Faktisches Blutspendeverbot für Queers: Diskriminierung light

Homo-, trans- und bisexuelle Männer sollen künftig Blut spenden dürfen. Wenn sie monogam leben – oder warten können.

Detailaufnahme eines Frauenarms bei der Blutspende

Das Deutsche Rote Kreuz bat in der Pandemie vermehrt um Blutspenden Foto: Thomas Müller/imago

BERLIN taz | Die Blutspende könnte für Männer, die mit anderen Männern schlafen, bald leichter werden. Darauf hat sich eine Arbeitsgruppe aus Bundesgesundheitsministerium, Paul-Ehrlich-Institut, Robert Koch-Institut, Arbeitskreis Blut und Bundesärztekammer (BÄK) geeinigt.

Ihr Vorschlag sieht vor, dass unabhängig vom Geschlecht alle spenden dürfen, die seit mindestens vier Monaten in einer monogamen Beziehung leben. Also auch Männer, die Sex mit Männern haben. Das Bundesgesundheitsministerium hat diese geplanten Lockerungen auf Anfrage bestätigt. Aktuell gilt: Wer als Mann mit anderen Männern Sex hat, darf erst 12 Monate nach dem letzten Geschlechtsverkehr Blut spenden.

In der Begründung der Arbeitsgruppe heißt es: „Bei Sexualverkehr ausschließlich innerhalb einer auf Dauer angelegten Paarbeziehung (schließt beide ein) von nicht infizierten Partnern/Partnerinnen kann per se von keinem erhöhten Risiko für durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten ausgegangen werden.“ So steht es in einem Brief des Präsidenten der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der der taz vorliegt.

Auch schwule, bisexuelle oder trans-Männer, die nicht in einer Beziehung leben, sollen bald schneller spenden dürfen: Vier statt bisher zwölf Monate nach dem letzten Geschlechtsverkehr. In der Richtlinie Hämotherapie, die die Blutspende in Deutschland regelt, werden sie pauschal als Menschen mit sexuellem Risikoverhalten bezeichnet.

Kritik von Ak­ti­vis­t:in­nen

Viele sind also auch weiterhin faktisch von der Blutspende ausgeschlossen, weil sie nicht heterosexuell leben. Laut der Arbeitsgruppe könnten die Neuerungen ab September in Kraft treten, wenn bis dahin alle zuständigen Gremien ihr offizielles Einverständnis geben.

Einige Ak­ti­vis­t:in­nen sind jedoch enttäuscht von dem Vorschlag. Die Lockerungen gingen nicht weit genug, noch immer sei eine Diskriminierung zu erkennen. Weiterhin würden die betroffenen Männer, die nicht in einer Beziehung leben, vier Monate ohne wissenschaftlichen Grund von einer Blutspende ausgeschlossen werden.

„Die gemeinsame Arbeitsgruppe kann sich offenbar noch immer nicht ganz von Vorurteilen lösen“, sagt Jens Brandenburg, LSBTI-politischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Mögliche Infektionsrisiken hingen nicht von der sexuellen Identität, sondern vom individuellen Risikoverhalten ab. „Safer Sex zwischen zwei Single-Männern ist kein größeres Risiko als ein ungeschützter One-Night-Stand zwischen Heterosexuellen“, so Brandenburg.

Aktivist Lucas Hawrylak, der eine Petition gegen die geltenden Vorschriften gestartet hat, sieht in der anhaltenden Ungleichheit Ideologie: „Nach wie vor will die Bundesärztekammer deutlich machen, dass es einen Unterschied zwischen homosexuellen und heterosexuellen Personen gibt. Wieso wird im Fragebogen vor der Blutspende nicht einfach nach dem persönlichen Risikoverhalten gefragt, unabhängig von der sexuellen Orientierung?“.

Vorbild Großbritannien

In vielen Staaten ist das längst Standard. Zuletzt wurde vor wenigen Tagen eine Regelung in England, Wales und Schottland überarbeitet. Es wird nur noch gefragt, ob ein:e po­ten­ti­el­le:r Spen­de­r:in wechselnde Se­xu­al­part­ne­r:in­nen hat. Egal, welches Geschlecht. Doch für Deutschland seien Änderungen in diesem Punkt nicht zu erwarten, befürchtet Hawrylak: „Es liegt in den Händen von Expert:innen, die Regel zu ändern. Diese wehren sich aber ohne Grund dagegen. Das macht es für mich noch unverständlicher“.

Die Bundesärztekammer wehrt sich indes gegen Vorwürfe der Diskriminierung. In einer Pressemitteilung warnt sie vor einer „Politisierung“ der wissenschaftlichen Debatte. Ziel sei, so BÄK-Präsident Reinhardt, „Spendewillige weiterhin nur in begründeten Fällen von der Spende auszuschließen.“

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