Fast-Absteiger Hertha BSC: Große Klappe, nüscht dahinter

Wir sind so verdammt bescheiden. Wir freuen uns, wenn Hertha BSC nicht absteigt. Und wenn wir den Klimaschutz planen, der seit 1995 versprochen wird.

Maskottchen mit Fußballtrikot.

Statt Champions League gehts immer nur gegen den Abstieg: Maskottchen Hertinho Foto: Tilo Wiedensohler/Camer4/imago

BERLIN taz | Vom Balkon unserer Nachbarn wehten am letzten Wochenende zwei große blau-weiße Fahnen. Um uns herum Seufzer der Erleichterung: Uff, noch mal Glück gehabt. Hertha BSC hatte den Abstieg aus der Fußball-Bundesliga verhindert.

Ick bin een Balina, aber kein Hertha-Fan. Allerdings repräsentiert niemand meine Heimatstadt so gut wie Hertha BSC: Große Klappe, nüscht dahinter. Die Fußballer schwadronieren von Champions League und liefern Abstiegskrampf. Berlin träumt von Weltstadt und bleibt im piefigen Kiez-Klein-Klein stecken. Bei beiden heißt der Gipfel der Begeisterung: Da kannste nich meckern, wa!

Wir schlichten Gemüter sind genügsam: Die letzte deutsche Meisterschaft errang die alte Dame Hertha 1931, da war Berlin noch Metropole. Inzwischen haben wir uns in der „Hauptstadt“ an Tiefflieger aller Art gewöhnt. Berliner Scheißejal-Haltung und Brandenburger Bräsigkeit prägen inzwischen auch den Bund.

Das zeigt sich besonders am Jubel über den Klimaschutz, den die Bundesregierung nun in der 87. Minute ihrer Amtszeit für sich entdeckt hat. Ja, das neue Klimaschutzgesetz, das viele Geld für CO2-Reduzierung, die geplanten Maßnahmen und das Urteil des Verfassungsgerichts sind ziemlich knorke.

Das Hertha-Syndrom: Dankbar für unterirdische Leistung

Aber sie zeigen eigentlich nur das Hertha-BSC-Syndrom: Das Spiel war über zwei Halbzeiten so unterirdisch, dass wir uns sogar über ein Unentschieden nach unverdientem Elfmeter freuen.

Die Trainerin durfte uns 16 Spielzeiten lang von Not zu Elend führen. Die Sponsoren (äh, wir SteuerzahlerInnen) pumpten sehr viel Geld in schöne Pläne, das Niveau stürzte ab auf unteres Mittelfeld. Fouls gab es nur gegen die Erneuerbaren, die „Blutgrätsche gegen die Braunkohle“ dagegen wurde von der Co-Trainerin (SPD) verboten.

Gute Leute liefen sich warm, wurden aber nicht eingewechselt. Ansonsten: Schlechte Stimmung, Eigenlob und Eigentore, das Publikum wandte sich mit Grausen ab. Das einzig Positive: Endlich ist Gazprom abgestiegen.

Nun hat die alte Dame das Schlimmste gerade noch verhindert. Das Stadion tobt, weil wir endlich tun wollen, was wir seit 1995 versprechen: ernsthaft trainieren, unsere Diät umstellen, die richtigen SpielerInnen einkaufen, ein Team formen, das die Fans begeistert, eine Trainerin mit Vision auf die Bank setzen.

Wir müssen dafür ein paar Abseitsregeln ändern und viele Bälle gleichzeitig in der Luft halten, die Meisterschaft können wir allerdings vergessen.

Aber es wäre ja schon viel gewonnen, wenn „Tor des Jahres“ wieder eine sportliche Höchstleistung bezeichnet. Und nicht einen Bundesverkehrsminister.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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