Fazit zum Treffen der G7-Staaten: Dennoch zu wenig
Trump weg, Corona fast weg – das G7-Treffen hätte toll werden können. Doch die Staats- und Regierungschefs haben inhaltlich versagt. Was zudem fehlte: die Proteste.
W as haben wir früher über die ständigen Gipfeltreffen gelästert, bei denen die immer gleichen Köpfe die immer gleichen Sätze über die immer noch ungelösten Probleme von sich gaben: Klima, Armut, globale Ungerechtigkeit. Gerade die G7-Gipfel waren eine Zumutung. Dann kam Donald Trump, und dann die Pandemie. Der eine sorgte dafür, dass Worte nichts mehr wert waren, die andere dafür, dass nicht mehr miteinander gesprochen, sondern nur noch verkündet wurde. Merkel, Macron, Johnson und die anderen wurden bei den virtuellen Gipfeln via Zoom zuletzt konsequenterweise voraufgezeichnet. Ob sich das andere StaatschefInnen wirklich angehört haben? Wohl kaum.
Jetzt also endlich wieder ein realer Gipfel; das Strahlen in den Gesichtern der Regierenden wirkt ausnahmsweise echt. Mit Trump und Covid-19 sind gleich zwei Geißeln überwunden, zumindest vorläufig. Und das ist die gute Nachricht: Das globale Gespräch ist wieder im Gang. Im persönlichen Miteinander entsteht ein Gefühl dafür, was möglich ist, vielleicht ja sogar die eine oder andere gute Idee.
Doch trotz berechtigter Freude darüber, dass Joe Biden nicht sein Vorgänger ist: Inhaltlich haben die G7 in Cornwall weitgehend versagt. Statt globaler Gerechtigkeit in der Pandemiebekämpfung ein Versprechen von zu wenig Impfstoff in der zu weit entfernten Zukunft; statt konkreter Klimapläne eine Taskforce für unbestimmtes grünes Wachstum in Entwicklungsländern; immerhin ausdrückliche Kritik an den Menschenrechtsverletzungen im chinesischen Xinjiang. Dennoch: Das ist zu wenig.
Und es zeigt: Wenn der Multilateralismus jetzt wieder zurückkehrt, dann darf er nicht so exklusiv und abgehoben sein wie früher. Schon gar nicht dürfen Gipfel zusätzlich abgeschottet werden, begründet etwa mit Ansteckungsgefahr in Zeiten der Pandemie. Regierende dürfen sich bei ihren Gipfeltreffen auch künftig nicht zu wohl fühlen. Dafür gibt es die Zivilgesellschaft, die ein unverzichtbarer Teil des Multilateralismus ist und mehr Einfluss bekommen muss. Nach anderthalb Jahren im virtuellen Schneckenhaus müssen die Mächtigen dieser Welt sich wieder abweichenden Meinungen stellen.
Endlich wieder Gipfeltreffen, das muss auch heißen: Endlich wieder Raum für Kritik und Druck der Öffentlichkeit. Zu Gipfeln gehören Proteste, Demos und Einmischung aller Art. Andernfalls wäre mit der an sich erfreulichen Rückkehr des Multilateralismus nichts gewonnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“