sind reservierungspflichtig. Eine langfristige Planung ist deshalb sinnvoll

Buchbar über die Deutsche Bahn sind auch Reisen mit dem Nachtzug über Bratislava nach Budapest oder Zagreb. Einfach in den Nachtzug einsteigen geht in der Regel nicht. Die Züge sind reservierungspflichtig. Eine langfristige Planung ist deshalb sinnvoll.

Ob Interessierte kurzfristig noch etwas bekommen, hängt vom geplanten Reisedatum ab. „Pauschale Aussagen zu Kapazitäten in den internationalen Zügen und Nachtzügen sind schwierig, hier kommt es auf das konkrete Ziel und vor allem auf den Reisetag an“, sagte die Sprecherin der Deutschen Bahn.

Neben den Staatsbahnen sind eine Reihe von privaten Anbietern in das Geschäft eingestiegen. Greencitytrip aus den Niederlanden fährt etwa von Bad Bentheim nach Göteborg oder von Dortmund nach Prag. Mit Snälltarget geht es in knapp zehneinhalb Stunden von Berlin über Hamburg, Malmö und Kopenhagen nach Stockholm. Das US-Unternehmen RDC hat den Alpen-Sylt-Express mit Nachtzügen von Sylt nach Salzburg oder Basel auf den Schienen, der Urlaubsexpress der Train4you-Unternehmensgruppe fährt von der Schweiz an die Ostsee.

Auf der Internetseite nachtzug-­urlaub.de gibt es nach Angaben von Betreiber Tim Euler eine Übersicht aller­ von Deutschland aus abfahrenden Nachtzüge. „Es gibt auch jetzt noch Tickets, aber man muss gut schauen“, sagte Projektmanager Euler. Wer ein bisschen flexibel sei, habe auch jetzt noch gute Aussichten, eine Fahrkarte zu bekommen, so Euler.

Von der Internetseite aus kommen Interessierte direkt auf die Seiten der Anbieter, bei denen sie dann direkt die Tickets buchen können. Auf der Homepage finden Nut­ze­r:in­nen viele Informationen rund ums Nachtzugfahren, etwa über geplante neue Verbindungen oder Pauschalreisen mit dem Nachtzug.

Mit dem 9-Euro-Ticket innerhalb Deutschlands in den Urlaub zu fahren ist günstig, allerdings zeitaufwendig. Es gilt zwar nur im Nah- und Regionalverkehr, aber mitunter können auch hier relativ lange Strecken ohne Umsteigen zurückgelegt werden. Die etwa 315 Bahnkilometer von München nach Hof dauern allerdings dreieinhalb Stunden, die 295 Kilometer von Lübeck nach Stettin fünf Stunden. Um auch auf sehr stark frequentierten Strecken einen Sitzplatz zu bekommen, ist es sinnvoll, eine Haltestelle vor dem Bahnhof mit dem höchsten erwarteten Andrang einzusteigen.

taz am wochenende

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Wer lieber mit dem Fernzug reisen möchte, sollte nach günstigen Angeboten suchen. Vor allem für Gruppen gibt es erhebliche Rabatte für Inlands-, aber auch Auslandsfahrten. Das Interrail-­Ticket – eine Bahn-Flatrate für ein oder mehrere Länder – ist für Familien interessant, denn pro Erwachsenem können bis zu zwei Kinder bis 12 Jahren kostenlos mitfahren.

Das Ticket gibt es in vielen verschiedenen Varianten für Reisen von wenigen Tagen bis zu drei Monaten. Jugendliche und Senioren bekommen Rabatte. Für Hochgeschwindigkeitszüge und Nachtzüge sind allerdings Reservierungen erforderlich.

Für Radreisende wird das Bahn-Fahren in diesem Sommer mitunter schwierig. Wegen des 9-Euro-Tickets ist vor allem auf den attraktiven Urlaubsstrecken etwa in Richtung Nord- und Ostsee viel los. Deshalb müssen Radreisende damit rechnen, dass sie nicht mitgenommen werden.

Bei Fernreisen ist neben dem Fahrradticket eine Reservierung für den Stellplatz im Zug erforderlich. Allerdings können Reisende ihr Rad auch vorausschicken. Noch bis zum 30. September 2022 bietet die Deutsche Bahn diesen Service für 29,90 Euro statt 49,90 Euro an.

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7 Kommentare

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  • Herr Lutz leidet? Lach.



    Schließlich haben die Vorstände vor Kurzem eine 10%tige Erhöhung der Vorstandsvergütung erhalten.



    Auch können Sie gerne beim Verband der Straßenverkehrsindustrie nachfragen. Diese sind begeistert. Der Bahnvorstand macht einen TOP- Job. Wer braucht schon eine attraktive Bahn werden Sie von dem Straßenverband hören. WETTEN???



    Auch die Luftfahrtindustrie ist begeistert. Schließlich muss Sie, anders als die Bahn, seit 1944 keine Energiesteuern bezahlen, teilweise noch nicht einmal Mehrwertsteuern.



    Nutzer der Bahn bezahlen zusätzlich zu den Trassengebühren auch noch das komplette Programm an Energiesteuern.



    Und jede km Trasse muss bezahlt werden, jeder.



    Egal ob der Zug fährt, parkt oder abgestellt wird.



    Das Gleis zum Gewerbegebiet muss der Nutzer selbst bezahlen.



    Die Straße dorthin zahlt der Steuerzahler.



    Und das diese Schlechterstellungen der Bahn so bleibt, dafür hat sich der Bahnvorstand "erfolgreich" eingesetzt.



