Ex-Senator zu Mieterhöhungen bei Vonovia: Geisel haut sanft auf den Tisch
SPD-Bausenator a. D. Andreas Geisel appelliert an Vonovia, die Mieten nicht ganz so stark zu erhöhen. Er glaubt immer noch an Selbstverpflichtungen.
Mehr als drei Wochen nach den ersten Berichten über die drastischen Erhöhungen ließen Geisel und Lüdke am Donnerstag wissen: „Für uns ist dieser einseitige Schritt der Vonovia ein Affront gegenüber Berlin und den Berliner Mieterinnen und Mietern und ein klarer Wortbruch.“ Affront und Wortbruch vor allem deshalb, weil sich Vonovia als Teil des „Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ eigentlich selbst verpflichtet hatte, die Mieten in ihren Beständen innerhalb von vier Jahren um maximal 11 Prozent zu erhöhen.
Maßgeblich aus der Taufe gehoben wurde das Bündnis 2022 von der damaligen SPD-Senatschefin Franziska Giffey – und ihrem seinerzeitigen Mann fürs Bauen, Andreas Geisel. Gemeinsam, so die Zielmarke, würden Vertreter:innen aus Politik, landeseigenen Wohnungsunternehmen und privaten Immobilienkonzernen wie eben Vonovia an einem Strang ziehen, um einerseits den Neubau in Schwung zu bringen und andererseits für leistbare Mieten zu sorgen. Zu letzterem gehörte besagte 11-Prozent-Vereinbarung.
Sowohl Geisel als auch Giffey verkauften das Bündnis als großen Wurf. Die Rede war immer wieder vom „Unterhaken“ mit den Privaten. Dann würde das schon klappen mit den 20.000 Neubauwohnungen im Jahr und dem Mieter:innenschutz. „Mit den erzielten Vereinbarungen werden wir nun ganz konkret etwas für die Menschen in Berlin bewegen können“, erklärte Geisel bei der Unterzeichnung im Juni vor zwei Jahren.
Bausenator außer Dienst, Wohnungsbündnis tot
Der Rest ist Geschichte. Weder ist der Neubau in Schwung gekommen, noch fühlen sich private Konzerne wie Vonovia an irgendwelche Selbstverpflichtungen gebunden. Geisel selbst verlor im Zuge der Wiederholungswahl zum Landesparlament 2023 seinen Job als Bausenator; seither ist er Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Und neben Tamara Lüdke eben einer von zwei SPD-Abgeordneten aus Lichtenberg im Landesparlament.
Dementsprechend bezieht sich der am Donnerstag von Geisel und Lüdke veröffentlichte Appell an Vonovia, „dringend einzulenken“, auch nicht auf die gesamten 40.000 Haushalte, die berlinweit von den drastischen Mieterhöhungen betroffen sind, sondern nur auf Wohnungsbestände in Lichtenberg. Konkret: auf jenen Teil der rund 4.500 Wohnungen, die die landeseigene Howoge im Frühjahr im Auftrag des Landes von der Vonovia angekauft hat und die in seinem Bezirk zu finden sind.
Zum Jahreswechsel soll der tatsächliche Wechsel der Wohnungen in den Bestand der Howoge vollzogen sein. Da Vonovia nun aber das bundesrechtlich mögliche Maximum von 15 Prozent Mietererhöhung ausgeschöpft habe, wären für die Howoge im Rahmen der Vereinbarungen des Wohnungsbündnisses im Anschluss „nur deutlich geringere Erhöhungen möglich“, so die Klage von Geisel und Lüdke. Daher sollte Vonovia die Mieterhöhung „mindestens“ auf das im Bündnis „vereinbarte“ 11-Prozent-Niveau absenken.
Dass die Howoge wohl ab kommendem Jahr erst mal selbst von den zuvor erhöhten Mieten profitieren wird, bleibt freilich unerwähnt. Erstaunlich ist letztlich aber vor allem der große Glaube, mit dem sich die beiden SPD-Abgeordneten auf ein Wohnungsbündnis berufen, das von den Privaten wie Vonovia ohnehin längst aufgekündigt wurde.
Wenig überraschend plädiert die Linke, die den kumpeligen Unterhak-Optimismus der SPD auch vor zwei Jahren in der damaligen rot-grün-roten Koalition nicht teilen wollte, dann auch für einen Weg jenseits der Appelle: „Natürlich muss Vonovia vergesellschaftet werden, das zeigt deren Geschäftspolitik immer wieder“, sagt Niklas Schenker, Sprecher für Mieten und Wohnen der Linksfraktion, zur taz.
Keine Eile beim Vergesellschaftungsrahmengesetz
Mit Blick auf die Mieterhöhungen bei Vonovia hatte auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh vor wenigen Tagen die Vergesellschaftungs-Karte gezogen – und das ebenfalls auf sozialdemokratische Art. In dem Fall war es die Forderung nach mehr Tempo bei der vom schwarz-roten Senat versprochenen Erarbeitung eines Vergesellschaftungsrahmengesetzes.
„Das Grundgesetz garantiert den Schutz von Eigentum. Das ist für mich ein sehr hoher Wert“, erklärte Saleh. Aber Eigentum verpflichte auch. „Das heißt, man muss seiner Verantwortung nachkommen. Passiert das nicht, hat der Staat in der sozialen Marktwirtschaft die Pflicht, regulierend einzugreifen“, so Saleh mit Blick auf die „Gewinnmaximierung ohne Ende“ bei Vonovia.
Ein Eingreif-„Instrument“ ist dabei aus Salehs Sicht das versprochene Rahmengesetz, das zwar nur Kriterien, Indikatoren und Grundsätze für eine mögliche Vergesellschaftung definieren soll. Aber die sozialdemokratische Revolution beginnt im Kleinen. Weshalb Saleh vom Senat dann jetzt erst mal nur „eine Zeitschiene“ für das Rahmengesetz sehen will.
Schon im Frühjahr hatte unterdessen der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nicht nur ausgeschlossen, dass während seiner Amtszeit irgendeine Wohnung vergesellschaftet wird. Er hatte auch klargemacht, dass er es mit dem Rahmengesetz nicht eilig hat. Vielmehr werde zuvor ein externes Rechtsgutachten erstellt, „das verfassungsrechtliche Fragen eines Rahmengesetzes beantworten und grundlegende Überlegungen zur weiteren Umsetzung umfassen soll“.
Aber auch bei dem Gutachten gilt offenkundig der Grundsatz „Eile mit Weile“. Wie eine Sprecherin der federführenden Senatsfinanzverwaltung auf taz-Nachfrage mitteilt, stehe für die Beauftragung eines Gutachtens nach wie vor „die Rückmeldung von fachlich zuständigen Senatsverwaltungen zu inhaltlichen Abstimmungen aus“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag