Extremwetter in Argentinien und Uruguay: Klima oder La Niña?
Argentinien und Uruguay leiden unter der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten. Ob daran der Klimawandel schuld ist, haben nun ForscherInnen untersucht.
Allerdings hat der Klimawandel die Temperaturen in der Region erhöht, was wahrscheinlich die Verfügbarkeit von Wasser verringert und die Auswirkungen der Dürre verschlimmert hat, so die Schlussfolgerung der Gruppe von 18 Forscher*innen, darunter Wissenschaftler*innen aus Argentinien, Kolumbien, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und den USA.
Als treibenden Faktor machen sie das Wetterphänomen La Niña verantwortlich, das in Südamerika nur geringe Niederschläge in den Monaten Dezember bis März bringt. La Niña folgt meist als Gegenbewegung auf das Klimaphänomen El Niño und tritt etwa alle vier Jahre auf.
Die Phänomene gehen auf die Temperaturschwankungen des Oberflächenwassers im östlichen Teil des Pazifiks zurück. Bei der Abkühlung des Oberflächenwassers verursacht La Niña in einigen Regionen extreme Trockenheit.
Schlimmste Dürre seit 60 Jahren
„Was die Dürre anbelangt, so deutet unsere Analyse darauf hin, dass die natürliche Variabilität und das ungewöhnliche Auftreten von drei La-Niña-Jahren in Folge die geringen Niederschläge erklären könnten, aber die hohen Temperaturen verschärfen die Auswirkungen, die wir vor allem bei den Nutzpflanzen beobachten“, so Friederike Otto, Klimawissenschaftlerin am Imperial College in London.
Argentinien leidet derzeit unter der schlimmsten Dürre seit 60 Jahren. Die Folgen sind in der agroindustriellen Landwirtschaft zu spüren. Nach den Prognosen der Getreidebörse in Rosario, einer Millionenstadt 300 Kilometer nordwestlich von Buenos Aires, wird die Sojabohnenernte in der laufenden Saison um ein Viertel geringer ausfallen. Statt 49 Millionen Tonnen werden nur noch 37 Millionen Tonnen Sojabohnen erwartet.
Ähnliche Ernteeinbrüche werden bei Weizen und Mais vorhergesagt. Uruguay hatte im vergangenen Oktober gar den landwirtschaftlichen Notstand ausgerufen, da 60 Prozent des Landes von einer „extremen“ oder „schweren“ Dürre betroffen waren.
Der größte Teil der argentinischen Ernte wird in der so genannten Pampa húmeda, der feuchten Pampa, geerntet. Sie ist das 600.000 Quadratkilometer große Herz der argentinischen Landwirtschaft – fast doppelt so groß wie Deutschland. Hier werden Soja, Sonnenblumen und Getreide angebaut, dazu kommt die Viehwirtschaft. Ein Großteil der Waren gehen in den Export und rückten verstärkt ins Rampenlicht, als die Nahrungsmittelpreise in Folge des Ukraine-Krieges angezogen.
Studie mit Spannung erwartet worden
„Diese mehrjährige Dürre hat die Gesellschaft, die Landwirte und die Entscheidungsträger in weiten Teilen Südamerikas beunruhigt“, sagt Juan Rivera vom argentinischen Institut für Schneeforschung, Gletscherkunde und Umweltwissenschaften (IANIGLA). Die Antwort auf die Frage, ob die Trockenheit in dieser riesigen und wichtigen landwirtschaftlichen Region dem Klimawandel oder dem Wetterphänomen La Niña geschuldet ist, war mit Spannung erwartet worden.
„Unsere Analyse hat zwar keinen direkten Einfluss des Klimawandels auf die geringen Niederschläge gezeigt, aber wir können nicht ausschließen, dass andere Faktoren im Zusammenhang mit menschlichen Aktivitäten, wie die Abholzung von Wäldern im Amazonasgebiet oder im Gran Chaco, eine Rolle gespielt haben“, sagt Paola Arias von der Universität von Antioquia in Kolumbien.
Im Falle Argentiniens genügt ein Blick in den im Januar vorgestellten Waldbericht 2022 von Greenpeace. Darin heißt es, dass das Land im vergangenen Jahr allein in den nördlichen Provinzen 200.000 Hektar geschützte Urwälder durch Brände und Rodungen verloren hat. „Argentinien ist eines der Länder mit der größten Entwaldung“, so Hernán Giardini, Koordinator der Greenpeace-Waldkampagne und nennt als eine der Hauptursachen die von der Agroindustrie forcierte Ausweitung der landwirtschaftlichen Anbaugrenze vor allem für den Sojaanbau nach Norden meist durch illegale Rodungen.
Argentiniens Umweltminister Juan Cabandié bestätigte die Angaben: „Die Werte der einheimischen Waldverlustfläche in den Provinzen, ähneln denen, die vom Entwaldungs-Frühwarnsystem SAT ermittelt wurden“, so Cabandié. 2019 hatte sein Umweltministerium ein „nachhaltiges Aufforstungsprogramm“ auf den Weg gebracht, dessen wesentlicher Bestandteil jedoch der subventionierte Anbau von Pinien- und Eukalyptusplantagen für die Holz- und Zellstoffgewinnung vor allem den Nordprovinzen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg