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Exhumierung Francos in SpanienDie Verklärung muss aufhören

Eva Oer
Kommentar von Eva Oer

Auch außerhalb der extremen Rechten: Noch immer werden die Jahre der Diktatur in Spanien in erschreckendem Ausmaß beschönigt.

VerehrerInnen Francos vor dem Friedhof in San Lorenzo de El Escorial Foto: Javier Barbancho/reuters

G anze 44 Jahre lang lagen Opfer und Täter im sogenannten „Tal der Gefallenen“ zusammen – in einem riesenhaften, mithilfe von ZwangsarbeiterInnen errichteten Monument, gebaut zur Verherrlichung des Franco-Regimes. Am Donnerstag hat Spanien einen wichtigen Schritt gemacht und den 1975 verstorbenen Diktator Francisco Franco exhumiert und umgebettet. Doch allein das Spektakel um die Verlegung seiner Gebeine zeigt, wie notwendig es ist, die Zeit der Diktatur weiter aufzuarbeiten.

„Viva Franco“-Rufe während der Verladung des Sargs, ein Aufruf der rechten Franco-Stiftung, die dazu aufforderte, den Diktator auf dem neuen Friedhof gebührend willkommen zu heißen – für die spanischen NationalistInnen bot sich der Tag zur Feier ihres Idols und zur Mobilmachung an. Doch noch immer gibt es auch außerhalb der extremen Rechten erschreckend viel Geschichtsumdeutung.

Das verdeutlicht eine aktuelle Umfrage unter WählerInnen der großen Parteien des Fernsehsenders La Sexta. Dass die WählerInnen der extrem rechten Vox zu fast 59 Prozent die Frage verneinen, ob Franco ihrer Ansicht nach ein Diktator gewesen sei, überrascht nicht. Doch auch rund 37 Prozent der befragten WählerInnen der konservativen Partido Popular antworteten auf diese Frage mit Nein. Bei den Ciudadanos sind es immerhin 20 Prozent.

In den Jahren nach Bürgerkrieg und Diktatur blockierte die auf Kompromissen basierende Strategie der spanischen Politik beim Übergang zur Demokratie de facto eine wirksame Aufarbeitung der Verbrechen. Das Amnestiegesetz sicherte Straffreiheit und sorgte für Schweigen über TäterInnen und Opfer.

Auch wenn in den vergangenen Jahrzehnten einiges passiert ist, um dieses Schweigen zu brechen, war als Kritik an der Exhumierung Francos nun immer wieder zu lesen, diese öffne alte Wunden. Doch diese Wunden verheilen nicht, indem man sie einfach ignoriert. Die Exhumierung kann nur ein Schritt von hoffentlich vielen sein, der Franco-Verklärung endlich die Grundlage zu entziehen.

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Eva Oer
Redakteurin
*1985, seit November 2017 Redakteurin für europäische und globale Politik im taz-Auslandsressort. Hat seit 2014 immer mal wieder für die taz gearbeitet, meistens für das Ressort Wirtschaft und Umwelt, und schreibt gern über die EU und über Entwicklungspolitik.
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8 Kommentare

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  • Ergebnisse der Umfrage bei La Sexta hier: www.lasexta.com/no...2d4f059b98a13.html.

  • Erinnert mich stark an meinen ersten Besuch in Spanien. Wir trampten und strandeten erst in Santander und danach in Ferrol, Francos Geburtsstadt. Es war wirklich erschreckend wie viele Bars, Restaurants und respektive Einwohner diesem irren noch immer huldigen. Das hat sich auch in Gesprächen mit denen gezeigt. Ich kann einen Besuch in diesen Städten wirklich nur sehr eingeschränkt empfehlen.

  • ...vielleicht doch besser eine demokratische Spanierin in der taz zum Thema schreiben lassen...

    • @Der Alleswisser:

      Wie meinen? Ist das jetzt pro oder contra Frau Oer? Ich finde ihren unaufgeregten Stil sehr angenehm.

      • @Reyde Lanada:

        Dito. Auch Ausländer die sich informiert haben, sollen ihre Perspektive über deutsche Themen äußern. Also warum nicht ein deutsches Blick auf Spanien?

        • @Doktor No:

          Ist auch für spanische Menschen sehr wichtig. Meine Freundin ist Spanierin und informiert sich inzwischen zu 90% über deutsche Medien. Spanischsprachige, kritische Nachrichten zu finden, gestaltet sich erstaunlich schwierig

  • "Noch immer werden die Jahre der Diktatur in Spanien in erschreckendem Ausmaß beschönigt."



    Kommt mir betreff DE und der letzten Diktatur auf deutschem Boden leider oft ähnlich vor. Die verklärenden Zitate von Mitbürgern, die gemäß Landkarte eher rechts, sorry, natürlich östlich liegen, zuletzt in der Aufarbeitung des Treuhandesasters im ZDF vor drei Tagen ...sprechen da Bände. Spanien ist als keinesfalls allein...

    • @Tom Farmer:

      Naja, es gibt da schon gewisse Unterschiede. Ich habe eine Freundin, geboren 1994 in Ferrol. Die hat in ihrer Geburtsurkunde tatsächlich nicht einfach "Ferrol" sondern "El Ferrol del Caudillo", frei übersetzt "Das Ferrol des Führers", stehen