Expansion der Streamingdienste: Geld wie Heu
Netflix kündigt an, in drei Jahren 500 Millionen Euro in lokale Inhalte zu investieren. Auch andere Streamingdienste geben Unsummen aus.
Sender und Portale schießen mehr Geld denn je in den Markt, damit neue Inhalte entstehen können. Wer soll das alles produzieren? Für Furore sorgte in den deutschsprachigen Ländern Mitte September die Ankündigung von Netflix, genau hier in den nächsten drei Jahren 500 Millionen Euro für lokale Inhalte zu investieren. Offiziell frohlockt die Medienbranche darüber. In den vergangenen drei Jahren hatte Netflix mehr als 250 Millionen Euro für 40 eigene Titel aufgewendet.
Aber die Konkurrenz schläft nicht: Disney, Amazon und andere Videoportale geben mehr denn je aus, um Inhalte für die zahlende Kundschaft zu produzieren und die Konkurrenz zu überflügeln. Dazu kommen traditionelle Anbieter, die angesichts des sich rapide verändernden Medienkonsums ihre eigene Strategie umstellen wollen und müssen.
„Wir investieren im Jahr rund 1 Milliarde Euro in Content, über die Hälfte davon in eigenproduzierte Inhalte“, beziffert Henrik Pabst, Geschäftsführer der Seven.One Entertainment Group, das Volumen von ProSiebenSat.1.
Ähnlich sieht es auch bei RTL Deutschland aus. Das ZDF wiederum beschreibt sich mit 650 Millionen Euro im Jahr 2021 „als der größte Einzelauftraggeber in der deutsche TV-Produktionswirtschaft“. Im Jahr 2022 planen die Mainzer*innen, Aufträge in Höhe von rund 700 Millionen an die Branche zu geben.
Der Geschäftsführer von Warner Bros. ITP Deutschland, René Jamm, sieht den Goldrausch mit gemischten Gefühlen. Eine halbe Milliarde Euro sei schon „eine Menge Holz“, aber wo geht das Geld hin? In den technischen Ausbau? In Programm? In Personal? Grob kann man ungefähr 1 Million Euro pro Serienfolge rechnen, für Filme etwa 4 Millionen. „Aber wer soll diese 500 Millionen Euro füllen?“, fragt sich der Medienmanager, „ARD, ZDF, RTL, Amazon und andere – sie alle wollen Inhalte.“
Netflix' aggressive Personalpolitik
Kreation und Entwicklung benötigten aber eine lange Zeit. „Wir haben jetzt schon einen extremen Mangel an Kreativen – Autoren, Regisseure, Showrunner. Diese Summe in Content umzusetzen, ist eine Herausforderung.“ Berührungsängste, mit Netflix zu arbeiten, hat er nicht, seine internationalen Konzernkollegen tun es bereits, etwa bei der Show „Glow Up“, in der zehn Visagist*innen ihren Erfolg in der Beautybranche unter Beweis stellen wollen.
Angesichts des Personalmangels fährt Netflix eine aggressive Personalpolitik: mit deutlich höheren Gehältern als die Wettbewerber. Die überdurchschnittlich gute Bezahlung währt aber nur so lange wie entsprechende Tätigkeiten und Fähigkeiten am Markt gefragt sind. Inzwischen hat das US-Unternehmen zum Beispiel die Macher*innen der Serie „Dark“ exklusiv unter Vertrag genommen, oder auch die ehemalige Joyn-Chefin Katja Hofem.
Bei dem offensiven Auftreten werden allerdings oft die hohen Verbindlichkeiten des Medienunternehmens übersehen: Ende 2020 waren es über 15 Milliarden Dollar. Viele Branchenbeobachter*innen gehen davon aus, dass Streaming-Anbieter aus wirtschaftlicher Sicht nur eine Chance haben: Ein noch größerer Mediengigant kauft ihn.
Auch hier hat Jamm eine differenzierte Einschätzung. Er vermutet, dass Werbung bei Netflix, aber auch bei den anderen Streamingdiensten eine wichtige Option werden wird. Vielleicht in einem abgestuften System: „Je weniger für das Abo bezahlt wird, desto mehr Werbung wird eingeblendet. Die Werbeindustrie, die intensiv nach Werbeflächen für junges Publikum sucht, würde solche Möglichkeiten sicher nutzen.“
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