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Fernbahntunnel für Main-MetropoleFrankfurt bald unterirdisch

Die Planung eines unterirdischen Bahnhofs in Frankfurt am Main beginnt​. Angeblich kostet er 3,6 Milliarden Euro – droht ein neues Stuttgart 21?

Frankfurt Hauptbahnhof: das Nadelöhr des Rhein-Main-Gebiets Foto: Marcel Lorenz/imago

Frankfurt am Main taz | Der 1888 als „Centralbahnhof“ eröffnete Frankfurter Hauptbahnhof erhält ein unterirdisches Beiwerk. Unter den 24 Gleisen des Kopfbahnhofs soll in 35 Metern Tiefe ein neuer Fernbahnhof mit vier Gleisen entstehen.

Durch einen 10 Kilometer langen Tunnel in Ost-West-Richtung wird der neue Bahnhof an das europäische Netz des Schienenschnellverkehrs angebunden werden. Nach Angaben der Bahn hat eine Machbarkeitsstudie ergeben, dass ein solcher unterirdischer Fernbahnhof realisiert werden kann. Bahn und Bund rechnen mit Kosten von 3,6 Milliarden Euro – „Stand jetzt“ – und einer reinen Bauzeit von 10 Jahren. Beim umstrittenen Fernbahnprojekt Stuttgart 21 stiegen die Kosten seit der Planungszeit in den 90er Jahren von damals 2,6 Milliarden Euro auf derzeit avisierte 8,2 Milliarden Euro.

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Mit dem Land Hessen, den Städten Frankfurt, Offenbach und Hanau haben sich allerdings bereits bedeutende Player für das Projekt in Frankfurt ausgesprochen, ebenso zahlreiche Verbände und Organisationen. Anders als bei Stuttgart 21 sind in Frankfurt auch Umweltverbände und Klimaschützer wie BUND und ProBahn mit an Bord. Das liegt daran, dass es eine deutliche qualitative Verbesserung für Bahnfahrer bedeutet.

„Nadelöhr“ Rhein-Main-Gebiet

Wer mit dem ICE aus Berlin oder München das Rhein-Main-Gebiet erreicht, erlebt alltäglich das, was Verkehrsstrategen als „Nadelöhr“ bezeichnen. Der Zug zockelt südlich des Mains durch die Stadtgebiete von Hanau, Offenbach und Frankfurt, fährt dann über die westliche Mainbrücke in das riesige Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs ein.

Regelmäßig kommt es dabei zu Staus. Züge müssen warten, weil alle Wege des Fern- und Regionalverkehrs sich in dem Kopfbahnhof kreuzen. Der Bau separater S-Bahn-Gleise und des unterirdischen S-Bahnhofs mit vier Bahnsteigen hat den Engpass zwar bereits entlastet. Von einer dem Fernverkehr vorbehaltenen unterirdischen West-Ost-Achse erwarten die Planer jedoch eine erhebliche Kapazitätssteigerung.

Die Fahrtzeitverkürzung wird mit acht Minuten berechnet. Wichtiger aber ist es, dass für die Fernverkehrszüge der Fahrtrichtungswechsel entfällt und oberirdisch der Regional- und Nahverkehr nicht länger beeinträchtigt wird.

1.250 Züge täglich verkraftet der Bahnhof zur Zeit, bereits in neun Jahren sollen es 1.500 sein. Wegen der bestehenden Engpässe lassen zur Zeit viele Fernverkehrsverbindungen den Frankfurter Hauptbahnhof aus und halten stattdessen ausschließlich am Fernbahnhof Flughafen Frankfurt.

„Großer Wurf für den Bahnverkehr“

Bahnvorstand Ronald Pofalla versprach am Montag bei der Vorstellung des Projekts den zügigen Beginn der Planung. „So befreien wir das Netz von einem chronischen Engpass und steigern die Attraktivität der Schiene“, sagte er. „Das stärkt die Schiene und schützt das Klima“, sagte der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir. Der Grüne sprach von einem „großen Wurf für eine intelligente und umweltgerechte Steuerung und Abwicklung des Bahnverkehrs“.

In der Studie werden einige Streckführungen für die unterirdischen Fernverkehrsgleise verworfen. Der Tunnel muss südlich an den Hochhäusern der Frankfurter City vorbeigeführt werden, weil deren bis zu 50 Meter tiefe Fundamente nicht untertunnelt werden könnten. Im Westen dürfte der Tunnelausgang ähnlich positioniert werden wie der des bestehenden S-Bahn-Tunnels.

