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Facebook trifft seinen prominentesten KritikerEin Treffen mit Haken

Sechs Stunden im Flughafenhotel in Wien: Der Facebook-Kritiker Max Schrems bekam Besuch vom obersten Europa-Lobbyisten des Konzerns.

Mit seiner Internetseite startete Max Schrems die Kampagne gegen Facebook. Bild: taz-Screenshot

BERLIN taz | Max Schrems ist zu einer Art Sprecher aller Facebook-Kritiker geworden, seit er im Sommer seine Daten von dem Konzern erstritt. Schrems konnte so beweisen: Facebook speichert dauerhaft alle Daten seiner Nutzer – alle internen Mails, jedes Log-In, alle jemals hochgeladenen Fotos, auch die vermeintlich gelöschten. Die Diskussion um den Datenschutz in sozialen Netzwerken gewann neu an Fahrt.

Es macht also durchaus Sinn, dass Facebooks europäischer Cheflobbyist Richard Allan diesen Jura-Studenten aus Wien sehr ernst nimmt. Am Montag nun ist Allan nach Wien geflogen und hat sich an einem Hotel am Flughafen mit Schrems getroffen. Von 13.30 Uhr bis 19:30, wie Schrems heute auf seiner Internetseite mitteilt. Er möchte möglichst transparent über alles informieren, schreibt er.

In der Sache gibt es offenbar wenig Neues zu vermelden. Facebook habe festgestellt, man sei erst noch auf dem Weg, europäischen Gesetzen zu entsprechen. Man wolle dafür sorgen, dass gelöschte Inhalte auch wirklich gelöscht werden.

Facebook interpretiert das Gesetz neu

Grundsätzlich, vermeldet Schrems, gelte aber weiterhin: Facebook interpretiere das Gesetz neu und widerspreche damit höchstrichterlichen Entscheidungen. Es geht etwa um die Frage, was eine "eindeutige Zustimmung" zur Datenspeicherung ist. Facebook bleibt dabei: Wer nicht widerspricht, hat zugestimmt. Schrems und viele deutsche Datenschutzbeauftragte sehen das anders.

Gezeigt hat sich das am Anfang des Jahres, als Facebook noch einmal über seine Gesichtserkennung infomiert hat. Es war wieder nur von "Fotomarkierungen" die Rede. Genau drei Mal wurde nach einer Anmeldung in dem Netzwerk ein kleiner Kasten eingeblendet. Wenn Nutzer ihn ignorierten, verschwand er. Nach Facebooks Auffassung haben sie der Gesichtserkennung damit nun zugestimmt. Gemäß der Facebook-Logik: Nicht nein heißt ja.

Schrems verlangt, dass die Facebook-Mitglieder irgendwo einen Haken setzen müssen, bewusst, um zu signalisieren: Ich habe das wirklich zur Kenntnis genommen und möchte das auch so nutzen.

Facebook sei wie ein großer Öltanker, der sich nun langsam in die richtige Richtung drehe, hätten die Facebook-Vertreter ihm gegenüber gesagt, schreibt Schrems in seiner Pressemitteilung. Der Tanker steuert gerade auf seinen Börsengang zu. Auch börsengangbedingt mag Facebook besonders viel Energie investiert, um die Kritiker möglichst gnädig zu stimmen – zumindest in unmittelbar nächster Zeit.

Genauere Details später

Wie in Datenschutz-Gesprächen fast schon üblich, versprachen die Facebook-Leute, genauere Details zu der Funktionsweise ihres Systems nachzuliefern, damit man ihre Behauptungen überprüfen könne. Darauf allerdings warten auch schon andere recht lange - etwa der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert.

"Wir sind noch immer überzeugt, dass viele Formen der Datenverwendung von Facebook illegal sind und werden weiter darauf drängen, dass der Internet-Gigant sich an die europäischen Gesetze hält", schreibt Schrems.

Facebook meldet derweil, man beteilige sich am heutigen Safer Internet Day. Es gebe nun jeden Tag einen Sicherheitshinweis auf dieser Seite: http://www.facebook.com/FacebookDeutschland Außerdem blende man ab jetzt die Nummer der deutschen Telefonseelsorge im Hilfebereich ein.

