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Fahrverbot für ältere Diesel in StuttgartGesamte Umweltzone gesperrt

Ab jetzt dürfen Diesel der Abgasnorm 4 und schlechter nicht mehr in die Umweltzone in Stuttgart fahren. Ausnahmen gibt es unter anderem für Handwerker.

Stopp dem Smog: In Stuttgarts Innenstadt gelten ab sofort Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge Foto: dpa

Stuttgart/Berlin dpa | Das bundesweit erste großflächige Diesel-Fahrverbot zur Luftreinhaltung gilt seit dem Jahresbeginn in Stuttgart. Diesel der Abgasnorm 4 und schlechter dürfen dort nicht mehr in die Umweltzone fahren. Für Anwohner gilt eine Übergangsfrist bis zum 1. April. Es gibt Ausnahmen, etwa für Handwerker.

Die Stadt und die Polizei planen aber erst einmal keine gezielten Kontrollen. Zumindest bis Ende Januar soll es bei Verstößen nur Ermahnungen geben, wenn diese etwa bei den üblichen Parkraumüberwachungen oder Verkehrskontrollen auffallen. Das erklärten Sprecher der Polizei und der Stadt. Später wird dann ein Bußgeld von 80 Euro plus Gebühren und Auslagen fällig.

Das Land Baden-Württemberg hatte vergeblich versucht, die Fahrverbote vor Gericht abzuwenden. Von den jetzt geltenden Einschränkungen sind nach Angaben einer Stadtsprecherin rund 72.000 Autos in Stuttgart und dem Umland betroffen. Später könnten weitere Fahrverbote für Diesel der Euronorm 5 hinzukommen – diese will die Landesregierung von der Wirkung eines Luftreinhaltepaketes abhängig machen.

Baden-Württembergs Landeshauptstadt kämpft seit Jahren gegen eine zu hohe Belastung der Luft mit Schadstoffen. Verstärkt durch die Kessellage werden die EU-Grenzwerte immer wieder überschritten. Während die Belastung durch Feinstaub zuletzt geringer wurde, liegen die Werte bei Stickstoffdioxid meist noch weit über dem Grenzwert. Quelle für Stickstoffdioxid ist vor allem das Auto.

Der Deutsche Städtetag warnt indessen vor einem Verkehrskollaps und fordert zusätzliche Milliarden des Bundes. „2019 muss ein Jahr der Verkehrswende werden, in dem die Verkehrspolitik viel stärker auf zukunftsgerechte und nachhaltige Mobilität ausgerichtet wird“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy, der Deutschen Presse-Agentur. „Unsere Verkehrspolitik ist nicht mehr zeitgemäß. Es muss vor allem mehr attraktive Angebote geben, vom Auto auf die Bahn, auf ÖPNV und Fahrrad umzusteigen. Ohne eine Verkehrswende werden wir bald in Teilen unseres Landes einen Verkehrskollaps erleben.“

Verbote in mehreren Städten angeordnet

Bund und Länder müssten im neuen Jahr ein Gesamtkonzept für nachhaltige Mobilität vorlegen. „Wir leiten bereits die Verkehrswende in den Städten ein und wollen unseren Sachverstand in das Gesamtkonzept einbringen“, sagte Dedy. „Allerdings erwarten wir auch, dass Bund und Länder dafür über bisherige Programme hinaus Mittel in Milliardenhöhe einsetzen, zum Beispiel für Investitionen in den ÖPNV und die Verkehrsinfrastruktur insgesamt.“

Außerdem müssten die Anstrengungen für saubere Luft in den Städten fortgesetzt werden, sagte Dedy. „Es muss gelingen, die Gesundheit der Menschen zu schützen und die Städte mobil zu halten.“ Fahrverbote dürften auch 2019 nur das letzte Mittel bleiben, wenn nicht auf anderem Wege die Grenzwerte in den Städten eingehalten werden könnten.

Gerichte haben für mehrere Städte Fahrverbote für ältere Diesel angeordnet, etwa für Berlin, Köln, Essen, oder Frankfurt. Viele Urteile sind aber noch nicht rechtskräftig. „Wir müssen in weiteren Städten mit Verboten rechnen, die Gerichte anordnen“, so Dedy.

