Fantasy-Film „The Great Wall“: Die Monster hinter der Mauer
Der Film „The Great Wall“ ist nicht überragend, bietet aber solide Action: Statt vermeintlich tiefsinniger Dialoge wird Zeug in die Luft gesprengt.
William Garin und Pero Tovar, zwei versprengte Glückssucher, im Niemandsland des chinesischen Nordostens auf der Flucht vor feindlichen Reitern: Als die Reiter zu einem erneuten Angriff ansetzen, treiben die beiden ihre Pferde an, um ihren Angreifern auf einer nahegelegenen Hochebene entgegenzutreten. Doch nur wenige Meter weiter sehen sie sich mit einem Mal einer gigantischen Mauer gegenüber – vor und auf der Mauer Soldaten, die Waffen bereit. Eines muss man dem chinesischen Regisseur Zhang Yimou lassen – den Schauplatz seines neusten Filmes, „The Great Wall“ weiß er zu inszenieren.
Die Mauer vor sich, die Reiter im Rücken, ergeben sich die beiden Glückssucher den Soldaten. Dann werden sie ins Innere der Befestigungsanlage geführt. Truppen marschieren, Boten eilen, Offiziere beraten. Gekonnt choreografiert Zhang ein Labyrinth aus Armeeeinheiten in prächtigen farbigen Rüstungen, das auf die beiden Ankömmlinge mindestens ebenso viel Eindruck macht wie die Mauer selbst.
Schrecken unter den Offizieren der chinesischen Armee erweckt die Hand eines reptilienartigen Lebewesens, das William und Pero in der Nacht zuvor angefallen hat, in Williams Gepäck.
Kurz darauf werden William und Pero Zeugen eines Angriffs einer ganzen Armee dieser monsterartigen Wesen auf die Mauer und der Verteidigungstaktik der chinesischen Armee auf der Mauer. Riesige Katapulte schleudern Brandsätze, Pfeile und Speere werden auf die Angreifer geschleudert. William und Pero hat die Suche nach Schwarzpulver bis an die Große Mauer geführt. Die beiden treffen auf der Mauer einen weiteren Europäer, der wie sie nach China gekommen ist, um das Geheimnis des Schwarzpulvers zu lüften. Gemeinsam beginnen die drei Fluchtpläne zu schmieden. Doch für William wird der Kampf gegen die Ungeheuer immer mehr zu seinem eigenen Kampf.
Produktionen für den chinesischen Markt
„The Great Wall“ ist ein schnörkelloser Fantasy-Action-Film, bei dem die bisweilen leicht holprige Geschichte deutlich hinter dem Feuerwerk der Effekte und der Choreografie der Massen zurücktritt. Entstanden ist der Film als chinesisch-amerikanische Koproduktion. Die Reihenfolge der Produktionsländer ist dabei von Bedeutung: Produziert wurde der Film von der Firma Legendary Entertainment. Sie sollte es ursprünglich amerikanischen Studios erleichtern, Filme für den chinesischen Markt zu produzieren.
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Trailer "The Great Wall"
Im Sommer des vergangenen Jahres wurde die Firma jedoch vom chinesischen Unterhaltungskonzern Wanda Group aufgekauft. China hat die USA nicht nur in der Anzahl der Leinwände längst eingeholt, sondern hat auch hinsichtlich der Firmenbeteiligungen den Spieß umgedreht.
Aus der Liste bisheriger Produktionen von Legendary fällt „The Great Wall“ gleich in doppelter Hinsicht heraus. Einerseits waren alle Filme bisher amerikanische Produktionen, die höchstens Zugeständnisse an den chinesischen Markt machten, was das Product-Placement oder die Wahl der Schauspieler anging; andererseits entstanden alle Filme von Legendary bislang unter amerikanischen Regisseuren (und soweit die Produktionsplanung bereits publik ist, werden auch alle Filme nach „The Great Wall“ wieder von amerikanischen Regisseuren gedreht).
Dabei hätte „The Great Wall“ durchaus das Zeug dazu, als Türöffner für den amerikanischen und europäischen Markt zu funktionieren. Genrefilme aus China und Hongkong finden nur selten den Weg auf den europäischen Verleihmarkt, was weniger mit Sehgewohnheiten als mit getrennten Starsystemen und Vermarktungsstrukturen zu tun haben dürfte.
