Familien in Berlin: Verlierer auf dem Wohnungsmarkt
Der Senat muss mehr Wohnungen bauen und zudem den Anteil der Sozialwohnungen erhöhen, fordert der Familienbeirat.
Das wichtigste Thema der vergangenen Jahre ist auch das wichtigste Thema in dem Bericht: „Wir brauchen mehr Wohnungsbau für Familien“, sagte Nolte, der viele Jahre für die SPD im Abgeordnetenhaus saß. Diese Aufgabe müsse „höchste Priorität“ haben, heißt es in dem rund 200 Seiten starken Bericht. Denn gerade kinderreiche Familien gehörten infolge der in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegenen Mieten zu den Verlierern am Wohnungsmarkt. Das Land müsse in den Wohnungsneubau investieren und den Anteil der Sozialwohnungen erhöhen. Die Bezirke sollten die in Milieuschutzgebieten meist verbotene Zusammenlegung von Wohnungen wieder erlauben: Dies sei oft die einzige Möglichkeit, bei Familienzuwachs in der gewohnten Umgebung bleiben zu können. Denn: „Der wachsende Trend, dass junge Familien aus Berlin und verstärkt aus der Innenstadt wegziehen, ist mit Sorge zu betrachten“, so der Bericht.
Gleichzeitig fordert der Beirat, dessen letzter Bericht vor fünf Jahren erschienen war, den Bau neuer Spielplätze. Auch hier gebe es viel Nachholbedarf, bis der gesetzliche Richtwert von einem Quadratmeter Spielplatzfläche pro Einwohner erreicht wird. Derzeit beträgt diese Fläche berlinweit lediglich 0,6 Quadratmeter; in Charlottenburg-Wilmersdorf und Marzahn-Hellersdorf liegt sie sogar unter 0,5 Quadratmeter pro Einwohner. Die Bezirke seien aber bereits kaum in der Lage, die bestehenden Spielplätze instand zu halten, berichtete Nolte. Einen Widerspruch zwischen den Forderungen, mehr Fläche für Wohnungen und gleichzeitig für Kinder zu nutzen, sieht er nicht: Gerade in den 1920er Jahren seien in den großflächigen Innenhöfen der Wohnblöcke große Spielplätze errichtet worden – so könne man auch heute wieder bauen.
Über die Notwendigkeit einer ausreichenden Anzahl von Spielplätzen war erst vor wenigen Wochen eine Diskussion entbrannt, als die Bezirke diese wegen der Coronakrise gesperrt hatten; der Senat hatte nicht dafür plädiert, sie zu schließen.
Sandra Scheeres, Familiensenatorin
Der Bericht des Familienbeirats ist bereits vor der Coronapandemie abgeschlossen worden. Deswegen wird auf die stark veränderte Situation darin nicht eingegangen. Nolte zeigte sich jedoch besorgt: In der wegen der Pandemie entstehenden Wirtschaftskrise – der Finanzsenator geht von einem zusätzlichen Finanzbedarf von 6 Milliarden Euro aus – dürfte auch über die Notwendigkeit einiger Familienhilfen diskutiert werden.
Familiensenatorin Sandra Scheeres geht davon aus, dass zumindest die milliardenschweren Ausbauprogramme für Kitas und Schulen von Einsparungen nicht betroffen sein werden. „Wir müssen aufs Tempo drücken bei den Schulen und Kitas“, sagte sie und versprach, den Bericht „intensiv zu studieren“. Bindend sind die Empfehlungen des 30-köpfigen Gremiums nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung