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FDP-Tanzvideo zu Paragraf 219aWürdelose Union

Dinah Riese
Kommentar von Dinah Riese

Uni­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen regen sich über ein Video von FDP-Abgeordneten zur Abschaffung des Paragrafen 219a auf. Das sagt viel über deren Frauenbild aus.

Viel Wirbel um ein Video: Kreidebotschaft auf Straßenpflaster in Flensburg Foto: Willi SChewski/imago

Würdelos“, echauffiert sich der CSU-Abgeordnete Volker Ulrich. Den „geschmacklosesten Tweet seit Langem“ meint Dorothee Bär, Vizefraktionsvorsitzende der Union, zu erkennen. Und Ex-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner fragt entsetzt: „Nicht Ihr Ernst?“

Die Entrüstung der Uni­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen gilt einem neun Sekunden langen Video mehrerer junger FDP-Abgeordneter: Mit Sonnenbrillen tanzen sie einen gelb erleuchteten Bundestagsflur entlang. Es ertönt der 90er-Song „Short Dick Man“ über einen schrumpeligen Mann mit kurzem Penis. Über den Tanzenden steht: „Wir, auf dem Weg zur Abstimmung, um endlich § 219a aus dem StGB kicken zu können“.

So weit, so albern. Und mit „würdelos“ hat Ulrich ein Wort gewählt, das in der Diskussion um Paragraf 219a durchaus passend ist. Allerdings nicht für das Video der FDPler*innen, sondern für die Strafrechtsnorm selbst – und für das Gebaren der Union.

Es gehe um „Lebensschutz“, so Klöckner. Um das „Leben oder die Abtreibung eines Ungeborenen“. Argumente, wie Konservative sie seit Jahren gegen die Abschaffung des Paragrafen 219a vorbringen. Doch dieser regelt nicht, ob Schwangerschaftsabbrüche erlaubt sind oder verboten.

Er verbietet Ärzt*innen, öffentlich darüber zu informieren, dass und wie sie diese im Rahmen der geltenden Rechtslage durchführen. Er kriminalisiert Ärzt*innen, die ihre Pa­ti­en­t*in­nen gewissenhaft und umfänglich aufklären. Und er enthält ungewollt Schwangeren Informationen vor, die sie existenziell betreffen.

Die Argumentation der Uni­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen suggeriert, das entsprechende Wissen sei gefährlich und Frauen könnten damit nicht verantwortungsvoll umgehen. Hätten sie ­Zugang zu den verbotenen Informationen, würden sie reihenweise gedankenlos abtreiben. Besser aufgehoben sei das Wissen darüber, dass Ärztin A medikamentöse Abbrüche durchführt, Arzt B nur operative und Ärztin C sie nur bis zur 10. Woche macht, hinter Schranken.

Wenn etwas würdelos ist, dann ist es dieses Frauenbild.

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Dinah Riese
Ressortleiterin Inland
leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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4 Kommentare

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  • getretene Hunde heulen...

  • Das ist halt wie bei Asterix und Obelix: nach gewonnenem Kampf gibt's eine Feier. Den Sieg gegen Paragraph 219a zu feiern ist legitim. Ob man diese Feier für Social Media inszeniert oder auch nicht würde ich als Boomer den Millennials nicht vorschreiben wollen. Und dass Millennials im Bundestag sind finde ich auch als Boomer gut.

  • Nur weil man das Video kritisiert bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass man ein würdeloses Frauenbild hat.

    Die Kritik ist jedenfalls angekommen. Ansonsten hätten die UrheberInnen auch nicht kurzfristig reagiert und das Video nach nur 14 Stunden wieder gelöscht.

    • 4G
      46383 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Vom Umkehrschluss ist im obigen Artikel auch nicht die Rede. Eigentlich steht sogar ziemlich genau drin, worauf der Vorwurf der Würdelosigkeit gründet. Und aus der Tatsache, dass der Clip gelöscht wurde, folgt im Umkehrschluss nicht, dass die Kritik berechtigt war. Nimmt man die "Rezeption" des Videos in der Bild (die "obszöne Enthauptungsgesten" gesehen haben will) und bei den genannten so fies wie zuverlässig empörten Unionisten, ist diese Reaktion - das Löschen - verständlich. Man will der überfälligen Korrektur dieser skandalösen Bevormundung von Betroffenen nicht schaden. Und seien wir ehrlich, ein Grund zum Jubeln ist es allemal! In keinem noch so belanglosem Bereich der männlichen Lebensbesorgung würde ein derartiger maximal-paternalistischer Eingriff geduldet. Man erinnere sich mal an die Diskussion um die Strafbewehrung sexueller Übergriffe innerhalb einer Ehe (ich grüße an dieser Stelle Friedrich Merz, der angeblich inzwischen erfahren haben soll, dass dies tatsächlich kein logisches Paradox ist), die als unzumutbarer Eingriff in männliche Selbstbestimmung firmierte.