Experte über Ausweitung des Gazakriegs: „Die USA werden hineingezogen“
Am Sonntag tötete eine Drohne erstmals US-Soldaten in Jordanien. Warum eine US-Antwort in Syrien naheliegt, erklärt Analyst Amer al-Sabaileh.
Drei US-Soldaten sind am Sonntag bei einem Drohnenangriff in Jordanien getötet worden, mehr als 34 wurden verletzt. Die Attacke galt der US-Militärstellung Tower 22. Die USA machen die irannahe Miliz Kataib Hisbollah im Irak verantwortlich. Iran selbst bestreitet jede Verwicklung.
taz: Herr al-Sabaileh, welche Rollen spielen US-Truppen in Jordanien?
Amer al-Sabaileh: Die USA unterhalten Militärbasen und Truppen in Jordanien. Das hat zu tun mit dem Training jordanischer Einheiten, gemeinsamen Operationen und so weiter. Die Militärbasis Tower 22, zusammen mit der Militärbasis al-Tanf in Syrien, dient eher den Aktivitäten auf syrischem Boden. Ein Teil davon richtet sich gegen Daesch („Islamischer Staat“, d. Red.). Nach meinen Informationen geht es eher um Überwachung und die Unterstützung der Milizen, die Daesch bekämpfen. Es gibt also einen Unterschied zwischen Tower 22 und anderen US-Stützpunkten in Jordanien.
45, kommt aus Jordanien und hat an der Universität in Pisa, Italien, promoviert. Er schreibt für jordanische und internationale Medien und leitet den Thinktank Triage Duepuntozero. Sein Fokus liegt auf Terrorismus, Sicherheit und internationalen Beziehungen.
Es gab mehr als 150 Attacken gegen US-Truppen in Syrien oder dem Irak allein seit Beginn des Konflikts in Gaza. Dass US-Soldaten auf jordanischem Boden angegriffen werden, ist hingegen neu.
Dies war einer der größten Anschläge der letzten Zeit. Es war das erste Mal seit dem 7. Oktober, dass US-Soldat*innen bei einem direkten Angriff starben. Zudem ist neu, dass Truppen in Jordanien zum Ziel wurden, auch wenn der Ort nicht weit weg ist von anderen Basen, die in der Vergangenheit attackiert wurden. Symbolisch gesehen war dies aber eine geografische Erweiterung. Deswegen sollten wir eine andere Art der Reaktion von den USA erwarten.
Welche?
Der Angriff kommt zu einem Zeitpunkt, an dem der US-Wahlkampf begonnen hat. Die Kritik der republikanischen Seite könnte lauter werden und Bidens Regierung den Preis dafür zahlen, sollte ihre Antwort nicht stark oder klar genug sein.
Biden sagte, die USA strebten keinen Krieg mit Iran an.
Die USA wollen nicht, aber schrittweise werden sie dazu angespornt. Schauen Sie auf die Ereignisse im Roten Meer. Am Ende hat sich daraus eine globale Angelegenheit entwickelt, die Reedereien und den Handel gefährdet. Nach und nach beobachten wir, wie die USA nicht länger ein Garant gegen die Ausbreitung des Krieges sind, sondern selbst zum Ziel werden. Meiner Meinung nach sollte es eine andere Art des Angriffs geben, die Iran eine klare und faire Botschaft sendet. Sonst wird diese US-Regierung verlieren und werden die Attacken gegen die Amerikaner zunehmen.
Was meinen Sie konkret? Weitere Sanktionen gegen Iran?
Diese US-Regierung ist besessen von der Frage der Sanktionen, die aber nicht funktionieren. Soll Iran stark geschwächt und die Region stabilisiert werden, dann dürfen die Milizen und deren Waffen in Zukunft nicht mehr existieren. In der Region gibt es kaum bewaffnete Milizen ohne Verbindungen zu Iran. Manchmal könnten interne Streitigkeiten in den Gruppen ein Ansatzpunkt sein.
Welche Auswirkungen könnte der Angriff in Jordanien auf die Krisen in der Region haben?
Die Region befindet sich in einer zweiten Phase des Konflikts: die Herabstufung des Kriegs in Gaza und die Eröffnung neuer Fronten. Wenn dieses Modell funktioniert – Westjordanland, Syrien, Libanon, Irak –, denke ich, dass dies zu einer neuen Art von Operationen führen wird. Man hat einen Angriff an der jordanischen Grenze, die Antwort darauf gibt es dann in Syrien oder im Irak oder im Libanon. Wir stehen jetzt vor den sieben offenen Fronten, von denen Israel sprach. Und die USA werden allmählich in diesen Krieg hineingezogen.
Ist ein US-Gegenangriff im Irak wahrscheinlich?
Den Irak zum Ziel zu machen, könnte im Augenblick kritisch sein, weil dies den irakischen Premierminister schwächen würde, der gerade vermittelt. Gestern konnte er erreichen, dass die Kataib Hisbollah im Irak ihre militärischen Aktivitäten gegen die Amerikaner einstellt. Einer der Orte, an denen es einfacher ist, zu agieren, ist Syrien. Deshalb finden die meisten Angriffe derzeit in Syrien statt.
Jordanien war bislang eine friedliche Insel mitten im Krisenherd. Ändert sich dies nun?
Das Problem für Jordanien wird eher die langfristige Krise sein. Diese wird Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Lage haben, die ohnehin gerade nicht die beste ist. Dazu kommen Auseinandersetzungen mit Drogen- und Waffenschmugglern und ständige Alarmbereitschaft an der Grenze. Sollte also alles so weitergehen wie jetzt, wird dies im Laufe der Zeit das System schwächen.
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