Ezra Furman spielte in München: Unstillbare Lust am Aufbegehren
Die US-Musikerin Ezra Furman hat mit ihrer Band in der Freiheitshalle in München gespielt – und begeisterte mit neuen Hymnen der Zärtlichkeit.
Patti Smith und Bruce Springsteen haben in den 80ern, zu Zeiten von „People have the power“ und „I’m on fire“ eine geistige Tochter gezeugt und die heißt Ezra Furman. Seit mehr als zehn Jahren veröffentlicht dieses „Kind“ kontinuierlich bemerkenswerte Indie-Alben und ist vor allem durch den Soundtrack für die Netflix Serie „Sex Education“ einem breiteren Publikum bekannt geworden.
Am Sonntagabend spielte Ezra mit ihrer Band in der Münchner Freiheitshalle eines von fünf feinen Konzerten ihrer Deutschlandtour, um dabei die Songs des neuen Albums „All Of Us Flames“ abzufeiern. (Weiter geht ihre Tour in England.) Wo die beiden Vorgänger „Twelve Nudes“ und „Transangelic Exodus“ punkig-zornig und gleichzeitig mit vielen verliebten Indie-Ohrwürmern daherkamen, ist das neue Album eine tolle Einheit aus mächtigem Sound und herausragendem Songwriting. Einer Qualität, der aktuell allenfalls noch Annie Clark aka St. Vincent das Wasser reichen kann und die letztendlich für die ganz großen Bühnen bestimmt sein muss.
Beim Konzert geht es dann auch sofort zur Sache. Mit dem Opener „Can I Sleep in Your Brain?“ zieht die Zeremonienmeisterin Furman die, im wahrsten Sinne des Wortes, Fangemeinde in ihren Bann und zaubert den Leuten ein Lächeln in die Gesichter, um sie dann im zweiten Teil des Songs richtig abgehen zu lassen.
„Maybe it is all because the rich never get punished“, gibt sich Ezra als Nachgedanke zum Song „Trauma“ selbst eine Antwort auf die im Raum thronende Frage, woher kommt die Wut, woher die unstillbare Lust am Aufbegehren, um dann doch nachzuschieben: „Or is it my life as a Jewish transgender person?“
Entkommen sein
Ezra Furmans fantastischer Band gelang an diesem Abend alles. Neue Hymnen wie „I Saw the Truth Undressing“ oder das unglaubliche „Point Me Towards the Real“ spielen sie mit völlig angemessener Zärtlichkeit und die Knaller wie „What Can You Do but Rock and Roll?“ spielen sie so, wie man Rock-’n’-Roll-Knaller eben spielen muss: wie präzise Peitschenhiebe.
Das vor allem altersmäßig bunt gemischte Münchner Publikum begrüßte Ezras Songs mit freudigem bis ekstatischem Johlen. Und selbst die Nicht-Tänzer*innen konnten die Party vor der Bühne genießen, weil hier nicht mit ausgefahrenen Ellenbogen der beste Platz verteidigt wird, sondern man beinahe Arm in Arm mit Leuten, die man vorher noch nie gesehen hat, das gemeinsame Erlebnis feiert.
Es ist definitiv kein Zufall, dass Ezra Furman diesen Geist auch immer wieder in den Songs adressiert: „We all escaped from somewhere else“ lautet etwa die Eröffnungszeile von „Lilac and Black“.
„Because the Night“ war die einzige Coverversion und gleichzeitig der letzte Song des Abends. Eine Punktlandung. Denn der Song manifestiert wie kaum ein anderer den universellen Anspruch auf Safe Spaces und wurde von Patti und Bruce gemeinsam geschrieben. Patti Smith hat ihn dann natürlich ganz alleine groß gemacht.
Und ja, eigentlich gehören Ezra Furman und ihre Band und die Songs auf die Bühne, einen Kilometer weiter, ins große Olympiastadion vor 70.000 Menschen. Aber wenn das Wirklichkeit wäre, würden wir in einer schöneren Welt leben. „But until then, we’re dressed in black.“
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