Für das östliche Tunnelportal wurde ein Dreieck an der Stadtgrenze zwischen Frankfurt und Offenbach ausgemacht. Die genaue Streckenführung wird nach weiteren Untersuchungen und Erkundungen festgelegt.

Mit einer frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit soll für die Akzeptanz geworben werden. Ein Newsletterservice ist eingerichtet. Die „Öffentliche digitale Live-Veranstaltung“ zur Vorstellung der Machbarkeitsstudie allerdings begann am Montagnachmittag holprig. Der angekündigte Link zur Veranstaltung stand nicht rechtzeitig auf der Homepage.

Gerd-Dietrich Bolte, Bahn-Projektleiter Infrastruktur, stand gleichwohl zwei Stunden lang Rede und Antwort. Er betonte die große Bedeutung eines leistungsfähigen Knoten Frankfurt für den Deutschlandtakt im Fernverkehr, also die regelmäßige verdichtete Bedienung von größeren Bahnhöfen durch die Bahn. Zu einer unterirdischen Lösung gebe es keine Alternative, „wenn man nicht anfangen will, Häuser zu opfern“, sagte er; das komme aber angesichts des angespannten Wohnungsmarkts nicht in Frage.

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16 Kommentare

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  • Bei einer reinen Bauzeit von 10 Jahren ist die Überschrift, dass Frankfurt *bald* unterirdisch ist, ja wohl sehr optimistisch. Wenn jetzt die Planung losgeht, wird frühestens in 8 Jahren mit Baubeginn zu rechnen. Macht mindestens 18 Jahre bis zur Inbetriebnahme. Ich rechne aber eher mit 25 Jahren und mit vier mal höheren Kosten.

  • RS
    Ria Sauter

    Dann warten wir mal ab, wie teuer dieses Projekt wird.

  • Ich weiß, Fahrtrichtungswechsel sind doof. Aber eine einfache Modernisierung sollte ja auch möglich sein. Ja dann wird der Zug halt 9 Minuten später erst in München eintreffen. 15:17 Uhr in München anstatt 15:08 Uhr dank Tunnels in FFM. Solange die Zeiten pünktlich eingehalten werden, alles kein Thema.

    Dazu: Ja, FFM wird ausgelassen und stattdessen wird am Flughafen gehalten. Mit mehr Verbindungen vom Flughafen in die Kernstadt wäre so ein Entlastungsbahnhof aber auch nicht schlecht. Man stelle sich einen Bahnhof vor, der 10km groß ist, und zwischen den einen und anderen Bahnsteigen eine Bahn benutzt werden muss.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Sagt Ihnen der Begriff "Integraler Taktfahrplan" etwas? Zudem ist der Frankfurter Hauptbahnhof komplett zugebaut. Da kriegt man keine zusätzlichen Gleise mehr unter.

      • @Luftfahrer:

        Ja, kenne ich.



        Müssen wir so etwas haben? Nö. Dann warte ich halt 45 Minuten auf den nächsten Zug anstatt 15, und gehe gemütlich zum Essen. Zumal das billige Marketing-Strategie ist, siehe auch den Beitrag von Helmut Fuchs, sowie vermute ich einen neoliberalen Schachzug.

        • @Troll Eulenspiegel:

          Haben Sie meinen Wortbeitrag überhaupt gelesen? Stuttgart 21, Hamburg Diebsteich, 2. Stammstrecke in München und einige andere sind reine Marketing-Märchen.

          Aber das hier ist das erste Projekt seit Jahren, das ein echtes Mehr verspricht.

        • @Troll Eulenspiegel:

          Dreimal umsteigen je 45 min Umsteigezeit und das jeden Tag mit Hin- und Rückfahrt ist also erstrebenswert? Die Abstimmung mit dem Gaspedal ist da eindeutig. Überall, wo ein eng vertakteter Schienenverkehr eingeführt wurde, haben sich die Fahrgastzahlen deutlich erhöht. Der Großversuch Schweiz spricht diesbezüglich ebenfalls eine eindeutige Sprache. Was daran neoliberal sein soll, erschießt sich mir nicht. Im Gegenteil, ein ITF erfordert ein integriertes Unternehmen in Staatshand.

