Feministischer Protest in Istanbul: Festnahmen durch Polizei
AktivistInnen in Istanbul schließen sich der weltweiten Performance an und demonstrieren gegen Gewalt gegen Frauen. Die Polizei feuert Tränengas.
Geboten wurde eine Performance, ein rhythmischer Tanz mit Sprechgesang, der enorme Power ausstrahlte. In ihrem Gesang verwahrten die Frauen sich dagegen, dass Männer, Polizisten und Gerichte immer wieder versuchen, ihnen selbst die Schuld für Vergewaltigungen zuzuschieben.
„Es ist nicht meine Schuld, egal, wo ich bin, egal, was ich anhabe, es ist nicht meine Schuld“, klang es über den Platz, „der Vergewaltiger bist du“. Schuld seien auch die Polizei, die Richter und die Präsidenten, die gegen Vergewaltigungen und Frauenmorde nichts unternehmen würden.
Teilnehmerin in Istanbul
Nach einer knappen Viertelstunde hatte der Polizist seine Vorderleute soweit alarmiert, dass ein Trupp Zivilpolizei auf den Platz stürmte und einer Frau, die ein Mikro in der Hand hatte und wohl deshalb als „Anstifterin identifiziert wurde, anschnauzte. Die Performance sei illegal, der Text unzulässig. Doch der Tanz ging weiter. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, riefen die Aktivistinnen. Hunderte Frauen klatschten begeistert.
Mehrere Festnahmen
Als schließlich uniformierte Polizisten auf dem Platz eintrafen, trieben sie mit großen Plastikschildern in der Hand die Frauenformation auseinander. Bald lagen Pfefferspraywolken über der Runde. Auch die Polizeiphalanx begann die Demonstrantinnen auf die Straße zu drängen.
Empfohlener externer Inhalt
Mehrere Frauen wurden festgenommen, darunter auch die Frau, die die Ansagen gemacht hatte. Sie ist die Vorsitzende der Organisation „Wir werden Frauenmorde stoppen“, hieß es später auf Twitter.
Die Idee für die Performance stammt von einem feministischen Kollektiv aus Chile, „Lastesis“, und macht derzeit weltweit Furore. In der Türkei wurde die Idee auch deshalb aufgegriffen, weil es gerade in letzter Zeit wieder zu brutalen Frauenmorden gekommen war, die das ganze Land in Aufruhr versetzt hatten.
Die meisten Frauen ließen sich von der Polizei indes auch wenig beeindrucken. „Natürlich werden wir weitermachen“, sagte eine Teilnehmerin, „dass die mit Tränengas anrücken ist doch immer so“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“