    Auch die Grundstücksspekulanten loben den Vorstand der Bahn. (z.B. Stuttgart21. In Lindau konnte das Schlimmste von mutigen Bürgen gerade noch verhindert werden. Hamburg geht auch gerade den Weg der Spekulanten u.s.w.)



    Der Bahnvorstand darf schließlich die 1994 der Bahn geschenkten Grundstücke "vertiggen".



    Mit diesen Gelden lassen sich sich wunderbar Haushaltslöcher stopfen und auch Straßenprojekte finanzieren.



    Die einzigen, welche die Marionetten (Bahnvorstände) der maßgebenden Politiker:innen nicht so nett finden, sind die Kunden der Bahn.



    Aber die waren ja noch nie so wichtig.

    Sicherlich hat es auch mittlerweile moderne Fahrzeuge geben, es gab auch vereinzelte regionale Lichtblicke. Keine Frage.



    Aber das reicht hinten und vorne nicht.



    Also 5 Sterne für den Bahnvorstand von der Straßenverkehrsindustrie, der Luftfahrt und den großen Immobilienspekulanten.



    Ein Stern von den Kunden. Diese hätten aber Bahnvorstände und Aufseher welche mit Leib und Seele zu Ihren Unternehmen stehen, verdient.

  • "Wer sich über den mitunter im Vergleich zu einem Billigflug als hoch empfundenen Preis in einem Schlafwagenabteil ärgert, sollte bedenken, dass damit auch eine Hotelübernachtung gespart wird."



    Das ist wirklich einer der dümmsten Sätze, die man zu diesem Thema leider immer wieder liest. Wer mit dem Flieger in 4h von Berlin nach Rom fliegt, inkl. CheckIn/CheckOut, der hat i.d.R. mehr Zeit, die er in seinem Urlaubsort verbringen kann, im Gegensatz zu 15h reiner Fahrzeit mit der Bahn. Wer allerdings gerne in Zügen übernachtet, um Hotelkosten zu sparen, dem empfehle ich ganz klar eine mehrtägige Reise in einem Traditionszug.



    Wir haben übrigens gestern versucht, ein Zugticket Berlin-Genua auf bahn.de zu erwerben. Ist aus technischen Gründen leider nicht möglich. Vielen Dank also für nichts. Vllt. fliegen wir doch.

    • @AusBerlin:

      Ihr Kommentar ist selbst nicht grad schlau. Dem Klima eins auszuwischen, dafür, dass Sie sich mal an den Schalter begeben müssen, zeugt von einiger Kurzsichtigkeit. Sind Sie denn vor Corona bevorzugt Fernverbindungen mit der Bahn gefahren? Dann wüssten Sie, dass diese wegen des Geiz-ist-geil-Fliegens zunehmend gestrichen wurden. Zudem liesse sich das Ticket in zwei Tranchen wunderbar bequem buchen. Einmal DB Berlin - Zürich, dann Trenitalia Zürich-Genua. Zum Beispiem. Praktisches Denken hilft meistens.

      • @Jo Heller:

        Nein, da bin ich lieber kurzsichtig, bequem und noch zu geizig dazu.



        Das ist übrigens auch einer der dümmsten Sätze dazu.

  • Ich habe fünfzig Jahre bei der Bahn gearbeitet. Im Fahrdienst.



    Das ist jetzt schon der dritte Bahnchef, der wie ein Hund leidet.



    Glaubt mir, für ein Hundertstel seines Einkommens habe ich mehr gelitten.



    Und meine Fahrgäste noch mehr.



    Sie wollen keine funktionierende Bahn, die in Berlin, früher Bonn.



    Das wäre ja eine Alternative zu einem Verkehrsmittel, das Vielen eine Droge, Wenigen viel Gewinn, aber uns allen zum Verhängnis wird.



    Das Auto.



    Toller Artikel, man merkt den Sachverstand. Danke.

  • Ein schöner Artikel!



    Klar, dass die Bahn in dem Land, in dem Meckern Volkssport ist, so ein schlechtes Image hat.



    Für Autos gilt das weniger, obwohl für mich schon betriebliche Fahrten in NRW nur selten ohne Staus auskommen.



    Es ist schon schön, mit dem Zug mitten in der Stadt anzukommen, in die man will. Der entspannte, da nicht selbstfahrende, Blick aus dem Fenster macht den Weg zum Ziel. Ich lese gern im Zug, es kommt mir immer vor wie geschenkte Zeit.



    Meine Oma fuhr noch mit 90 ganz unaufgeregt mit dem Zug.



    Die Pfadfinderreisen mit dem Zug nach Spanien oder Italien waren der Beginn des Abenteuers.



    Nun muss frau in dem Artikel " interrail" erklären.



    Klar ändern sich die Zeiten, doch viele Menschen, die halb so alt sind wie ich, haben bereits einen größeren CO2 Fußabdruck.



    Ich bin zuletzt 1995 geflogen und möchte dennoch behaupten, auch ohne Dreckschleuderbenutzung, noch einiges erlebt und gesehen zu haben.



    Wie im Übrigen mit Hochhäusern auf dem Meer rumdümpeln zu einem "interressanten Urlaub" außerhalb der Heizdeckenbenutzerzielgruppe wurde, ist mir ein Rätsel.



    Tja, liebe Leser, mit freitags blau machen und Biokeksen ist die Welt leider noch nicht ganz gerettet...

    • @Philippo1000:

      "Ein schöner Artikel!"



      Und ein noch schönerer Kommentar von ihnen. Hut ab!