Fahndung wegen eingestürzter Kiesgrube: RWE-Tochter im Visier

Wie konnte es bei der Flut im Sommer 2021 zum Einsturz der Kiesgrube in Erftstadt-Blessem kommen? Staatsanwälte ermitteln auch beim Betreiber.

Ein Plakat mit der Aufschrift «Keine Kiesgrube mehr in Blessem!» hängt an einem Haus in der Nähe der Kiesgrube im Stadtteil Blessem.

Monströses Loch: Die Kiesgrube ist sie für viele Menschen in Blessem untragbar geworden Foto: dpa

AACHEN taz | Die womöglich spektakulärsten Bilder der verheerenden Flutkatastrophe an Ahr, Erft und in der Eifel vom Juli lieferte der Einsturz der Kiesgrube am Ortsrand von Erftstadt-Blessem. Zahlreiche Wohnhäuser waren unterspült und in die Tiefe gerissen worden, ein Schlund wie in einem Weltuntergangsschinken entstand, Menschen und Kameras starrten in einen Abgrund. Wie es zu dem monströsen Loch kommen konnte, das will die Staatsanwaltschaft Köln nun genauer wissen.

Die Ermittlungen richten sich gegen den Eigentümer und ­Verpächter des Tagesbaus, die Betreibergesellschaft sowie die Bezirksregierung Arnsberg. Deren Bergamt ist die zuständige Aufsichtsbehörde. Die Staatsanwaltschaft Köln untersucht, ob sie die Überschwemmung fahrlässig durch Unterlassen herbeigeführt und ob sie gegen das Bundesberggesetz verstoßen haben. Ihre Anhaltspunkte: Es habe keinen ausreichenden Hochwasserschutzwall gegeben; zudem könnten die Böschungen „unzulässig steil“ gewesen sein.

Neun Beschuldigte gibt es. Strafrechtlich sind bis zu drei Jahre Haft möglich, zivilrechtlich große Millionensummen an Schadenersatz. Mitte Januar rückten 140 Polizeibeamte und -beamtinnen aus und durchsuchten zeitgleich etwa 20 Büros und Wohnungen, vornehmlich in Köln, Dortmund, Erftstadt und Bergheim.

Der Betreiber des Kieswerks, die Rheinischen Baustoffwerke GmbH (RBS), wurde nicht namentlich genannt und tauchte in den ersten Pressemeldungen auch nicht explizit auf. Es handelt sich dabei um eine 100-prozentige Tochter des Energieriesen RWE. Dieser hat die Grube langfristig vom Eigentümer, einer Privatperson, gepachtet. Auf Anfrage sagte der leitende Oberstaatsanwalt in Köln, Ulrich Bremer, der taz, es sei nicht üblich, bei solchen Razzien Namen und Eigentumsverhältnisse zu nennen. „Aber wer die RBS ist, ist ja mittlerweile ein offenes Geheimnis.“

Megabyte an Daten beschlagnahmt

Man habe „sehr viel Material“ beschlagnahmt, viele Megabyte an Daten, so Bremer. „Das muss jetzt alles zusammengeführt und ausgewertet werden.“ Das werde sicher „viele Monate dauern“. Zur Aussagekraft der Unterlagen könne er noch nichts sagen, da werde man „auch Glück brauchen“ – erst recht ein halbes Jahr danach.

Ja, ergänzt der Oberstaatsanwalt auf Nachfrage, auch in Köln, am zweiten Hauptsitz der RWE Power AG, habe man Unterlagen der Tochterfirma beschlagnahmt: „Wir waren auch bei der Mutter.“

RWE ist derselbe Konzern, der eine halbe Autostunde nördlich drei Braunkohletagebaue betreibt. Entlang der Abbaugebiete hat er mindestens neun Betriebsstätten für Kies, ein Nebenprodukt des Kohleabbaus. Auch die Kiesgruben rund um den Hambacher Wald sollen massiv erweitert werden. Für Genehmigungen ist die Bezirksregierung Arnsberg zuständig, dieselbe Behörde, die jahrzehntelang alle Anträge von RWE zum Braunkohleabbau positiv beschieden hat.

„Auch uns ist an einer lückenlosen, objektiven Aufklärung gelegen“, heißt es aus der Pressestelle von RWE. Schließlich sei man selbst „vom Hochwasser stark geschädigt“. Sogar doppelt: Das Kieswerk in Blessem ist nachhaltig ruiniert. Und Millionen Kubikmeter Wasser hatten sich zeitweise in den Braunkohletagebau ergossen. Ein Mitarbeiter war dabei ums Leben gekommen.

„Folgenreicher Fehler des Bergamts“

Die grüne Landtagskandidatin für den Rhein-Erft-Kreis II, Antje Grothus, begrüßt die juristische Überprüfung: „Es war ein folgenreicher Fehler des Bergamts, Bergbauaktivitäten im gesetzlich festgelegten Überschwemmungsgebiet der Erft zu genehmigen, damit eine Tochterfirma der RWE die Kiesgrube weiterbetreiben und kürzlich sogar erweitern konnte.“

Gleichzeitig wird auch politisch mit harten Bandagen und ganz viel Filzstift gearbeitet. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss in Düsseldorf stöhnt unter mehr als einer Million Aktenseiten zum Flutdesaster – aber es fehlen Unterlagen. Und zwar ausgerechnet von der wichtigen Bezirksregierung Köln. „Da, wo es interessant ist, versteckt man das“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete Johannes Remmel. Zudem sei man mit „pauschalen und unbegründeten Schwärzungen in gewaltigem Ausmaß“ konfrontiert.

Die nordrhein-westfälische CDU/FDP-Landesregierung verweist pauschal auf den Datenschutz. Geblieben sei, so Remmel, „eine große Blackbox“, die die parlamentarische Aufklärungsarbeit blockiere. SPD-Kollege Stefan Kämmerling erwägt deshalb eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht in Münster.

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