FFF-Aktivistin über Zusammenarbeit: „Mehr Aussicht auf Erfolg“
Fridays for Future (FFF) Oldenburg hat zusammen mit der Stadt einen Leitantrag erarbeitet, der Oldenburg klimaneutral machen soll. Klappt das?
taz: Frau Fleischhauer, hat sich Fridays for Future jetzt gegen die Straße und für den institutionellen Weg entschieden, um für mehr Klimaschutz zu kämpfen?
Yantin Fleischhauer: Wir sind innerhalb der Oldenburger Gruppe ganz verschiedener Meinungen. Eine von uns hat durch den Prozess mit der Stadt einen Platz im Ausschuss angeboten bekommen, dort werden auch unsere Anträge verhandelt. Manche von uns betrachten das als Erfolg, andere halten diesen Weg für zum Scheitern verurteilt.
Und was denken Sie?
Ich denke, wir sollten bei unserer zweispurigen Strategie bleiben. Wir machen weiterhin Druck auf der Straße, wir wollen uns nicht von Parteipolitik vereinnahmen lassen. Gleichzeitig ist es notwendig, sich selbst mit den Verantwortlichen hinzusetzen und Lösungen zu erarbeiten. Wir können nicht immer nur sagen: macht mal.
Wie ist die Zusammenarbeit mit der Stadt Oldenburg zustande gekommen?
Im April 2019 haben wir Forderungen an die Stadt formuliert. Zu unserer Überraschung ist die dann auf uns zugekommen, und in Gesprächen entstand die Idee für einen ersten Workshop. Bei dem haben Expert*innen und Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung teilgenommen. Seitdem sind wir immer wieder zusammengekommen und haben den Leitantrag ausgearbeitet.
Ähnelt der noch Ihren ursprünglichen Forderungen?
Nein, die Forderungen sind jetzt viel besser ausgearbeitet. Wir hatten damals so etwa zehn Forderungen aufgestellt, die ehrlich gesagt nicht umfassend wissenschaftlich fundiert waren. Jetzt haben wir insgesamt 106 Beschlussvorlagen zusammen mit Sachverständigen erarbeitet.
20, ist seit einem Jahr bei Fridays for Future Oldenburg aktiv und angehende Studentin der Kultur- und Politikwissenschaften.
Mit denen wird Oldenburg klimaneutral?
Die Pläne im Leitantrag reichen für ein klimaneutrales Oldenburg nicht aus, das ist uns bewusst. In manchen Bereichen, wie Naturschutz und Stadtplanung, sind sie zwar schon sehr ambitioniert, in anderen Bereichen, zum Beispiel beim Thema Verkehr, ist allerdings noch Luft nach oben. Die Idee der autofreien Stadt, für Klimaneutralität ein Muss, ist leider ganz am Anfang schon rausgeflogen. Insgesamt wäre die Verwirklichung des Antrags aber ein riesiger Schritt in die richtige Richtung.
Wovon hängt die Verwirklichung denn dann ab?
Die Beschlussvorlagen, also die konkreten Ideen, müssen einzeln in einem Ausschuss abgesegnet werden, dann kommen sie zur Abstimmung in den Stadtrat. Jeden Monat sollen dann ein paar Beschlüsse gefasst werden.
Und bis wann sollen die Maßnahmen umgesetzt werden?
Der zeitliche Rahmen ist ein strittiges Thema mit der Politik. Eigentlich wollten wir Oldenburg bis 2030 zur klimaneutralen Stadt machen. Von Seiten der Politik wurde jedoch gleich zu Beginn der Gespräche der Wunsch geäußert, sich nicht in Debatten über eine Terminierung zu verlieren, sondern lieber über den Inhalt der Maßnahmen zu sprechen. Jetzt gibt es für manche Maßnahmen Zeitziele, für andere noch nicht.
Schafft sich die Politik damit nicht ein Schlupfloch, die Umsetzung von Zielen hinauszuzögern?
Wir finden, dass die Stadtverwaltung unserem Vorhaben gegenüber sehr positiv gestimmt ist. Deshalb haben wir bei Aufträgen an die Verwaltung keine großen Bedenken, dass diese unnötig herausgezögert werden. Doch natürlich unterliegt die Verwaltung der Politik, und da kann sich ja immer schnell etwas ändern. Wir haben tatsächlich Sorge davor, dass sich die Beschlussfassung noch allzu lange hinzieht. Es kann sein, dass die letzten Beschlüsse aus dem Leitantrag erst im Januar verabschiedet werden. Das wäre ziemlich heikel für uns.
Warum?
Weil bereits im Herbst Kommunalwahlen anstehen. Der Leitantrag soll nicht der Profilierung von Parteien dienen oder im Wahlkampf zum Erliegen kommen.
Was ist in der Zusammenarbeit mit der Stadt besonders anstrengend?
Wir haben schnell gelernt, was „politisches Feingefühl“ bedeutet. Nämlich, dass hinter den Parteien Menschen stecken. Die Zusammenarbeit besteht sehr viel aus Beziehungsarbeit, das kann schon mal anstrengend sein. Bis jetzt haben wir aber hauptsächlich positive Erfahrungen gemacht und es bestand beiderseits immer der Wille, Uneinigkeiten aus dem Weg zu räumen. Ansonsten sind es die üblichen bürokratischen Hürden, die uns manchmal herausfordern: Anträge korrekt gestalten, Fristen einhalten, so etwas eben.
Mit welchen Parteien arbeiten Sie überhaupt zusammen?
In den Workshops sind Vertreter*innen der SPD, Linken, CDU, Grünen, FDP und der Fraktion aus Wählergemeinschaft für Oldenburg und Liberal-Konservative Reformer (WFO-LKR). Die Zusammenarbeit ist mit allen positiv, aber natürlich haben wir vor allem mit unseren direkten Ansprechpartner*innen Kontakt und dementsprechend ein gutes Verhältnis. Das bildet nicht unbedingt die Stimmung in der ganzen Partei ab.
Also gibt es manchmal Probleme mit den Parteien?
Einmal haben wir die CDU und SPD in einer Pressemitteilung kritisiert. Das hat zu Unmut besonders bei der SPD geführt. Wir konnten jedoch durch Gespräche mit der Fraktion wieder zueinander finden.
Was gefällt Ihnen insgesamt an der Zusammenarbeit?
Dass verschiedene Perspektiven zusammenkommen. Ich habe echt noch nie erlebt, dass so viele unterschiedliche Akteur*innen so konstruktiv miteinander gearbeitet haben, davon bin ich total begeistert. So kann man viel komplexere Lösungen erarbeiten, etwa wenn es um die soziale Frage beim Klimawandel geht. Und auch das Expertenwissen.
Gibt es weitere Beispiele?
Wir wollten zum Beispiel zuerst die Forderung stellen, Foodsharing finanziell zu fördern. In einem Workshop haben uns dann aber Sachverständige darauf hingewiesen, dass das nicht geht, da sich Foodsharing häufig in einer rechtlichen Grauzone bewegt. Jetzt haben wir die Beschlussvorlage umformuliert und fordern nun als erstes die Legalisierung. So hat das Projekt mehr Aussicht auf Erfolg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko