Feminismus bei Trans-Kämpfen: Selbstverständlich unsere Sache
Die Bewegung für geschlechtliche Selbstbestimmung ist Teil des Feminismus. Es geht ihr um dieselben Anliegen. Körperliche Integrität zum Beispiel.
W as macht mich zu einer Frau? Ist es meine Gebärmutter? Oder die Tatsache, dass ich zwei Kinder auf die Welt gebracht habe? Sind es meine Fingernägel, die ich gern rot lackiere, oder meine Röcke? Ist es meine Erfahrung mit geschlechtsspezifischer Diskriminierung und sexueller Belästigung?
Macht mich zu einer Frau, dass ich in meinem Haushalt für die Wäsche zuständig bin? Oder ist es mein Wissen darüber, wie abhängig eine Person von staatlicher Willkür sein kann – etwa, wenn sie abtreiben möchte oder eine gewalttätige Ehe beenden? Macht mich mein Begehren zur Frau oder das Begehren anderer? Oder mein Name, mein Körper, meine Chromosomen, mein Habitus?
Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger Antworten habe ich. Gesellschaftlich gesehen ist die Antwort ohnehin irrelevant. Denn wichtiger ist die Frage, weshalb ich im Gegensatz zu anderen Menschen gefährdeter oder weniger selbstbestimmt leben muss. Die Frage, warum gesellschaftliche Verhältnisse dazu führen, dass manche Menschen für die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt werden oder häufiger von häuslicher Gewalt betroffen sind.
Diese Verhältnisse zu benennen und zu überwinden, ist zentrales Anliegen des Feminismus, der verschiedene Vorstellungen umfassen kann, aber als Bewegung doch immer die Emanzipation zum Ziel haben sollte. Nun wird aber seit geraumer Zeit feministisches Vokabular gerade nicht zur Offenlegung und Bekämpfung von Diskriminierung, Pathologisierung und Entmündigung genutzt, sondern zu deren Verstärkung. Anlass ist das von der neuen Bundesregierung angekündigte Selbstbestimmungsgesetz, welches das in Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen soll.
Ein Erfolg für den Feminismus
Dieses TSG ist lange veraltet, weil es pathologisiert und demütigt. Es geht da keineswegs um Kleinigkeiten. Noch bis 2008 wurden Menschen zur Annullierung ihrer Ehe gezwungen und bis 2011 zur Sterilisation – weil sie ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag ändern wollten. Beides unzumutbare Eingriffe in die Freiheit und körperliche Integrität von Individuen, die heute noch auf Kompensation warten. Die Überarbeitung des TSG drängt seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Untätig blieb dagegen die Politik, die lieber zusah, wie das Bundesverfassungsgericht das bestehende Gesetz nach und nach auseinandernahm. Der Journalist und Jurist Ronen Steinke beschrieb es in der Süddeutschen Zeitung einmal wie folgt: „Siebenmal nahmen es Betroffene auf sich, ihre Probleme mit den Hürden durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht zu tragen. Siebenmal antwortete das Bundesverfassungsgericht schulterzuckend, dass sich für die jeweilige Hürde in der Tat keine vernünftige Rechtfertigung finden lasse.“ Der Einsatz von trans Menschen und nicht-binären Personen war hier entscheidend. Dass mittlerweile ein Selbstbestimmungsgesetz angekündigt ist, ist ihr Verdienst.
Man könnte meinen, man hätte es hier mit einem Erfolg für den Feminismus als Ganzem zu tun – dessen Forderung ja immer war, Menschen nicht aufgrund ihrer körperlichen Merkmale zu kategorisieren und zu bevormunden. Dennoch kommt die scharfe Abwehr gegen das Selbstbestimmungsgesetz auch von solchen Personen und Organen, die sich als feministisch begreifen. Zuletzt auch während der Vorbereitungen zum feministischen Kampftag, die teils überschattet waren von Desinformation zum Selbstbestimmungsgesetz – auch von vermeintlich feministischer Seite.