Derzeit überarbeiteten die Länder in Abstimmung mit den Städten eine Reihe von Luftreinhalteplänen. Dabei würden die Maßnahmen aus dem „Sofortprogramm saubere Luft“ und den Koalitionsbeschlüssen zu einem Maßnahmenpaket mit einbezogen. Diese sieht etwa Nachrüstungen bei Handwerker- und Lieferfahrzeugen vor. Im Januar startet hier ein Förderprogramm. Dagegen dürfte es noch Monate dauern, bis in besonders belasteten Städten die geplanten Umbauten bei Pkw beginnen können.

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8 Kommentare

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  • Mal bei der nächsten Wahl schauen, wie viele Wähler das Fahrverbot gut finden, und wie viele Wähler dort ein Kreuzchen machen, wo man "Ja zum Diesel!" sagt.

    • @Wellmann Juergen:

      Auch für den Autofreund gilt aktuelles Europarecht. Und das ist auch gut so. Wer mit dem Fahrrad in einem Ballungsraum entlang oder auf von vielen Autos befahrenen Straßen pendelt, schmeckt den Dreck, den diese Kisten ausstoßen.

      Am schlimmsten ist es an Steigungen, wo viele meinen, das Gas nochmal ganz durchtreten zu müssen, bevor sie dem Radler dann an der nächsten roten Ampel wieder vorlassen müssen.

      Und diese Kandidaten, die mir Ihren Dreck in Gesicht blasen, wohnen dann schön in der Pampa, wo die Luft besser ist und bekommen vom Staat in Form der Pendlerpauschale noch eine Belohnung für Ihr asoziales Verhalten.

      Kann mir nicht vorstellen, das viele Stadtbewohner "ja zum Diesel!" Parteien wählen.

      • @Gostav:

        Verzeihung Herr Wellmann, ich meinte im dritten Absatz natürlich nicht "Ihren Dreck". Schönes 2019.

  • Das Problem an diesen Fahrverboten ist, dass die älteren Diesel häufig sauberer als die neuen Diesel sind. Viele Euro-6 Diesel stoßen nicht nur das 10-fache der erlaubten Schadstoffmenge aus, sondern übertreffen damit auch die Euro-4 Diesel, die jetzt ausgesperrt werden.



    Die richtige Reaktion wäre daher gewesen, die neuen Betrugsfahrzeuge sofort stillzulegen und nicht die alten legal zugelassenen Fahrzeuge auszusperren. Das aber hatte die Bundesregierung nicht gewollt. Die Autoindustrie freut sich, denn wenn ältere Autos ausgesperrt werden, kaufen die Leute wieder mehr Neuwagen.



    Das Land BW hat keinen Einfluss auf die Zulassungen. Aber sie hätten zumindest versuchen können, die Dieselfahrverbote passender zu gestalten. Zumindest hätte man auch die neuen Stinker aussperren können. Aber auch die grüne Landesregierung ist auf Kuschelkurs mit der Autoindustrie.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    "Das Land Baden-Württemberg hatte vergeblich versucht, die Fahrverbote vor Gericht abzuwenden."

    Paradox? Weil BW doch grün regiertes Musterland?

    Ich finde das Dieselfahrverbot gut und richtig, haben die Anwohner nun Zeit bis zum 1. April, ihren Diesel meistbietend zu verkaufen, gegen einen neuen zu tauschen und so die Autoindustrie, insbesondere die in BW zu sponsern.

    Oder sie suchen sich "außerhalb" einen -wahrscheinlich nicht ganz kostenlosen- Stellplatz für das Schadstoffmobil und besuchen es dann via ÖPNV.

    Schlußendlich wäre es für die Betroffenen zu überlegen, ein Gewerbe als Handwerker anzumelden, sich darüber eine Ausnahmegenehmigung zu generieren.

    Zum Schmunzeln ... bitte mehr davon ...

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Würde ich in Stuttgart wohnen, würde ich mir ein EFahrzeug zulegen. Und dabei ganz bewusst keinen Deutschen Hersteller wählen. Strafe muss sein!

      • @insLot:

        Naja, Sie bestrafen inländische Unternehmen = Steuerzahler, und damit schaden Sie der Volkswirtschaft in Ihrem Heimatland. Was nützt Ihnen das?

  • Ich sehe schon die Dieselkontrollen im Berufsverkehr am Löwentor. Der Stau geht dann wahrscheinlich bis Mannheim.