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Feministische Berliner WochenvorschauDie privat erlebte Gewalt ist politisch

Mit roten Schuhen will eine neue Initiative auf jeden Femizid in Berlin reagieren. Aktuell bereiten sie Aktionen in Moabit und in Neukölln vor.

Rote-Schuhe-Aktion zum Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am Rathaus Tiergarten Foto: Sebastian Gollnow / dpa

Berlin taz | Sie sind ein weltweites Symbol für Protest gegen Gewalt geworden: Rote Schuhe, die wie verlassen auf Plätzen oder vor Gebäuden stehen. Die mexikanische Künstlerin Elina Chauvet hatte 2009 in ihrer Installation „Zapatos rojos“ in Ciudad Juarez solche rot eingefärbten Schuhe zum ersten Mal aufgestellt – und es seitdem an vielen anderen Orten wiederholt. Für sie steht jedes Paar Schuhe symbolhaft für einen Femizid, also einen Mord an Frauen, weil sie Frauen sind.

Das Symbol ist so stark, dass Chauvet inzwischen viele Nach­ah­me­r*in­nen gefunden hat, die nun ebenfalls mit roten Schuhen auf Partnerschaftsgewalt aufmerksam machen.

In Berlin kündigt eine Initiative jetzt an, das verstetigen zu wollen: „Wir versammeln uns in Folge eines jeden in Berlin verübten Femizid“, schreibt das Netzwerk, in dem sich vor allem Mit­ar­bei­te­r*in­nen von Berliner Antigewalt-Projekten zusammengefunden haben. Nach jedem Femizid wollen sie rote Schuhe auf die Treppe vor dem Rathaus aufstellen, kündigten sie an. Und zwar jeweils vor dem Rathaus in dem Bezirk, in dem der Täter die Tat begangen hat.

Am Mittwoch will die Initiative an eine Frau erinnern, die die Polizei am 10. April leblos auf dem Beifahrersitz eines Autos in Moabit gefunden hatte. Die Polizei verdächtigt den 49-jährigen Fahrer, sie getötet zu haben. Für 12 Uhr rufen die Aktiven zum Protest und Erinnern vor dem Rathaus Moabit auf.

Das nächste Gedenken: Britz

Die nächste Aktion des Bündnisses zeichnet sich bereits ab: Das Gedenken an eine 37-jährige Frau, die am 17. April in Britz schwer verletzt im Hausflur gefunden wurde und kurze Zeit später starb. Die Polizei nahm ihren Ex-Partner als tatverdächtig fest. Es war ihm untersagt gewesen, sich der Frau und ihrem Haus zu nähern.

„Wir sind fassungslos“, schreiben die Mitglieder der Initiative angesichts dieser weiteren Femizide in ihrem Aufruf. Am 7. Mai wollen sie vor dem Rathaus Neukölln rote Schuhe aufstellen. „StoP Neukölln“, ein nachbarschaftliches Präventionsprojekt für „Stadtteile ohne Partnergewalt“, will Beiträge für die Aktion bei ihrem kommenden, monatlichen Kieztreffen am Dienstagabend ab 17 Uhr in der Emser Straße 15 planen.

Für die Rote-Schuhe-Initiative geht damit ein geradezu tödlicher April zu Ende. Begonnen hatten sie mit ihrer ersten Aktion Mitte des Monats in Spandau. Dort war am 3. April eine 56-jährige Frau tot in ihrer Wohnung gefunden worden. Tatverdächtig ist ein 60-jähriger Mann, der auch ihr Lebenspartner war.

Die Initiative hatte zu einer Kundgebung vor dem Spandauer Rathaus aufgerufen und dort rote Schuhe, Blumen, Kerzen und Forderungen aufgestellt. Ihre Hoffnung ist, die Gewalt damit herausholen zu können aus dem Verborgenen, raus aus der Privatsphäre. Sie wollen die Struktur hinter dem Frauenhass aufzeigen – dass dies keine Einzelfälle sind, für die Betroffene individuelle Lösungen finden müssen.

Und sie fordern von der Politik, diese Strukturen anzugehen und Femizide zu verhindern. Damit aufgestellte rote Schuhe in der Zukunft aus dem öffentlichen Raum wieder verschwinden können.

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3 Kommentare

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  • "Sie wollen die Struktur hinter dem Frauenhass aufzeigen – dass dies keine Einzelfälle sind, für die Betroffene individuelle Lösungen finden müssen."

    Mir hilft diese Kunstaktion nicht weiter, eine Struktur zu erkennen.

    Die ZEIT hat vor kurzem eine Liste aller Partnerschaftstötungen aus 2024 mit Kurzbeschreibung veröffentlicht.

    Mich überraschte, wieviele Senioren dabei waren.

    In dem Fall eines Mannes, der seine pflegebedürftige Ehefrau und anschließend sich selbst umbringt und in dem Fall eines 20Jährigen, der aus gekränkter Eitelkeit seine Exfreundin tötet, dieselbe Struktur in im Tatmotiv zu erkennen, gelingt mir nicht richtig.

    Liegen die gestiegenen Fallzahlen eventuell daran, dass in der Prävention zu wenig differenziert wird?

    • @rero:

      Ich glaube das Problem fängt damit an, dass Aktivist:innen zwar gut gemeint etwas gegen Femizide unternehmen möchten, aber die Umsetzung häufig viel zu indifferent und unterkomplex erfolgt.

      Der Mord an einer Frau* kann ein Femizid sein, wenn er dezidiert aufgrund ihres Geschlechts/Frauseins erfolgt, er kann aber nicht per se mit der Tötung bzw. dem Mord an einer Frau* gleichgesetzt werden. Wenn jemand z.B. aus Habgier tötet, um an das Geld einer vermögenden Frau zu kommen, ist das - qua Definition - kein Femizid. Das Problem innerhalb des aktuellen Diskurses liegt aber mMn. an der häufig stattfindenden Gleichsetzung von Tötung = Mord = Femizid, was der komplexen Situation innerhalb einer rechtlichen Bewertung nicht gerecht wird. D.h. am Ende eines Verfahrens kann herauskommen, dass es sich um einen Femizid gehandelt hat, es kann, darf und sollte aber nicht vorausgesetzt werden, weil damit bereits das Urteil gefällt ist und der Fall durch eine spezifische Schablone gepresst wird.

      So erklärt sich für mich dann auch, warum derart disparate Fälle unter dem gleichen Label laufen.

    • @rero:

      "Liegen die gestiegenen Fallzahlen eventuell daran, dass in der Prävention zu wenig differenziert wird?"



      Solange es für den Begriff Femizid keine eindeutige Definition gibt, auf die sich jeder geeinigt hat, wird es bei der Unklarheit bleiben.



      Hie und da entsteht der Eindruck, dass das auch so gewünscht ist.