Erinnerung an Franco-Diktatur: Madrid reißt Gedenktafeln ab
Die rechte Koalition im Stadtrat will eine Gedenkstätte, die die Anhänger Francos ehrt – und lässt Tafeln für die Opfer der Diktatur zerstören.
Martínez-Almeida, dessen Koalition aus seiner konservativen Partido Popular (PP) und den rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) Dank Unterstützung der rechtsextremen Vox seit Juli die Geschicke der Stadt lenkt, will stattdessen eine neue Gedenkstätte errichten. Dort sollen auch die Name von Franco-Anhängern stehen, die nach dem Putsch gegen die spanische Republik im Jahr 1936 Opfer der Verteidiger der Demokratie wurden.
Das zerstörte Denkmal wurde im Mai von Martínez-Almeidas Vorgängerin Manuela Carmena von der linksalternativen Más Madrid mit Kosten von 300.000 Euro in Auftrag gegeben. Zwar gewann Carmena im Mai die Wahlen, doch das Bündnis der Rechtsparteien hält im Stadtrat eine Mehrheit. Kaum im Amt, ließ Martínez-Almeida die Bauarbeiten kurz vor Abschluss stoppen.
Die Stadtverwaltung will jetzt alle Opfer „gleichermaßen ehren, um neues Unrecht zu vermeiden“. Martínez-Almeida beruft sich auf ein nicht verbindliches Dokument der mittlerweile aufgelösten „Kommission für geschichtliche Erinnerung“. Dieses empfahl – nach Klage der Rechtsparteien – beiden Seiten des Bürgerkrieges zu gedenken, allerdings in zwei unterschiedlichen Gedenkstätten.
Klage wegen Amtsmissbrauch
Das fortschrittliche Madrid ist empört. „Es ist, als hätten sie unsere Opfer ein zweites Mal hingerichtet“, schimpft Tomás Montero, Vorsitzender der Vereinigung Erinnerung und Freiheit. Für ihn ist es eine Beleidigung, Demokraten und Putschisten gemeinsam zu ehren. Monteros Großvater wurde von den Franco-Faschisten erschossen. „Sie wollen den Teil der Geschichte löschen, den bereits Franco gelöscht hatte“, fügt er hinzu.
„Faschisten raus aus unseren Institutionen“, skandierten am Dienstag Hunderte vor dem Madrider Rathaus. Ein Opferverband hat gegen Martínez-Almeida Klage wegen „Amtsmissbrauchs“ eingereicht. „PP und Cs versuchen permanent, den Franquismus weiß zu waschen“, beschwert sich der Sprecher der sozialistischen Gruppe im Stadtrat, Ramón Silva.
„Die Erinnerung an die Opfer stört natürlich die Stadtregierung, die auf die Stimmen der Ultra-Rechten angewiesen ist“, erklärt seine Kollegin bei der stärksten Stadtratsfraktion Más Madrid, Rita Maestre. „Wir werden ihr Andenken lebendig halten“, fügt sie hinzu.
Die beiden konservativen Zeitungen Spaniens, La Razón und ABC, verteidigen den Abriss. Unter den knapp 3.000 erschossenen Demokraten, Linken, Gewerkschaftern und Republikanern befänden sich über 300 „Chequistas“, die keiner Ehrung würdig wären. „Chequistas“ nannten die siegreichen Franco-Faschisten die Spezialeinheiten der Republik, die faschistische Zellen aufspürten, ihre Mitglieder verhafteten und verhörten. La Razón und ABC stützen sich dabei auf franquistische Akten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben