Ex-Waffeninspektor über Chemiewaffen: „Da braucht man Jahre“
Wer kann die chemischen Waffen aus Syrien vernichten? Und wie funktioniert das am besten? Der ehemalige UN-Waffeninspektor Jan van Aken gibt Auskunft.
taz: Herr van Aken, wie muss man sich die Vernichtung der Chemiewaffen vorstellen, was wird da vor Ort passieren?
Jan van Aken: Man muss erst mal klarstellen, dass die Chemiewaffen aus zwei Teilen bestehen, einer Chemikalie und der Waffe. Alle hoffen jetzt, und ich gehe auch davon aus, dass das getrennt gelagert ist, dass die Gifte in Tanks abgefüllt sind. Wenn wir Tanks voller giftiger Chemikalien haben, muss man diese auf Schiffe packen und dann nach Russland fahren, damit sie dort chemisch abgebaut werden können.
Ist ein uneingeschränkter Zugang von UN-Kontrolleuren zu den Chemiewaffen denn überhaupt machbar?
Man muss die Erklärung der syrischen Regierung abwarten. Die Frage ist, wo liegen die Chemiewaffen und auf wie viele Orte sind diese verteilt. Wenn das Gerücht stimmt, dass sie jetzt an vielen verschiedenen Orten lagern, dann gibt es dabei sicherlich Waffenlager, zu denen die UN-Kontrolleure keinen Zugang haben, weil das umkämpfte Gebiete sind. Man benötigt natürlich Sicherheitsgarantien von beiden Seiten. Ich persönlich glaube nicht, dass die Waffen auf 30 bis 50 Orte verteilt sind. Es scheint mir doch eher plausibel zu sein, dass die syrische Regierung ihre Waffenlager sichert. Von daher ist eher davon auszugehen, dass die Chemikalien und die Waffen an wenigen zentralen Orten lagern.
Wer hätte denn außer Russland noch die Fähigkeit, diese Waffen zu zerstören?
Es gibt derzeit zumindest zwei Staaten, deren Anlagen dazu noch in Betrieb sind, das sind Russland und die USA. Beide vernichten noch immer ihre Bestände aus dem Kalten Krieg. Diese Fabriken laufen noch. Dort werden Waffen vernichtet, die bereits mit Chemikalien munitioniert sind. Das ist ein sehr schwieriges und langwieriges Verfahren. Wenn man nur die Tanks voller Gifte vernichten soll, geht das viel schneller.
arbeitete von 2004 bis 2006 als Biowaffeninspekteur für die UNO. Heute ist er Bundestagsabgeordneter der Linkspartei.
Wie lange wird es dauern, bis die Gesamtmenge der Chemiewaffen zerstört ist?
Das kann man nicht sehr genau schätzen – zwischen mehreren Wochen und mehreren Jahren. Alle vermuten, dass Syrien über Sarin und das Zweikomponentengift verfügt. Das ist gewöhnlich in Tanks gelagert. Die lassen sich in wenigen Tagen außer Landes schaffen. Dann kann man Russland ja Zeit geben, die zu vernichten. Wenn die Chemikalie bereits auf Raketensprengköpfe montiert ist, wird es schwieriger. Da braucht man Jahre.
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