Was hält manche davon ab, die geschlechtliche Selbstbestimmungsbewegung als Teil des Feminismus zu begreifen? Eine Erklärung liegt in einer irrigen Vorstellung davon, was der Feminismus selbst sein kann. Die Philosophin Amia Srinivasan hat dies in einem Instagram-Talk mit der Autorin und Journalistin Teresa Bücker anlässlich der deutschen Veröffentlichung ihres Buches „Das Recht auf Sex“ sehr eindrücklich erklärt: Die Erfahrung, als Frau ständig Situationen ausgeliefert zu sein, in denen man sich nicht sicher und aufgehoben fühle, führe zu einem Bedürfnis nach sicheren, homogenen Räumen, in denen alle die gleichen Probleme und Anliegen teilten.
Diese „berauschende Gleichheit“, wie Srinivasan es nennt, kann ein bestärkendes und befreiendes Potenzial bergen. Doch wenn dieses Bedürfnis als politisches Instrument gegen andere Menschen eingesetzt wird, die sich in der Mehrheitsgesellschaft ebenfalls weder sicher noch aufgehoben fühlen, wird es zu einer Machtdemonstration, die zu Ausschluss und Diskriminierung führt. In ihrem Buch resümiert Srinivasan deshalb: „Ein Feminismus, der als Zuhause betrachtet wird, betont das Gemeinsame, ehe es erreicht wurde, und schiebt all jene beiseite, die das heimelige Idyll stören könnten. Eine wirklich inkludierende Politik ist eine unbequeme Politik ohne Geborgenheit.“
Gefängnis Geschlecht
Nun führen jene, die sich im Namen des Feminismus gegen das Selbstbestimmungsgesetz aussprechen, zweierlei Behauptungen ins Feld: Zum einen seien Frauen und Kinder bedroht, zum anderen seien trans Menschen selbst bedroht. Beides beruht darauf, dass trans Menschen nicht als trans Menschen wahrgenommen werden, sondern als Angehörige ihres zugewiesenen Geschlechts. Was sie selbst fühlen und sagen, wird als krankhaft und verwirrt dargestellt, wissenschaftliche Erkenntnisse als abwegig abgetan.
Bittere Konsequenz ist, dass das zugewiesene Geschlecht zum biologischen Gefängnis gemacht wird. Zu einem Gefängnis, aus dem der Feminismus doch eigentlich herausführen wollte. Und auch bitter, dass heute im Namen des Feminismus und zum vermeintlichen Schutz der Frau eine androzentrische Medizin verteidigt und der Staat als Kontrollinstanz beschworen wird.
In der Dokumentation „Ab heute“, die aus Interviews mit trans und nicht-binären Menschen besteht, sagt der Psychotherapeut Hagen Löwenberg, der seit dreißig Jahren therapeutisch mit trans Menschen arbeitet und der fast 600 TSG-Gutachten erstellt hat: Er glaube nicht, dass es diese Gutachten brauche. Löwenberg findet, hinter der Abwehr gegen das Selbstbestimmungsgesetz stünden in erster Linie nicht etwa medizinische Bedenken, sondern politische Motive. Dies führe dazu, dass Themen debattiert würden, die „gar nicht existieren“ und „Kinder vor etwas geschützt werden, wodurch sie gar nicht bedroht sind.“ Wie dringlich erscheint da die Frage des spanischen Philosophen Paul B. Preciado: „Wer tritt ein für die Rechte des Kindes, das anders ist?“
Doch wohl hoffentlich der Feminismus?
Es geht nicht darum, Geschlechter abzuschaffen, sondern endlich gelebte Realitäten anzuerkennen – auch sozial und juristisch. In den Anliegen und Kämpfen von queeren Menschen steckt keine Bedrohung, sondern ein Weg zu einer gerechteren Gesellschaft für alle.
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