          • @Luftfahrer:

            Bei diesen integralen Taktfahrplänen und dem Ausbau des FFM HBFs und des Zeitgewinns von 8 oder 9 Minuten geht es doch erstmal um den Fernverkehr. Weil sonst wäre das für den Nahverkehr ein zu großer Aufwand, zumal der Nahverkehr mit seinen 10 bis 30-Minuten-Takten sowieso kein Bein ausreißen wird. Wenn ein Takt die Minute :57 vorgibt, dann wird man ja mit S-Bahnen anreisen, die z.B. zu den Minuten :07, :22, :37, :52 ankommen werden. Ups, :52 könnte zu knapp sein, Hirn einschalten, spätestens die Bahn um :37 wird's sein! Oder gerne eine Bahn früher.

            Bleibt also der Fernverkehr: 3x umsteigen à 45 Minuten ist für einen Pendler im Fernverkehr eine doch sehr seltene Erscheinungsform. Und dann noch 3x zurück. Selbst wenn die Umsteigezeiten exakt 0 Minuten betragen, wird er wohl eine so lange Reisezeit alleine Hin haben, dass er andere Verkehrsmittel nehmen wird. Da bringt also auch ein Umbau des FFM HBF nichts.

            Bleiben dann die Gelegenheits-Reisenden: Da ist es eigentlich immernoch Wurst, ob der Reisende sein Ziel in 8h44min oder in 8h57min, wenn der FFM nicht umgebaut wurde oder 9h30min weil wegen des fehlenden Umbaus der Takt nicht mehr stimmt. Wer reist, der macht es ja nicht um irgendeinen Rekord zu brechen oder um unbedingt so schnell wie möglich am Ziel sein zu müssen.

            Dann gibt es noch das Polizeiproblem. Die werden sicherlich unbefugt wieder Wasserwerfer einsetzen, wenn wegen eines Bahnhof, der zum Durchgangsbahnhof konzipiert werden soll (sonst würde eine Modernisierung aus meiner Sicht ja immernoch ausreichen), Kulturgüter und Bäume weichen müssen (ja, soll es auch in einer kapitalisischen Hochburg wie FFM geben), und dagegen protestiert wird. Lasst also den Kopfbahnhof Kopfbahnhof sein, mehr Verbindungen von "draußen" (also Fernbahnhof) nach "drinnen" und alle sind zufrieden. Einfach wie Kassel machen, wo der Großteil der Züge auch außerhalb halten kann. Nur halt mit mehr Verbindungen, weil FFM hat ja viel mehr Einwohner.

            Text verkürzt wegen Zeichenlänge

            • @Troll Eulenspiegel:

              Beim ITF geht es darum, die Anschlüsse grundsätzlich zu verbessern, im Regionalverkehr als auch im Fernverkehr als auch beim Wechsel zwischen diesen. In Metropolen mag das ohne ITF noch akzeptabel sein, aber gehen Sie etwas weiter nach Osten gen Fulda. Da fahren viele Linien nur noch im Stundentakt. Kommt der ICE ein paar Minuten zu spät sind die Regionalzüge weg und der werte Reisende darf fast ne Stunde auf seinen Regionalzug warten. Somit ist es erstrebenswert, die Umsteigezeiten in alle Richtungen möglichst kurz zu halten, um die Reisezeit zu minimieren. Somit müssen die Züge rechtzeitig in Fulda sein. Da zwischen Hanau und Fulda die Fahrtzeit nicht beliebig gedrückt werden kann, muss sie anderswo rausgeholt werden.



              Zu den ach so vernachlässigbaren Umsteigezeiten: bei Fernreisen muss ich oft 3x oder öfter umsteigen, da schlägt die Umsteigezeit ganz saftig ins Gewicht. Und bei FFM Hbf bekommen Sie nichts mehr ausgebaut, da ist kein Platz für zusätzliche Zulaufgleise und Bahnsteige. Die Alternative über FFM Süd erscheint mir durchaus geeignet, um die Fahrtzeiten auf das erforderliche Maß zu kürzen und wäre auch mein Favorit, aber wenn der Fernverkehr trotzdem über FFM Hbf laufen soll, bleiben also nur großflächige Abrisse in Frankfurt oder der Tunnel als Erweiterung.

  • Das Projekt lässt sich mehr mit dem Ausbau des Züricher Hauptbahnhofes (Bahnhofserweiterung) als mit Stuttgart 21 (Bahnhofsum-/rückbau) vergleichen. Angesichts der örtlichen Gegebenheiten bleibt eigentlich nicht viel anderes übrig.

