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FDP-Chef Lindner stellt Raed Saleh in den SchattenZwischen Charisma und Corona

Kommentar von Stefan Alberti

Der Parteivorsitzende bekommt bei der Industrie- und Handelskammer mehr Applaus als der SPD-Fraktionschef – aber weniger als Franziska Giffey.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner schaute am Dienstag bei der Berliner IHK vorbei Foto: dpa

M mmh. Grummel. Mist. Er hat’s einfach raus, dieser Mann, der so oft als smart beschrieben wird und an diesem Dienstagmorgen auch genauso rüberkommt. Dabei ist er doch von der FDP, also – Schublade auf – kaltherzig, nüchtern, unsozial. Und es ist nicht nur irgendein Liberaler, sondern ihr Bundesparteichef, der da Gast beim Wirtschaftspolitischen Frühstück der Industrie- und Handelskammer (IHK) ist.

Über eine Viertelstunde spricht Christian Lindner schon, und in den Reihen der über 200 Zuhörer ist bislang keiner zu sehen, der gähnen oder gelangweilt auf sein Handy schauen würde. Was deutlich anders war, als vor zwei Wochen an gleicher Stelle Raed Saleh, der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, vergeblich versuchte, das Publikum mit der Forderung zu bannen, Berlin groß zu denken.

Zwei Erklärungen hat Lindner dafür, dass er überhaupt ein Publikum findet, trotz aller Coronawarnungen: Es zeigt aus seiner Sicht zum einen, dass man in Berlin weiter öffentliches Leben wolle. Zum anderen aber sei es „nach Thüringen ein Beitrag zur Rehabilitation der FDP, dass Sie hierher gekommen sind“.

„Sie“, dass sind knapp 250 Unternehmer und weitere Gäste samt Journalisten, und „Thüringen“ steht für die nur durch AfD-Stimmen möglich gewordene Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten Anfang Februar in Erfurt – ein Vorfall, den der FDP-Chef nach Meinung vieler hätte verhindern können und müssen. Für Lindner verkennt das die Möglichkeiten einen FDP-Bundesvorsitzenden: „Sie können nicht auf eine Fraktion oder einen Landesverband einwirken wie auf eine Filiale.“

Auf SPD-Mann Saleh, gewissermaßen sein Vorredner, kommt Lindner auch zu sprechen: Ihm und anderen hält er vor, sie hätten aus den Thüringer Vorgängen – „für mich ein Fiasko“ – politisches Kapital schlagen wollen. Saleh hatte in einem Zeitungsbeitrag behauptet, nur die Parteien der linken Mitte stünden uneingeschränkt zur Demokratie. „Es gibt auch Positionen der Mitte, die nicht links sind“, sagt Lindner, „und die muss man auch sagen dürfen.“

Dass er weit mehr Applaus bekommt als Saleh, könnte man nun parteipolitischer Nähe der Unternehmer zur FDP und möglicher Abneigung gegenüber der SPD zuschreiben – wäre da nicht Franziska Giffey, Salehs mögliche künftige Kollegin an der Berliner SPD-Spitze: Die hatte bei ihrem IHK-Auftritt 2019 noch mal mehr Beifall bekommen als der smarte Lindner.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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5 Kommentare

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  • Lindner bekommt Beifall beim IHK Frühstück? Das ist mindestens so sensationell wie wenn der FC Bayern Applaus in der Allianzarena bekäme!

  • Lindner?

    Unvergessen: sein Lavieren beim Kemmerich-Fiasko.



    Unvergessen: sein dummes geblubbere "man möge es doch den Fachleuten überlassen" zu FfF.



    Unvergessen: sein Herumgerutsche beim letzten Versuch der Regierungsbildung.

    Die FDP ist eine Werbeagentur, Lindner das Model. "Dass er überhaupt ein Publikum findet" ist demnach sein verdammter Job.

    Christian "I'm not an expert, but I play one on TV" Lindner.

  • Also ich überlege wirklich, meine monatliche Zahlung an die taz einzustellen. So einem FDP-Fan-Beitrag dürfte man selbst auf SPON vergeblich suchen. Ich kann gar nicht so viel essen,...

    • 6G
      64984 (Profil gelöscht)
      @longestmountains:

      Ich habe sie schon eingestellt.

  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    Soso, Herr Lindner ist also nicht "kaltherzig, nüchtern, unsozial" sondern smart.

    Und die taz glaubt immee noch, sie sei links?

    Oder war ich versehentlich auf der faz Seite?