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6 Kommentare

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  • HM
    Hans-Rainer Mayer

    Gerne würde ich Max Schrems mein Lied "Auf Facebook gibt's kein Lagerfeuer" vorstellen. In Ermangelung seiner Mailadresse kann er ein Demo auf www.audiomagnet.com anhören. Gruß

  • HM
    Hans-Rainer Mayer

    Gerne würde ich Max Schrems mein Lied "Auf Facebook gibt's kein Lagerfeuer" vorstellen. In Ermangelung seiner Mailadresse kann er ein Demo auf www.audiomagnet.com anhören. Gruß

  • MM
    muß mich an den TÜV gewöhnen

    "Facebook habe festgestellt, man sei erst noch auf dem Weg, europäischen Gesetzen zu entsprechen."

    Aber inzwischen machen sie natürlich erst mal weiter wie bisher. Da muß natürlich jeder Verständnis für haben.

    So ein Tanker braucht Zeit. Aha.Und in der Zwischenzeit walzt er halt mal Recht und Gesetz platt. Geht eben nicht anders.

    Das muß man sich mal denken: ich dürfte keine fünf Minuten ohne TÜV und Führerschein auf die Straße. "Herr Wachtmeister, ich brauch erst mal Zeit, mich an Europäisches Straßenrecht zu gewöhnen, ich bin ein Öltanker, wissen Sie!"

    Und diese P..... machen Millionen und Milliarden mit eiskaltem Grinsen im Kollisionskurs auf die Rechtsordnung. Und nichts und niemand will sie aufhalten.

     

    Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen müßte.

  • E
    Edelweiß

    “Ich würde lieber live im Fernsehen von einem Paar kalter Hände eine Rektaluntersuchung bekommen als eine 'Facebook'-Seite zu haben!” George Clooney

  • A
    anke

    Meine Güte! Da tun sich ja für die Zukunft ganz neue Geschäftsmodelle auf!

     

    Wenn sich die Facebook-Auffassung, "nicht nein heiß ja" erst einmal flächendeckend durchgesetzt hat, ist die Weltwirtschaft ganz ohne Schirm gerettet und die Börsen der Welt werden ein Allzeithoch nach dem anderen erleben. Dann nämlich bekommt jeder Mensch, der irgend wann einmal dumm genug gewesen ist, seine Adresse in einem Telefonbuch veröffentlichen zu lassen, täglich mehrere Millionen Briefe, Päckchen und Pakete ins Haus geliefert. Wenn er deren Annahme mit der Begründung verweigert, er hätte nie irgendwas bestellt, wird es heißen, er hätte sich die Lieferung aber auch nicht ausdrücklich verbeten. Wenn er sich weigert, den Plunder zu bezahlen, wird man ihm mit Pfändung drohen. Und natürlich mit dem Untergang des Abendlandes. Das, schließlich, basiert auf dem unbegrenzten Wachstum freier Märkte und privater Gewinne, nicht auf irgend einer Logik oder gar moralischen Prinzipien.

     

    Kaufen ist die erste und die letzte Bürgerpflicht in einer Marktwirtschaft, das A und O des Lebens. Wer damit nicht klarkommt, der kann ja immer noch die Telefonseelsorge kontaktieren. Oder besser: gleich den Psychiater seines Vertrauens.

  • G
    Gerhard

    Aus dem »Buch der Gesichter« ist längst eine Biblithek geworden – eine, die über mehr Daten von einzelnen Personen verfügt, als die ehemalige Staatssicherheit der DDR. Wer sich bei Facebook bedeckt hält, wird von seinen »Freunden« transparent gemacht. Und viele Leute, die im echten Leben den Briefkasten mit einen Aufkleber »Hier keine Werbung einwerfen« verzieren, liefern dem US-Konzern kostenlos wertvolle Daten für die Werbung: siehe Wert des Unternehmens.

    Ich habe FB mal angetestet – natürlich nicht mit meinen echten Daten – es ist eine einzige Zeitvernichtungsmaschine, eine Plattform für Exibitionisten und andere Selbstdarsteller und für viel Schleichwerbung. Meine »FB-Freunde« waren auch Freunde aus der Realität, die anderen sind ohnehin meist »Karteileichen«.

    Die Intransparenz von FB sollte bei jedem endlich mal alle Alarmglocken läuten lassen und das einzig Vernünftige tun: sich dort abmelden. Es gibt auch andere Wege im Internet, miteinander zu kommunizieren. Stasibook – nein danke!