  • Keiner, keiner der aktuell bei der taz arbeitet....auch nicht der 18 jährige Volontär wird die Einweihung dieser Strecke erleben....



    Wir sind Deutschland !!

    Der geplante Ausbau der Bahnstrecke Frankfurt/M-- Fulda läuft seit 25 Jahre....



    Ende offen !

    Nur wenige der aktiven Best Ager* im taz Büro werden die Einweihung dieser wichtigen Bahnstrecke erleben...



    Wir sind Deutschland



    sic !

  • 8 Minuten Fahrzeitverkürzung für 3,6 Mrd (plus, grob geschätzt, 2 Mrd in der Planungsphase und weitere 5 Mrd für Kostensteigerungen in der 10jährigen Bauphase) für ein (10 km) Weiter-so! Aber mit 'grünem' Zement gebaut, wird der Tunnel bis 2030 bestimmt jede Menge CO2 reduzieren und uns helfen "klimaneutral" zu werden. Falls wir parallel ebenso schnell Wind und Sonne ausbauen und der Tunnel (nebst erforderlichen weiteren Baumaßnahmen) nicht mit dem gegenwärtigen Energiemix erbaut wird. Und noch etwas mehr Wind und Sonne bitte, für die bis 2030 angepeilten 10 Mio E-Mobile/Hybride, für die Synthetisierung von Klima-Kerosin und die Produktionsanlagen für Wasserstoff (grün, grau, blau und türkis), die wir ja auch noch für die grüne Chemie, Alu- und Stahlproduktion etc. benötigen.



    Autobahnstilllegungen, Baustopps für Autobahnen, Streichungen von Straßenbauprojekten im Bundesverkehrswegeplan sind nicht geplant, oder die Schließungen von Regionalflughäfen? Na sowas!



    Herzlich Willkommen in der Pippi Langstrumpf Welt für Klimaneutralität!

  • Kleine Anmerkung zum Artikel, die Bahn geht davon aus, dass der Tunnel frühestens 2040 betriebsbereit ist.

    www.hessenschau.de...frankfurt-102.html

    Vielleicht sollte man parallel auch ein paar kleinere Projekte starten, um bis dahin Abhilfe zu starten, ein hochkompetentes Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG wird natürlich ihre Termine halten, aber sicher ist sicher...

    • @Sven Günther:

      Sarcasm? :-)

      Meine eigene Bauchschätzung geht aus von:



      - fertig 2045



      - Kosten 11 Milliarden Euro

      Bin schon gespannt. Falls ich dann noch lebe.

      • @Jalella:

        Sie haben mich erwischt...

  • Wieso man bei einer ERWEITERUNG des Frankfurter Hauptbahnhofs den Vergleich zu Stuttgart 21 überhaupt aufmachen muss, erschließt sich mir nicht.

    "Beim umstrittenen Fernbahnprojekt Stuttgart 21 stiegen die Kosten seit der Planungszeit in den 90er Jahren von damals 2,6 Milliarden Euro auf derzeit avisierte 8,2 Milliarden Euro."

    Da steht schon mal der erste Fehler mit "Fernbahnprojekt". Da geht es um den gesamten Hauptbahnhof, inklusive Regionalverkehr. Und es ging IMMER nur um die frei werdenden Flächen. Alles andere Gerede von Magistrale und Fahrzeitgewinnen und so weiter war immer nur Marketing. Faktisch war Stuttgart 21 ein sehr sehr teurer RÜCKBAU von Kapazitäten, weil Bau- und Immobilienwirtschaft einfach geil auf ein Riesenprojekt und Riesenprofite waren und sind. Um Bahn ging es da nie.

    Und am Anfang sollte das ja gar nichts kosten, weil der Verkauf der Grundstücke den Baupreis ja vollständig ausmachen sollte. Und da war der Bahnhof noch mit 10 statt 8 Gleisen vorgesehen.

    Und dass die Deutsche Bahn AG die Kosten jeden Projekts zurechtlügt (was nicht gewünscht ist, wird teuer gerechnet, Prestigeprojekt billiger) ist zwar auch hier von enormen Preissteigerungen auszugehen, aber:

    Die Erweiterung von Frankfurt ist – im großen Gegensatz zu Stuttgart 21 – sinnvoll. Vergleiche bieten sich da nur für diejenigen an, die sich inhaltlich bisher nicht interessiert zu haben scheinen.