Familienpolitik in Polen: Uterus unter staatlicher Aufsicht
Schwangerschaften sollen in Polen künftig in einem Zentralregister erfasst werden. Auf diese Daten hätte auch die Staatsanwaltschaft Zugriff.
Schon heute haben alle Patient:innen in Polen eine individuelle Patientenkarte im Internet. Diese Daten sind – zumindest theoretisch – durch die Schweigepflicht der Ärzte geschützt. Doch nun sollen zahlreiche persönliche Daten, darunter auch Schwangerschaften, in einem medizinischen Zentralregister erfasst werden, auf das Staatsanwaltschaft und Geheimdienste jederzeit Zugriff hätten.
Dies behauptet der Senator der liberalen Bürgerkoalition (KO), Krzysztof Brejza, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter und fügt auch gleich Beweise an: Kopien der geplanten Verordnung sowie seiner Briefe an das PiS-Gesundheitsministerium sowie an den Chef des Justizministeriums und der Staatsanwaltschaft, Zbigniew Ziobro.
Brejza will wissen, auf wessen Initiative diese geplanten Änderungen zurückgehen und wozu konkret Staatsanwaltschaft und Geheimdienste wissen müssen, ob eine Frau in Polen schwanger ist. Auf Twitter bricht ein Aufruhr los. Sarkastisch kommentiert die feministische „Bewegung der acht Sternchen“: „Super! Und wenn ein Paar sich ein Kind wünscht, die Frau dann aber eine Fehlgeburt erleidet, muss sie vor dem Staatsanwalt erklären, dass sie das Kind wirklich wollte.“
Kalbende Kühe
Eine Userin namens Agata Nowak schreibt voll Verachtung für diese Frauenpolitik auf Twitter: „Versteht Ihr, was hier passiert? Eure Schwangerschaft wird kein intimes Erlebnis zwischen Dir, Deinem Partner und dem behandelnden Arzt sein. Der Staatsanwalt erfährt sofort davon und alle Beamten, die Zugriff auf das Register haben: Vorname, Name, Geburtstermin. Ihr werdet sein wie kalbende Kühe.“ Zum Schluss ruft sie ihre Leser:innen noch auf: „Auf die Straße, Leute!“ Eine Johanna befürchtet, dass auch das den Radikalen in der PiS wohl nicht weit genug gehen wird: „Demnächst werden sie noch alle Verhütungsmittel verbieten!“
In Polen gilt eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas. Ende 2020 urteilte das von der PiS kontrollierte Verfassungsgericht Polens, dass ein schwer fehl gebildeter oder nicht überlebensfähiger Fötus keine medizinische Indikation für eine legale Abtreibung darstelle. Dies sei unvereinbar mit Polens Verfassung.
Den Antrag auf Überprüfung des Abtreibungsrechts hatten einige Abgeordnete der regierenden PiS gestellt, und dies gegen den klaren Willen der Bevölkerungsmehrheit, wie mehrere Umfragen zeigten.
Seither sind legale Abtreibungen nur noch bei einer Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der Schwangeren oder bei Vergewaltigung möglich. Die offizielle Statistik müsste demnach schon für 2021 auf weit unter 1.000 legale Abtreibungen fallen, und dies bei einer Gesamtbevölkerung von 38 Millionen Einwohner:innen. Allerdings stehen Gynäkolog:innen bei Risikogeburten nun vor dem Dilemma, ab wann das Leben des Fötus keinen Vorrang mehr vor dem Leben der Schwangeren hat.
Vor Kurzem hatten Ärzte zu lange darauf gewartet, dass keine Herztöne des Fötus mehr zu hören waren, und erst dann einen Kaiserschnitt eingeleitet. Zu spät: Die junge Frau, die bereits Mutter eines kleinen Mädchens war, starb an einer Blutvergiftung.
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