Fachkräftemangel in Deutschland: 80.000 Syrer arbeiten in Engpassberufen
Erstmals ist eine Rückkehr nach Syrien für viele Geflüchtete eine Option. Für die deutsche Wirtschaft ist das eine weitere schlechte Nachricht.
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Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien ist für viele der von dort Geflüchteten eine Rückkehr in ihr Heimatland erstmals eine denkbare Option. Für die deutsche Wirtschaft könnte sich diese für die Menschen positive Entwicklung hingegen negativ auswirken und die Fachkräftelücke vergrößern.
In einigen vom Fachkräftemangel besonders betroffenen Berufen sind demnach viele Menschen aus Syrien tätig. Mehr als 4.000 arbeiteten zuletzt als Kfz-Mechatroniker. In der Kraftfahrzeugtechnik können laut IW fast sieben von zehn offenen Stellen nicht mit passend qualifizierten Fachkräften besetzt werden.
Eine große Zahl an Syrern ist auch in anderen Engpassberufen zu finden. In der Zahnmedizin waren es den Statistiken zufolge etwa 2.470 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, in der Kinderbetreuung und -erziehung 2.260 und in der Gesundheits- und Krankenpflege 2.160. Viele Menschen aus Syrien haben klimarelevante Jobs in der Bauelektrik (2.100) sowie der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (1.570).
Auch viele Ärzte
„Syrische Beschäftigte sind wichtig für den deutschen Arbeitsmarkt. Sie tragen in nennenswertem Umfang dazu bei, den Fachkräftemangel in Deutschland abzufedern“, sagte IW-Ökonom und Studienautor Fabian Semsarha.
Auch in anderen Berufen in Deutschland arbeiten viele Syrer. So gab es zuletzt rund 5.300 angestellte Ärzte. Ihre Rückkehr würde den Fachkräftemangel verschärfen und zu Versorgungsengpässen führen, heißt es in der Studie.
Aus Sicht von Experte Semsarha wird der Beitrag syrischer Fachkräfte in der Diskussion über eine mögliche Heimkehr oft unterschätzt. „In vielen Berufen dürfte es schwierig werden, die Stellen neu zu besetzen, wenn die Menschen das Land verlassen.“ Die Politik sollte erwerbstätigen Syrern eine sichere Bleibeperspektive bieten, fordert Semsarha.
Laut Bundesagentur für Arbeit waren in Deutschland zwischen Juni 2023 und Mai 2024 im Schnitt gut 213.500 Personen mit syrischer Herkunft sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Davon arbeiteten 86.000 in Helfertätigkeiten und 127.000 in qualifizierten Jobs für Fachkräfte mit Berufsausbildung oder Studium. Weitere rund 155.000 sind laut IW arbeitslos gemeldet und stehen dem Arbeitsmarkt unmittelbar zur Verfügung.
Zweitgrößte Gruppe bei Schutzsuchenden
Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien bilden die zweitgrößte Gruppe bei Schutzsuchenden in Deutschland. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Ende 2023 hierzulande rund 712.000 von ihnen im Ausländerzentralregister registriert.
Deutlich größer als die Zahl der syrischen Schutzsuchenden sei die der Menschen mit syrischer Einwanderungsgeschichte. Laut Mikrozensus lebten 2023 in Deutschland knapp 1,3 Millionen Menschen, die selbst (82 Prozent) oder deren beide Elternteile (18 Prozent) aus Syrien eingewandert sind. Rund 17 Prozent von ihnen besaßen die deutsche Staatsbürgerschaft.
42 Prozent der Syrerinnen und Syrer mit Einwanderungsgeschichte im erwerbsfähigen Alter waren den Angaben zufolge erwerbstätig. Das ist vergleichsweise wenig, wie die Statistiker erklären. Ein Grund sei, dass sich ein hoher Anteil der Bevölkerung mit syrischer Einwanderungsgeschichte aufgrund des niedrigen Durchschnittsalters noch in (Aus-)Bildung befinde.
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