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Fankultur Vor dem Nordderby gegen den HSV spricht die Bremer Fanbetreuerin Julia Düvelsdorf über Gewalt, Pyrotechnik und Frauen in den deutschen Ultraszenen„Männlichkeit und Mackertum“

Scheiß-HSV geht immer: Ein Bremer Fan bringt sich gegen Dortmund schon mal in Derbystimmung. Und Sonnenbrille muss Foto: Imago

Interview Moritz Förster

taz: Frau Düvelsdorf, vor den vergangenen beiden Derbys wurden Werder-Fans auf dem Weg nach Hamburg von der Polizei abgefangen und nach Bremen zurückgeschickt, weil Pyrotechnik und Sturmhauben an Bord waren. Haben Sie Angst vor dem Nordderby?

Nein, wir arbeiten solche Vorfälle auf und versuchen, Lösungswege zu finden. Solche polizeilichen Maßnahmen kann man erfahrungsgemäß nie ausschließen.

Im Bremer Fanblock war es vor einem Jahr dann sehr still, nachdem ein Teil der Ultras wieder nach Hause geschickt worden war . . .

Ja, es ist sehr schade, wenn gerade bei einem Derby Teile der Fanszene nicht vor Ort sind. Sie fehlen der Mannschaft und uns im Support.

Müssten Sie Ihre Fans öffentlich noch stärker unterstützen?

Ich halte öffentliche Statements meistens nicht für zielführend. Oft wird die Arbeit durch öffentliche Debatten sogar erschwert. Lieber arbeiten wir solche Vorfälle intern offen und direkt der Fanszene gegenüber auf als über die Medien.

Sie selbst saßen fünf Jahre lang auch als wissenschaftliche Referentin für die SPD im Bundestag. Nun sitzen Sie als Fanbetreuerin sozusagen zwischen allen Stühlen: Bezahlt vom Club, moderieren Sie zwischen Fans, Medien, Polizei und Verein. Wie ähnlich ist Ihr heutiger Beruf als Fanbetreuerin im Vergleich zu Ihrer politischen Zeit?

In der Tat ähneln sich die Arbeiten, wenn es auch unterschiedliche Protagonisten gibt. Sowohl als Fanbetreuerin als auch in der Politik darf man nicht schwarz-weiß denken und muss Graustufen berücksichtigen. In meinem jetzigen Job arbeite ich allerdings noch stärker an der Basis. In der Bundespolitik ist es schwieriger, diese Nähe aufzubauen.

Ein Dauerthema für Sie als Fanbetreuerin ist Pyrotechnik.

Foto: privat
Julia Düvelsdorf

Die Leiterin der Abteilung Fan- und Mitgliederbetreuung bei Werder Bremen ist etwa für Kontakte zu DFB und DFL, für die Betreuung bei Heim- und Auswärtsspielen und Fangespräche ­zuständig.

Pyrotechnik ist ein superschweres Thema. Wenn es für dieses Thema eine Lösung gäbe, hätte die sich schon durchgesetzt. Aber es gibt leider unüberbrückbare Positionen zwischen verschiedenen Fans, Verein und Polizei. Grundsätzlich haben wir als Angestellte des Vereins ­dabei die Interessen des Vereins zu vertreten. Auf der anderen Seite müssen wir als Fan­beauftragte aber die Interessen der Fans im Verein vertreten, was in diesem Fall Sisyphusarbeit ist.

Im vergangenen Sommer haben Ihnen Hooligans besondere Sorgen bereitet – es wurde sogar ein Testspiel gegen Lazio abgesagt. Wie groß ist die Gefahr, dass Rechtsextremismus in den Bundesliga-Stadien zunimmt?

Fußballstadien sind ein Abbild der Gesellschaft. Die Gefahr wird immer da sein. Man muss immer sehr aufmerksam sein, dass die Szene nicht untergraben wird. Wir treffen uns regelmäßig mit anderen Fanbeauftragten, um zu gucken, wie die verschiedenen Standorte mit dem Thema umgehen. Eine Vernetzung ist unerlässlich.

Laut einer Studie der Kompetenzgruppe Fankultur und Sport bezogene Soziale Arbeit sind Ultragruppen noch immer von Männern dominiert. Sie selbst waren in den 90ern als Fan im Weserstadion und sind jetzt als Frau beruflich in leitender Position tätig. Ist der Fußball eine Macho-Welt?

Die Fanszene ist auf jeden Fall noch dominiert von Männlichkeit und Mackertum. Ich kann aber für Bremen sagen, dass ich mich als Frau im Fußball sehr wohlfühle. Wir haben überdurchschnittlich viele Frauen im Stadion und in der Ultra­szene. Mit einer Handvoll anderer Vereine sind wir einer der Vorreiter, was dies angeht. Bei anderen Szenen kriegt man mit, dass Frauen gar nicht erst Mitglied in Fangruppierungen sein und nicht zu Spielen mitfahren dürfen. Ich glaube aber, es braucht noch ein bisschen, bis Frauen sich als Fans ganz emanzipiert haben.

Hat sich den in den vergangen Jahren etwas geändert?

Ja, absolut. Im Stadion selbst sehe ich persönlich inzwischen sehr viele Frauen. Viel mehr als in den 90ern. Sie besuchen auch unsere Trainingslager oder das öffentliche Training.

„Bremen ist in der Bundesliga einer der Vorreiter, was Frauen im Stadion und in der Ultraszene angeht“

Zurück zum Derby. Können Fans eigentlich etwas zum Sieg beitragen?

Bei uns hat man das am besten gesehen bei den Aktionen Mors hoch, Allez Grün oder Green White Wonderwall. Es gibt manchmal einen Funken, der überspringt. Es gibt aber auch Spiele, da schwappt nichts über. Ich weiß immer noch nicht genau, welcher Regel dies folgt. Es ist wie ein Summen in der Luft. Und dann wird die Mannschaft getragen. Oder manchmal auch andersrum: Dann trägt die Mannschaft die Fans.

Und wie geht das Nordderby aus?

Ich wünsche mir einen Derbysieg. Ein 2:1 – und zwar bitte nicht zu spannend.

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