Die fünfte Generation
Dafür, dass dies bei „The Great Wall“ anders ist, dürfte neben der Produktionsfirma die Wahl des Regisseurs von zentraler Bedeutung sein: Zhang Yimou gehört zur sogenannten fünften Generation chinesischer Filmemacher, die das chinesische Kino in den 1980er Jahren nach der Kulturrevolution zurückbrachten auf die Weltbühne. Zhangs Regiedebüt „Rotes Kornfeld“ gewann 1988 den Goldenen Bären auf der Berlinale, bis in die 1990er Jahre folgte Festivalerfolg auf Festivalerfolg, mit Filmen wie „Rote Laterne“ oder „Leben!“. In dieser Zeit hielten sich Zhangs Filme in deutlicher Distanz zu den offiziellen Politikvorstellungen der kommunistischen Partei in China.
Anfang der 2000er Jahre wandte sich Zhang mit „Hero“ (2002), „House of Flying Daggers“ (2004) und „Curse of the Golden Flower“ (2006) dem Genre der wuxia – der Schwertkampffilme – zu. Just zu dieser Zeit wurde Zhang gleich zweimal mit der Gestaltung offizieller Events beauftragt. 2004 bei den Olympischen Spielen von Athen und deutlich prominenter bei den Olympischen Sommerspielen 2008 in China, für die Zhang die Eröffnungs- und Abschlusszeremonie gestaltete.
Zhang Yimou ist also – auch wenn die Produktion von „The Great Wall“ schon vor der Übernahme von Legendary durch die Wanda Group begann – ein idealer Regisseur, wenn es darum geht, einen chinesischen Film auch für den Weltmarkt attraktiv zu machen. Kaum ein chinesischer Regisseur verbindet kulturelles Ansehen im Ausland so sehr mit politisch konformen Großprojekten. Eines der zentralen Genres chinesischer Selbstbestätigung sind Filme, die in der Kaiserzeit (vorzugsweise zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert) spielen. Auch „The Great Wall“ ist voll von Bildern imperialer Überwältigung wie in den eingangs zitierten Aufmärschen und Truppenbewegungen auf der Mauer.
Doch der chinesische Einfluss in „The Great Wall“ hat auch progressive Seiten: So ist die klassische chinesische Literatur voll von weiblichen Kriegerinnen, und auch in „The Great Wall“ gibt es eine ganze Einheit von Soldatinnen, die sich, an Seilen befestigt, mit Speeren auf die angreifenden Monster herunterstürzt. Die Anführerin dieser Einheit wird schließlich sogar Oberbefehlshaberin über die Truppen auf der Mauer. Die großen US-Studios mögen sich aus Marktforschungsgründen in letzter Zeit vermehrt um Diversität unter den Held*innen ihrer Actionfilme bemühen – von der Selbstverständlichkeit von Heldinnen im chinesischen Kino sind sie noch weit entfernt.
Lieber etwas in die Luft jagen
Für das Drehbuch zeichnen gleich vier Autoren verantwortlich: Marshall Herskovitz, der sich vor allem als Produzent einen Namen gemacht hat; Max Brooks, der als Autor von „World War Z“ (und der derzeit geplanten Fortsetzung) nicht unbedingt für Qualität bürgt; der Autor der Bourne-Filme, Tony Gilroy; und schließlich Edward Zwick, der ursprünglich als Regisseur vorgesehen war. Mit Blick auf die dennoch holprige Erzählung fragt man sich, was die vier Autoren wohl während der Produktion gemacht haben.
„The Great Wall“. Regie: Zhang Yimou. Mit Matt Damon, Jing Tian u. a. China/USA 2016, 103 Min.
„The Great Wall“ ist kein überragender Film, eher verlässliches Actionhandwerk. Die Fokussierung auf die Handlung, der Verzicht auf überflüssige Schnörkel und eine psychologische Grundierung der Rollen können als Beschränkung wahrgenommen werden. Gerade sie sind jedoch die Stärke des Films. Hinzu kommt: „The Great Wall“ gibt nie vor, etwas anderes zu sein, als er ist.
US-Action- und Superheldenfilme versuchen ihre Ödnis zunehmend mit scheinbar tiefschürfenden Bedenkenträgereien zu kaschieren. Und geben sich so den Anschein, mehr als eine Aneinanderreihung von Explosionen, Verfolgungsjagden und Kämpfen zu sein. Bei Zhang wird immer dann, wenn solche Passagen anklingen, lieber mal was in die Luft gejagt, oder es werden ein paar Ungeheuer gemeuchelt. Das hat was.
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